Eyes wide shut – Wie woke Linke die Gesellschaft zurück in moralistisches Gruppendenken treiben wollen

März 29, 2024

Die Frau muss Nerven wie Drahtseile haben, jedenfalls ging sie laut eigener Beschreibung durch die Hölle des Rassismusvorwurfs, knickte aber nicht vor der Niedertracht dieser Anwürfe ein und ließ ihre Erfahrungen auch noch in ein zutiefst vom Geist der Aufklärung durchdrungenes Sachbuch einfließen:

Die Rede ist von der Frankfurter Ethnologin Prof. Susanne Schröter und ihr aktuelles Werk „Der neue Kulturkampf. Wie eine woke Linke Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft bedroht“.

Ausgehend von ihren eigenen leidvollen Erfahrungen beschreibt die Autorin sehr anschaulich und ohne im akademisch-verschwurbelten Unbestimmten zu verharren eine sich selbst als „erwacht“ (engl. woke) verstehende Linke, die sich ausgehend von US-amerikanischen Elite-Universitäten zunehmend auch an höheren Bildungsstätten im deutschsprachigen Raum festsetzt und von dort aus große Teile der Kultur-, Medien- und Politikszene ideologisch auf Linie zu bringen versucht – leider viel zu oft mit mehr oder weniger großem Erfolg.

Ideologische Basis des Ganzen bildet laut Schröter die sog. „Postcolonial Theory“, d.h. die simple Kategorisierung der Menschheit in Täter- und Opfergruppen im Hinblick auf tatsächliche oder vermeintliche Rassismus- und/oder Sexismuserfahrungen. Kurz gesagt: Als Tätergruppen gelten ausnahmslos weiße, heterosexuelle und nicht-muslimische Männer, Opfer sind dem zufolge immer Frauen, häufig homo- oder bisexuell (bzw. sich im falschen Körper wähnend, also transsexuell), im Idealfall auch noch kombiniert mit der Identität als Muslime.

Differenzierende Nuancen kennt diese holzschnittartige Einteilung laut Schröter nicht. So wird die Verantwortung für den Sklavenhandel und das damit einhergehende massenhafte Leid von Millionen Menschen ausschließend den Europäern mit ihrem Transatlantikhandel zugeschrieben. Der zahlenmäßig vermutlich umfangreichere, von muslimischen Arabern betriebene Sklavenhandel fällt für die woken Akteure dagegen vollständig unter den Tisch. Wer dieser sektenartigen Zweiteilung der Welt in Täter- und Opferkollektive auch nur punktuell widerspreche, müsse mit scharfen Angriffen („Shitstorms“, in erster Linie innerhalb der Sozialen Medien), schlimmstenfalls mit Ausladungen von (akademischen) Veranstaltungen bis hin zum beruflichen Karriereende rechnen.

Anhand der von ihr selbst im April 2023 für das Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam (FFGI) veranstalteten Konferenz „Migration steuern, Pluralität gestalten“ und der sich anschließenden Kampagne gegen sich selbst sowie das gesamte Institut zeigt die Autorin auf, mit welchem fundamentalistischen Furor viele Aktivisten der woken Szene agieren. Insbesondere das Thema Migration / Islam stehe immer wieder im Mittelpunkt woker Attacken, da aus Sicht dieser Leute Migranten stets unschuldige „Schutzsuchende“ seien, Muslime nur als Opfer einer als strukturell rassistisch dargestellten Gesellschaft wahrgenommen würden.

Besonders betroffen machen ihre Ausführungen dann, wenn sie die häufig durch Wegducken und Mitläufertum bestehenden Reaktionen universitärer Entscheidungsgremien darstellt und auch auf die zumindest partielle Unterstützung woker Anliegen durch Teile der Mainstream-Medien zu sprechen kommt.

An einigen Stellen verfällt die Autorin jedoch in eine zu sehr pauschalisierende Wortwahl (z.B. „Während die Transbewegung Menschen mit ihrem Hass verfolgt, […]“, S. 161), doch mögen derlei Termini durch die persönliche Verletztheit Schröters zustande gekommen sein, wie auch die Rezension des Humanistischen Pressedienstes betont.

Dass die Gefahr der großformatigen Durchdringung weiter gesellschaftlicher Segmente möglicherweise nicht ganz so akut sein dürfte, wie die Autorin suggeriert, lässt sich unter Umständen an der Entscheidung der Landesregierungen Bayerns und Hessens gegen die sogenannte geschlechtersensible Sprache („Gendern“) in Verwaltungs- und Bildungseinrichtungen sowie an der derzeit um sich greifenden Debatte um die Selbstinszenierung des deutschen Fußballnationalspielers Antonio Rüdiger erkennen, der mit dem sogenannten, als islamistische Geste deutbaren, Tawhid-Finger anlässlich des muslimischen Fastenmonats Ramadan auf seinem Social-Media-Account posierte.

Schlapphüte als Gesinnungsschnüffler: zur fragwürdigen Rolle des deutschen Verfassungsschutzes und seiner politischen Auftraggeber

Februar 27, 2024

„Diejenigen, die den Staat verhöhnen, müssen es mit einem starken Staat zu tun bekommen!“ polterte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vor ca. zwei Wochen anlässlich einer Pressekonferenz los.

Bildunterschrift: Staatskrakige Geheimdienstscharade

Und ihre Kabinettskollegin Lisa Paus (B`90/Die Grünen) ergänzte, „Hass im Netz“ auch unterhalb der Schwelle der Strafbarkeit entschieden bekämpfen zu wollen. Was der arglose Bürger wohlmeinend als angebrachte „klare Kante“ gegen (rechts-)extremistische Umtriebe interpretieren dürfte, entpuppt sich bei näherer Betrachtung jedoch als beinharte Maßnahme des Demokratieabbaus – und das seitens der Regierung!

CICERO-Herausgeber Alexander Marguier sieht hier gar den ersten Schritt in einen Überwachungsstaat. Und in ähnlicher Weise beklagt die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) die Schwammigkeit der regierungsamtlich verwendeten Begrifflichkeiten („Verhöhnen“, „Delegitimierung des Staates“ etc.). Hinzu kommt: Der deutsche Inlandsgeheimdienst in Gestalt des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) nimmt innerhalb der westlichen Demokratien eine Sonderrolle ein, indem er nicht nur straffällig gewordene und offen verfassungsfeindlich agierende Einzelpersonen und Organisationen nachrichtendienstlich überwacht, sondern eben auch immer wieder solche, die sich keiner kriminellen Handlungen bedient haben, aber eventuell eine teilweise recht ruppige Art der politischen Auseinandersetzung pflegen (z.B. „Fridays for Future“).

Der u.a. für die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) schreibende Jurist Ronen Steinke nennt diese sonderbare Art des bundesdeutschen Spionageverständnisses einen „Politik-Beobachtungs-Verfassungsschutz“, der mehr oder weniger je nach politischem Gusto der jeweils Regierenden lange Zeit vor allem die radikal linke, seit dem Rauswurf Hans-Georg Maaßens (Ex-CDU, heute WerteUnion) vom Posten des BfV-Präsidenten unter dessen Nachfolger Thomas Haldenwang (CDU) hauptsächlich die extrem rechte Seite des politischen Spektrums (oder vielmehr das, was seine Vorgesetzten dazu erklären) auf dem Radar habe.

In diesem Zusammenhang muss natürlich auch das von Faeser selbst sowie zahlreichen Medien betriebene, völlig überzogene Suggerieren, beim ominösen „Potsdamer Geheimtreffen“ vom November 2023 in der „Villa Adlon“ habe es sich quasi um eine Art „Wannseekonferenz 2.0“ gehandelt. In Letzterer beschlossen führende Nazi-Funktionäre bekanntlich die millionenfache TÖTUNG von Juden, während es bei Ersterem allem Anschein eher um sich im grundgesetzlich einwandfreiem Rahmen bewegende Gedankenspiele in Richtung ABSCHIEBUNG nicht asylberechtigter Ausländer gegangen sein dürfte – von Menschen ohne jede Regierungsgewalt wohlgemerkt!

Die sich aus der hysterisierten Medienberichterstattung ergebende Kurzschluss-Formel „Potsdamer Treffen = Wannseekonferenz / AfD = neue NSDAP“ ergibt somit Wasser auf die Mühlen einer auf dem rechten Auge hyperaktiven Regierung, die im Gegenzug die Gefahren des radikalen (politischen) Islams und seiner linksradikalen Spießgesellen sträflich vernachlässigt.

Eine absolut besorgniserregende Entwicklung…

Hartwig, Höcke, Hysterie: Warum ich mich den aktuellen Demos „gegen rechts“ nicht anschließe

Januar 28, 2024

Seitdem ich im Geschichtsunterricht der 9./10. Klasse erstmalig mit den Gräueltaten der Nationalsozialisten konfrontiert wurde, habe ich mir geschworen, alles zu tun, um allem, was auch nur im Entferntesten auf eine Wiederholung derartiger Zustände hindeuten könnte, entschlossen entgegenzutreten. Während meines Studiums Anfang bis Mitte der 2000er-Jahre war es mir daher mehrfach ein Herzensanliegen, gegen diverse Aufmärsche der NPD bzw. sog. „freier Kameradschaften“, u.a. in Bremen, Hamburg, Hannover und Verden, mitzudemonstrieren.

Warum ich mich jedoch den gegenwärtig stattfindenden Demonstrationen, die häufig unter dem Label „gegen rechts “ oder „gegen die AfD“ laufen, nicht anschließen kann, fasse ich im Folgenden kurz zusammen:

  1. Sprachliche Schludrigkeit: Der Terminus „gegen rechts“ verwischt bewusst oder unbewusst die sprachliche Grenze zwischen einem in einer Demokratie legitimen politischen Spektrum auf dem Boden des Grundgesetzes (liberal-konservativ/moderat rechts etc.) und eindeutig verfassungsfeindlichen Strömungen. Letztere müssen dann aber klipp und klar als „rechtsradikal“ bzw. „rechtsextrem“ bezeichnet werden. Versuche, Teile von FDP und/oder CDU/CSU oder gleich diese Parteien in ihrer Gesamtheit als „rassistisch“ oder „Nazis“ zu labeln, stellen eine nicht hinzunehmende Diffamierung des politischen Gegners vonseiten einiger Vertreter des links-grünen Parteienspektrums dar.
  2. Zweifel an objektiver Berichterstattung: Der Auslöser dieser Demonstrationen, der Artikel „Geheimplan gegen Deutschland“ des sich als unabhängig gerierenden Recherche-Netzwerks CORRECTIV arbeitet mit jeder Menge Vermutungen und lässt daher Zweifel an einer objektiven journalistischen Arbeit aufkommen: Der angebliche Plan der Teilnehmer des ominösen Treffens in der Potsdamer „Villa Adlon“ im November 2023 (u.a. wenige Mitglieder aus AfD und Werteunion, darunter der damalige Weidel-Referent Roland Hartwig), willkürlich und millionenfach Menschen allein aufgrund ihrer Herkunftsgeschichte und/oder Hautfarbe zu „deportieren“ (was in der Tat dem Vorgehen der Nationalsozialisten und ihres Reichssicherheitshauptamts (RSHA) unter Federführung eines Adolf Eichmann zumindest nahe käme), wird bspw. vom teilnehmenden Jura-Prof. Ulrich Vosgerau dementiert: So habe der ehemalige Chef der „Identitären Bewegung“ Österreichs, Martin Sellner, im durch CORRECTIV skandalisierten Vortrag lediglich die Abschiebung von „vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern“ gesprochen. Die selbe Zielgruppe also, die selbst ein Bundekanzler Scholz (vgl. SPIEGEL-Ausgabe 43/2023) „in großem Stil“ aus Deutschland fortzuschaffen gedenkt.
  3. Messen mit zweierlei Maß: Während die (angeblichen oder tatsächlichen) Ausführungen Sellners also medial zu einem Mega-Skandal aufgeblasen werden, verhält es sich mit ganz ähnlich lautenden Äußerungen vonseiten einiger Regierungsmitglieder vollkommen anders: Über diese wird i.d. Regel neutral berichtet, obwohl, wie im Falle des (zurückgezogenen) Vorschlags von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) aus dem August 2023, sehr wohl erhebliches Skandalisierungspotential darin liegt, als sie zur Debatte stellte, Angehörige ausländischer Clan-Familien rein aufgrund der Namensübereinstimmung mit ihren straffällig gewordenen Verwandten selbst dann abzuschieben, wenn Ersteren gar keine kriminellen Handlungen nachgewiesen worden seien.
  4. Teils Dubiose Demo-Anmelder: Zumindest einige der derzeit organisierten Demonstrationen werden von Organisationen oder Einzelpersonen angemeldet, die selbst ein zumindest zweifelhaftes Verhältnis zum freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat an den Tag legen, wie dies im Falle der Anmelderin einer Münchener Demo, Lisa Poettinger, nahezuliegen scheint.
  5. Infantiler bis antidemokratischer Zungenschlag: Viele Demo-Parolen, -Banner und -Sprüche zeichnen sich durch ihre lächerlich-naive, manchmal widersprüchliche („Ganz [Stadt XY] hasst die AfD!“ – an anderer Stelle wird dann „Hass ist keine Meinung“ gefordert), teils offen antidemokratische Stoßrichtung aus. Den Extremfall stellt ein Transparent auf einer Aachener Kundgebung dar, in dem vermeintlich wortspielerisch von „AfDler töten“ die Rede war.
  6. Mediale und politische Hysterie: Selbst wenn die Inhalte des Austauschs auf dem Treffen in Potsdam klar menschen- und demokratiefeindlicher Art im Sinne von CORRECTIV gewesen sein sollten: Zu suggerieren, bei der AfD handle es sich um die neue NSDAP oder die Absichten der millionenfachen Willkür-Abschiebungen könnten realistisch in absehbarer Zeit von ihren Verfechtern in die Tat umgesetzt werden, muss als Verharmlosung der nationalsozialistischen Barbarei eingeordnet werden. Selbstverständlich tummeln sich in der AfD jede Menge anti-westliche Demokratiefeinde (neben dem obligatorischen Björn Höcke etwa ein Matthias Helferich aus NRW, nach Eigenaussage „das freundliche Gesicht des NS“)! Auch ich betrachte diese Partei als „in Teilen rechtsextrem“. Aber selbst, wenn die AfD nach den drei ostdeutschen Landtagswahlen im Spätsommer dieses Jahres einen eigenen Ministerpräsidenten stellen sollte, würde das noch lange nicht das demokratische System der Bundesrepublik ins Wanken bringen. Kommentare aus Politik und Medien, die das Potsdamer Treffen in die Nähe der NS-Wannseekonferenz rücken, sind hochgradig überzogen, ja infam.   Der Ex-Grüne Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer stellt wie leider viel zu wenige Politiker und Medienschaffende absolut zutreffend fest, dass die durch die Demos verstärkte Skandalisierung der AfD deren Aufstieg in der Wählergunst keineswegs bremse. Dies könne vielmehr durch eine den Sorgen der breiten Masse der Bürger zugewandte, von ideologischen Scheuklappen befreite Politik der etablierten Parteien bewirken.
  7. Einseitige Fixierung auf Rechtsradikalismus autochthoner Deutscher: Geht es gegen die AfD und ihr Umfeld, sind erstaunlicherweise binnen weniger Tage Millionen Menschen mobilisiert. Dagegen hielt sich der Zuspruch zu den Israel-Solidaritäts-Kundgebungen im Gefolge des Hamas-Terrors vom 07.10.2023 nach nur wenigen Tagen seeeeeehr in Grenzen. Vielmehr waren sogar Palästina-Aktivisten (mit Sicherheit zu annähernd 100 % klare Antisemiten!) mit den entsprechenden Flaggen und Sprechchören „gegen rechts“ unterwegs – ohne dass sie dafür nennenswerten Widerspruch erfuhren oder gar aus den Demos herausgedrängt wurden. Generell nehmen viele Deutsche die Gefahr des (legalistischen, also gewaltfreien) radikalen Islam nicht oder nur am Rande wahr. Natürlich verfügt diese ebenso rechtsradikale Strömung hierzulande nicht über eine Partei als Agitationsbasis. Das ist auch gar nicht nötig, wenn man sich vor Augen hält, in welch unvorstellbarem Ausmaß die etablierte Politik immer und immer wieder den Steigbügelhalter für die entsprechenden freiheitsfeindlichen Islamverbände gibt!
  8. Politische Selbstbestätigung und Entlastung von Schuld der Vorfahren: Ich werde das Gefühl nicht los, dass es vielen Demo-Teilnehmern „gegen rechts“ in erster Linie darum geht, nachträglich zu beweisen, dass sie 1933 auf der „richtigen Seite der Geschichte“ gestanden hätten und sich somit von der Schuld der eigenen Familienangehörigen reinzuwaschen. Selbstverständlich kann ich dazu keine validen Belege heranziehen, doch ein starker Verdacht bleibt.

Dschihadismus im Christentum: eine neue Sicht auf Kolumbus und das Osmanische Reich

Dezember 31, 2023

Regelmäßige Leser meines Blogs dürften sicher nicht gerade selten das Gefühl erhalten, dass der (gegenwärtige radikale) Islam nicht unbedingt meine Lieblingsreligion sei. Da ist sicher mehr als nur ein Fünkchen Wahrheit dran, wenngleich es selbstverständlich für mich als eingefleischten Religionskritiker so etwas wie eine bevorzugte Religion überhaupt nicht geben kann!

Wie dem auch sei, spätestens mit dem barbarischen Massaker der Hamas vom 7. Oktober dieses Jahres und den darauf einsetzenden weltweiten Jubelstürmen mehr oder weniger offen antisemitischer Muslime (und Linksradikaler!) ist vor aller Welt Augen mehr als sichtbar zu Tage getreten, was für ein immenses Gewaltproblem die Religion Mohammeds in ihrer Mitte mit sich herumschleppt.

Als geschichtsaffiner Mensch genügt mir jedoch kein alleiniger Blick in die Gegenwart, zumal die Vergangenheit und deren Interpretation reichlich Stoff für verblüffende Erkenntnisse bietet.

Eine solche (Dauer-)Verblüffung stellt sich mir aktuell immer wieder während der Lektüre des ausgezeichneten Werkes „Gottes Schatten. Sultan Selim und die Geburt der modernen Welt“ aus der Feder des US-Historikers Alan Mikhail ein.

Der Autor widmet sich darin der expansionsfreudigen Phase des Osmanischen Reichs um das Jahr 1500 unter Sultan Selim (dem Enkel des Konstantinopel-Erobereres Mehmed von 1453). Nicht nur die ständigen Intrigen zwischen den Halbbrüdern Selim, Ahmed und Korkud um die Nachfolge ihres Vaters Bayezid auf den Sultansthron von Istanbul nehmen breiten Raum in dem 510-seitigen Werk ein. Überraschend ausführlich widmet sich Mikhail ebenfalls dem genuesischen Entdecker Christoph Kolumbus und dessen Motivation sowie Folgen seines verhängnisvollen Segelabenteuers Richtung Westen, womit er 1492 durch seine Anlandung auf den Bahamas Weltgeschichte schrieb.

Kolumbus habe sich weniger als Entdecker, sondern vielmehr als Soldat Gottes im Dienste der spanischen Krone verstanden. (Königin Isabella von Kastilien finanzierte sein Unternehmen.) Sein Soldatentum habe er in erster Linie auf seine glühende Gegnerschaft gegenüber dem Islam (insbesondere osmanischer Prägung) verstanden: Durch die zunehmende Vorherrschaft der Osmanen über große Teile des Mittelmeers (u.a. Einnahme des italienischen Otranto 1480, wenngleich nur für ein Jahr!) habe sich Kolumbus erst dazu gedrängt gesehen, den Seeweg nach Westen anzutreten. Jedoch sei es ihm weniger um die lukrative Welt der Gewürze Indiens gegangen, sondern darum, auf westlicher Route die Osmanen einzukesseln und sich mit dem laut Marco Polo dem Christentum aufgeschlossenen mongolischen Großkhan gegen diese zu verbünden.

Mikhail benennt in diesem Zusammenhang das neunte Kapitel seines Buches mit „Christlicher Dschihad“.

Ebenfalls nicht unerwähnt bleibt die relative Toleranz des osmanischen Islams in Anbetracht der gnadenlosen Muslim- und Judenverfolgung nach dem Abschluss der Reconquista (christliche Rückeroberung der iberischen Halbinsel von den Muslimen 1492). Zehntausende vertriebener Sepharden (spanischer Juden) seien in Städten aufgenommen worden, die zum Herrschaftsgebiet der Osmanen gehörten. Auf diese Weise sei das (heute griechische) Thessaloniki zur größten jüdischen Stadt der damaligen Zeit avanciert.

Generell habe der Islam der Sultane und Kalifen der Umbruchszeit zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit eher auf Integration nicht-muslimischer Reichsbürger gesetzt, zumal Muslime noch eine Minderheitsreligion ausgemacht hätten. Größeres Konfliktpotential habe für Selim (in seiner Zeit als Gouverneur von Trabzon, also noch vor der Thronbesteigung als Sultan) die aufkommende innermuslimische Konkurrenz seitens des schiitischen Safawidenreichs im Osten der osmanischen Einflusssphäre (= Persien/Iran) innegehabt.

Alles in allem ein für Geschichtsfans immer wieder Aha-Momente bereithaltendes Werk, das u.a. zeigt, wie sich das Verhältnis zu Toleranz und Gewalt religiöser Herrschaftssysteme im Laufe der Jahrhunderte wandeln kann.

Alle Fakten schweigen still, wenn´s die Grüne Jugend will – das Wolkenkuckucksheim der Beschützer*außen der „edlen Wilden“, es lebe hoch!

November 28, 2023

Ein Gespenst geht um in Deutschland – nur leider ist diese Feststellung – anders als weiland diejenige Marxens bezogen auf den real existierenden Kommunismus – mitnichten etwas, das auch nur ansatzweise so etwas wie Emanzipation gegenüber den herrschenden Machtverhältnissen bedeuten könnte!

Kurz und gut: Es geht um den besorgniserregenden Anstieg der Zahlen migrantischer Tatverdächtiger, vorgestellt im Bundeslagebild „Kriminalität im Kontext von Zuwanderung“ des Bundekriminalamtes (BKA): Gegenüber dem Vorjahr 2021 stieg diese nämlich um enorme 11,9 % oder in absoluten Zahlen von 127.489 (2021) auf 142.721 (2022) – die Dunkelziffer dabei freilich nicht mitgerechnet. Demnach entfallen bei einem Bevölkerungsanteil von 3,4 % Zuwanderer satte 7,4 % aller Tatverdächtigen auf diese Bevölkerungsgruppe. Noch sehr viel drastischer entwickelten sich die Zahlen hinsichtlich der Straftaten gegen das Leben (Mord, Totschlag sowie die jeweiligen Versuche), denen Zugewanderte verdächtigt werden, nämlich um unglaubliche 84,3 %. Eine genauere Kommentierung findet sich bspw. hier.

Der unfassbare Tsunami antisemitischer Parolen und Plakate anlässlich diverser „Pro-Palästina-Demos“ der letzten Wochen tut sicherlich sein Übriges – auch wenn der Anteil „länger hier lebender“ Menschen mit Migrationsgeschichte auch nicht unterschätzt werden dürfte.

Doch all dies hindert die unerschrockenen Weltretter*innen der Grünen Jugend selbstverständlich nicht daran, ihre gebetsmühlenartige Mär vom furchtbaren „Rechtsruck“ und den ach so untragbaren „Asylrechtsverschärfungen“, die (in den Worten der neuen Bundesvorsitzenden Svenja Appuhn) „das Leben von Menschen härter mach[en]“.

Natürlich geht Kriminalität immer noch von einer Minderheit unter den Geflüchteten aus – allerdings einer nun auch wieder nicht unmaßgeblich kleinen Minderheit. Welcher Staat kann es sich und seiner Bevölkerung langfristig zumuten, dass ein signifikanter Anteil von Menschen, die nach eigenen Angaben ihre Heimat verlassen haben, um in einer völlig fremden Umgebung und Kultur anzukommen, das Gastrecht missbraucht und Polizei wie Justiz belastet?

Aber die Grüne Jugend wäre nicht die Grüne Jugend, wenn sie nicht in typisch öko-romantischer Manier den Mythos des sanften Exoten oder in den Worten des französischen Aufklärungsphilosophen Rousseau: des „edlen Wilden“ hochhalten würde! Wie Studien jedoch nachweisen, lebt es sich selbst in aktuellen Gewalt-Hotspots wie der New Yorker South Bronx ungefährlicher als unter so manchem Wildbeuter-Stamm.

Auch wenn es zynisch klingt: Die Realität wird auch in diesem (Pflege-)Fall früher oder später dafür sorgen, dass die Grüne Jugend respektive ihre Mutterpartei in absehbarer Zeit ihrer Regierungsverantwortung ledig sein dürfte! Wie soll es der sowjetische Staats- und Parteichef Gorbatschow gegenüber seinem dogmatisch-verbohrten „Genossen“ Honecker Ende 1989 ausgedrückt haben: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!“ Oder bezogen auf heute: „Wer sich zu lange in traumtänzerischen Weltrettungs-Eskapismus flüchtet, den bestraft der Wähler – äääähh, das Wählende!“

Die rote Linie in mir: resignative Gedanken zum globalen Islamfaschismus und seinen „progressiven“ Spießgesellen

Oktober 29, 2023

Mit dem unfassbar bestialischen Terrorangriff der Hamas-Schlächter auf jüdische Frauen, Männer, Kinder und Senioren am 7.Oktober mit ca. 1500 Ermordeten und über 200 Entführten ist in mir eine rote Linie überschritten. Was das konkret heißt, wird die Zukunft weisen…

Doch die an Grausamkeit nicht zu überbietenden Taten der islamfaschistischen Monster allein sind es nicht; zu einem „guten“ Teil dazu beigetragen haben auch die internationalen Reaktionen palästinensischer Demonstranten und ihrer oft linksradikalen Unterstützer, die sich immer noch nicht entblöden, die Hamas nicht als Wurzel allen Übels hinsichtlich der erbärmlichen humanitären Lage der Zivilisten im Gazastreifen anzuerkennen, sondern Israel die alleinige Schuld geben.

Ganz abgesehen von der Angst zahlreicher Juden hierzulande und anderswo, ihre Kinder weiter unbeschadet in die Schule schicken zu können bzw. selbst auf der Straße oder sogar in den eigenen vier Wänden sicher zu sein.

Im Grunde genommen handelt es sich um eine perverse Variante von „Und täglich grüßt das Murmeltier“, erlebt die Welt doch immer und immer wieder die Eskalation palästinensischen Terrors, in erster Linie in Form von Raketenbeschuss – man denke an die besonders heftigen Auseinandersetzungen zum Jahreswechsel 2008/09, 2012, 2014 und 2021.

Allein meine Hoffnung auf einen überfälligen Lerneffekt der hiesigen Medien ist noch nicht ganz erloschen: die Hoffnung darauf, endlich die Lügen der Islamfaschisten und deren menschenverachtendes Verhalten zu benennen, ganz bewusst aus unmittelbarer Nähe von Krankenhäusern, Schulen, Kindergärten und Moscheen ihre Waffenlager und Raketenabschussrampen zu positionieren, um die nach israelischen Gegenschlägen nicht zu vermeidenden toten Zivilisten (und hier natürlich vor allem die zahlreichen Kinder der fortpflanzungsfreudigen Palästinenser) in die Kameras der Weltöffentlichkeit zu halten („Kindermörder Israel“).

In erfreulich allergrößter Deutlichkeit geht Beatrice Frasl von der „Wiener Zeitung“ mit den heuchlerischen, sich selbst als „progressiv“ wahrnehmenden linken Sympathisanten palästinensischen Terrors in dieser neuen, wohl im Vergleich zu den Vorjahren ungleich heftigeren Runde der Gewalt in Nahost ins Gericht:

„Was sagt man, wenn junge Frauen inmitten der Leichen ihrer Freundi:nnen vergewaltigt werden? Und wenn andere junge Frauen in Harvard und Stanford, in Berlin oder in Wien diese Form der sexualisierten Folter an Frauen, die sie selbst hätten sein können, feiern, in offenen Briefen, in Instagram-Posts und auf den Straßen europäischer Städte. Als dekolonialistischen Befreiungskampf.

Wenn Menschen sich unter Leichen von Freundinnen und Freunden totstellen, um nicht getötet zu werden? 

Was soll man überhaupt sagen und in welchen Worten, wenn Menschen, die sich selbst als „progressiv“ oder als ‚links‘ bezeichnen, wenn Menschen, die sich selbst als Antifaschist:innen verstehen (was lustig wäre, wäre es nicht so unfassbar tragisch), dieses Massaker, dieses Pogrom, diesen unbeschreiblichen Ausbruch an Unmenschlichkeit, nicht verurteilen, sondern gutheißen. Was sagt man, wenn antisemitischer Hass wieder losbricht, ungezügelt? Auf Social Media, auf amerikanischen Campi, in den Straßen Europas?

Wenn jüdische Freund:innen in europäischen Städten (wieder) Angst haben, wenn Synagogen angegriffen und ihre Wohnungen mit Davidsternen markiert werden? 

Die rote Linie in mir – sie ist unwiederruflich überschritten. Die Mörder vollzogen ihre Taten am 7. Oktober wie bei allen anderen Schlächtereien zuvor im Namen ihrer Religion, dem Islam. Es ist ein zum barbarischen Massenmord- und Todeskult übersteigerter Islam, aber seine Wurzeln liegen nicht zuletzt auch in Koran und Hadithen (Überlieferungen über das Leben des Propheten Mohammed) und dem Tabu historisch-kritischer Schriftauslegung.

Mit der Entwicklung einer nennenswerten Anzahl (streng-religiöser) Muslime hierzulande hin zu so etwas wie Selbstkritik (sprich: Religionskritik) und der Anerkenntnis, dass all diese Grausamkeiten eben doch mit ihrer Religion zu tun haben, darf wohl nicht wirklich gerechnet werden. Hier zeigt sich in aller Deutlichkeit, was mangelnder Integrationsdruck seitens fahrlässig agierender Regierungen spätestens seit Merkel an Verheerungen angerichtet haben!

Zudem fehlt in vielen Fällen wohl schlicht und ergreifend der geistige Horizont und/oder der Wille, sich mit kritischen Stimmen aus den eigenen Reihen wie derjenigen des Freiburger Religionspädagogen Abdelhakim Ourghi auseinanderzusetzen, der bereits nach der Pariser Anschlagsserie von 2015 auf die gewalttätige Tradition der islamischen Frühzeit verwiesen hat.

Auf jeden Fall stehen global betrachtet schlimme Jahre bevor, da der katastrophale Zustand von weiten Teilen der islamischen Welt – und hier vor allem das nach wie vor quicklebendige Treiben des Terrorregimes von Teheran – auf absehbare Zeit nicht aufzuhalten sein dürfte.

Hoffen wir wenigstens, dass die deutschen Wähler mehr und mehr zu der Erkenntnis kommen, dass durch rot-grün-merkelianische Traumtänzer-Politik der Karren erst richtig in den Dreck gezogen worden ist und ein „Weiter so“ die sicher schlechteste Option darstellt…

Wenn die woken Torten fliegen: Zum islambezogenen Rückzug Constantin Schreibers

September 27, 2023

Außer Geburtstags- und Hochzeitsfeiern gibt es bekanntlich wenige Anlässe, um im mehr oder weniger öffentlichen Raum mit süßem Zuckerbäckernaschwerk – ergo: Torten – in Berührung zu kommen.

Der Journalist und „Tagesschau“-Sprecher Constantin Schreiber musste sich unfreiwillig einer solchen Begegnung unterziehen: Anlässlich seiner am 29. August an der Universität Jena stattfindenden Lesung aus seinem aktuellen Werk „Glück im Unglück. Wie ich trotz schlechter Nachrichten optimistisch bleibe“ wurde er von einem sich als „progressiv“ verstehenden „Aktivisten“ (besser: Vollhonk) mit einer Torte beworfen. Motiv der Tat war der Protest einer linksradikalen Gruppierung („Undogmatische Radikale Linke“) gegen seine Art der Islamkritik, die er in Büchern wie „Inside Islam. Was in Deutschlands Moscheen gepredigt wird“ oder „Kinder des Koran. Was muslimische Schüler lernen“ einem breiteren Publikum präsentiert hat. Der Angriff stand also in keinerlei sachlichem Zusammenhang mit der anstehenden Lesung.

Im Interview mit der Wochenzeitung „Die Zeit“ vom 14. September ging Schreiber auf das zögerliche Verhalten der Uni-Leitung hinsichtlich dieses Vorfalls ein. Diese habe anschließend zwar eine Erklärung gegen „tätliche Angriffe“ abgegeben, jedoch nicht ihm gegenüber und auch erst dann, als bereits erste Presseanfragen eingegangen seien. Ein Armutszeugnis in Sachen Zivilcourage also – wieder einmal!

Zwar gesteht Schreiber in diesem Interview, dass sein Entschluss, sich zu islambezogenen Themen in Zukunft in keiner Weise mehr öffentlich äußern zu wollen, schon vor der Tortenattacke von Jena erfolgt sei, dennoch kann aus religionskritischer und Aufklärungsperspektive nur von einem weiteren herben Rückschlag gesprochen werden – schließlich häufen sich mittlerweile die Beispiele für das versuchte Mundtotmachen wichtiger Stimmen in diversen Polit-Debatten („Canceln“) – erinnert sei bspw. an die Kabarettisten Dieter Nuhr und Lisa Eckhart!

Die perfide Bedrohung, der viele unbequeme „Mahner und Warner“ (nicht nur zum Thema Islam/Migration) ausgesetzt sind, zeigt sich darin, dass immer wieder selbst das private Wohnumfeld ausgekundschaftet wird oder – wieder im Fall Constantin Schreiber – er die unmissverständliche Drohung eines offenbar streng-muslimischen Taxifahrers ertragen musste, die auch dem „Zeit“-Interview zu seinen Titel verhalf: „Jetzt weiß ich, wo du wohnst“.

Doch von einer Politik, die sich – teilweise selbst außerhalb des linken Kernspektrums aus SPD, Linkspartei und den Grünen – mit (legalistischen) Islamisten zum Gruppenkuscheln trifft, kann wohl keine Schützenhilfe für Schreiber und andere kritische Geister wie die Frankfurter Ethnologin Prof. Susanne Schröter, den Psychologen Ahmad Mansour oder den Politologen Hamed Abdel-Samad erwartet werden. Wer den Finger zurecht öffentlich in die Wunde problematischer Entwicklungen innerhalb deutscher Islam-Communitys legt, der lebt gefährlich. Ein unfassbarer Skandal, über den die regierungsnahen Medien nicht annähernd – wenn überhaupt – mit solcher Intensität wie über derartige Stürme im Wasserglas wie den „Fall Aiwanger“ berichten!

Auschwitz im Blätterwald oder: Zur medialen Rufmordkampagne gegen Hubert Aiwanger

August 30, 2023

Böse Zungen nennen die „Süddeutsche Zeitung“ aus München schon seit geraumer Zeit die „Alpen-Prawda“, in Anlehnung an das (beinahe) gleichnamige zentrale Presseorgan sowjetrussischer Provenienz, welches in Zeiten des Kalten Krieges regelmäßig gegen den „Imperialistischen Westen“ , ergo „Klassenfeind“, austeilte.

Mit ihrem jüngsten Kampagnen-Artikel („Das Auschwitz-Pamphlet“) haben es die Münchner Mainstream-Schmerkelianer* nun fertiggebracht, in unnachahmlicher Weise mittels anonymer Verdächtigungen pünktlich zur heißen Phase des bayerischen Landtagswahlkampfes gegen den Chef der Freien Wähler (FW) und Vizeministerpräsidenten Hubert Aiwanger zu agitieren.

Basis dieser Kampagne bildet ein ca. 35 Jahre altes, maschinegeschriebenes Flugblatt, welches der Frage „Wer ist der größte Vaterlandsverräter?“ nachgeht, in es auf in der Tat widerwärtige Weise eine Preisstaffelung vornimmt, deren Krönung ein „Freiflug durch den Schornstein in Auschwitz“ bildet. Die „Süddeutsche“ legt durch Andeutungen anonymer möglicher Zeitzeugen nun also nahe, dass der damals 16-jährige Gymnasiast Hubert Aiwanger der Verfasser dieses üblen Machwerks gewesen sei; mittlerweile hat sich jedoch dessen Bruder als Urheber bekannt. Dennoch findet dieser „Skandal“ munter seine Fortsetzung, etwa durch die Berichterstattung im „Bayerischen Rundfunk“ in Gestalt des Politikmagazins „Report München“ vom 29. August 2023, in dem ein gewisser Mario Bauer, ein ehemaliger Schulkamerad Aiwangers, darauf beharrt, dieser sei in der Klasse durch das Zeigen von Hitlergrüßen, Nachsprechen von Hitler-Reden und das Verfassen besagten Flugblattes in Erscheinung getreten (ab Min. 7:20).

Doch selbst, wenn sich tatsächlich Aiwanger und doch nicht sein Bruder als Urheber der Schmähschrift erweisen sollte, bleibt ähnlich wie im Kommentar Alexander Kisslers in der „Neuen Zürcher Zeitung“ (NZZ) anzumerken:

Moralisch verwerfliches, selbst den Nationalsozialismus verharmlosendes, Gedankengut aus der Feder eines Minderjährigen (!) sollte nicht überdramatisiert dargestellt werden! In einem Alter, in dem viele Jugendliche nach der größtmöglichen Provokation um der Provokation willen, so gut wie alles tun, um die empörte Aufmerksamkeit ihrer Eltern, Lehrer und anderer Autoritäten auf sich zu ziehen, benötigen wir eine genauere Einordnung der Tat bzw. der gefallenen Worte:

Ist derjenige bereits öfter in ähnlicher Weise aufgefallen? Wie wahrscheinlich ist es, dass er das Gesagte wirklich ernst meint, vielleicht sogar eine gefestigte weltanschauliche Position vertritt?

Und vor allem: Was spricht dafür, dass die betreffende Person AUCH HEUTE noch so denkt bzw. handelt oder die damaligen Handlungen rechtfertigt? Und hier wäre wirklich der Hauptkritikpunkt an der skandalisierenden Medienberichterstattung anzusetzen: Schließlich hatten weite Teile der Wählerschaft selbst dann keine Probleme mit dem grünen Außenminister Joschka Fischer, als der SPIEGEL Anfang 2001 dessen militante Vergangenheit (Steinwürfe gegen Polizisten) zu seiner „Sponti-„Zeit in den 1970er-Jahren enthüllte.

Auf all diese Punkte geht der SZ-Artikel jedoch in keiner Weise ein.

Alexander Kissler spricht in der „NZZ“ deshalb gar von einem „publizistischen Offenbarungseid“ in Bezug auf „Das Auschwitz-Pamphlet“: Auffallend häufig seien relativierende Formulierungen anzutreffen; vieles deute darauf hin, dass ein politischer Gegner von Rot-Grün hingerichtet werden solle; der aktivistische Drang und die Weltanschauung der Autoren verneble ihnen die Sinne.

An dieser Stelle sei auch noch einmal an das „Ihr da in Berlin, ihr habt´s wohl den Oarsch offen!“ Aiwangers im Rahmen der Erdinger Demo vom 14.06.2023 gegen das Gebäudeenergiegesetz erinnert, welches die polit-mediale Kaste ihm mit Sicherheit noch nachträgt.

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  • Schmerkel = Scholz und Merkel (Anspielung auf die Fortsetzung der Merkel´schen „Alternativlos“-Politik durch Kanzler Olaf Scholz)

Zeitenwende à la Scholz oder: Die Visionslosigkeit der Merkelampelianer

Juli 29, 2023

Was hatte Bundeskanzler Scholz doch unmittelbar nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine am 22. Februar 2022 nicht alles angekündigt: Die berühmte „Zeitenwende“ sollte erfolgen, die Bundeswehr mal eben mit (überfälligen) 100 Milliarden Euro auf Vordermänn*in gebracht werden. Die Solidarität mit dem angegriffenen Staat nahm in der Folgezeit Gott sei Dank über die phänomenalen 5000 Stahlhelme hinaus Fahrt auf, welche Herrn Selenskyj von der GröVaZ (Größte Verteidigungsministerin aller Zeiten) Christine Lambrecht anfangs versprochen worden waren.

Doch in Sachen Waffenlieferungen an die Ukraine – insbesondere hinsichtlich der Leopard2-Panzer – handelte die Regierung lange allenfalls zögerlich – mit der fatalen Konsequenz, dass die russischen Invasoren in aller Seelenruhe ihre Stellungen befestigen und ausbauen konnten, so dass die aktuelle ukrainische Gegenoffensive nur äußerst dürftige Geländegewinne zu verzeichnen hat.

Nach über 500 Tagen Krieg erscheint das forsche Sprechen von einer „Zeitenwende“ im Sinne Scholz‘ somit vollmundig, um nicht zu sagen verfehlt. Wie die Bewertung nach dem Krieg in einigen Jahren ausfallen wird, vermag natürlich niemand zu wissen. Fest steht aber: Das Jahr, welches in der Tat den Begriff „Zeitenwende“ verdient – und dies nicht nur als hohle Phrase aktueller Politik ohne jegliche Visionen – ist das Jahr 1979. Ein Grund also für den Historiker Frank Bösch, diesem Zeitabschnitt ein komplettes Buch zu widmen – ein Werk, das es in sich hat. Wir erinnern uns (sofern wir damals bereits geboren bzw. in einem Alter waren, in dem man sich für Politik/Zeitgeschehen interessierte; der Autor dieser Zeilen war 1979 gerade einmal im zarten Kindergartenalter):

Mit Khomeinis Rückkehr aus dem Pariser Exil begann 1979 die „Islamische Revolution“ in Iran mit ihren mehr als unheilvollen Auswirkungen auf die Region, ja die ganze Welt bis zum heutigen Tag. Im selben Jahr ließ sich jedoch auch mit dem Besuch des frisch gewählten Papstes Johannes Paul II. in seiner Heimat Polen bereits der Anfang vom Ende des Staatssozialismus erhaschen. Etwa zeitgleich stürzte im fernen Nicaragua der von den USA protegierte Diktator Somoza zugunsten einer sandinistischen (ergo: linken) Regierung, was die romantischen Träume eines soften Sozialismus jenseits von Mauer und Schießbefehl in zahlreiche (nicht zuletzt) bundesdeutsche Wohngemeinschaften trug.

Am anderen Ende der Welt ereignete sich mit den sog. „Boat people“ vor der Küste Vietnams eine weitere Tragödie, die jedoch durch die engagierte Hilfe von Rupert Neudeck und „seinem“ Rettungsschiff, der „Cap Anamur“, ein glimpfliches Ende fand: Viele Tausend Vietnamesen konnten so vor dem Zugriff des kommunistischen Regimes in ihrer Heimat entfliehen und insbesondere in der Bundesrepublik ein neues Zuhause finde.

Ebenfalls 1979 marschierten sowjetische Truppen in Afghanistan ein, während die neue chinesische Führung unter Deng Xiaoping nach dem Tod Maos drei Jahre zuvor die wirtschaftlichen und kulturelle Öffnung des Landes in Angriff nahm.

Allein die Fülle obiger Ereignisse mit ihren Jahre bis Jahrzehnte nachhallenden Spätwirkungen lässt erahnen, dass die leichtfertige Rede von einer „Zeitenwende“ à la Scholz höchstwahrscheinlich unangemessen ist, suggeriert sie doch weltpolitisch nachhaltige Strahlkraft deutscher Politik weit jenseits des Tagesgeschehens.

Aber der kritische Beobachter des politischen Geschehens ist dies mittlerweile hinlänglich gewohnt: Wurschtelt die Politik sich wieder mal durch bzw. betreibt hauptsächlich Symbolpolitik (siehe Regenbogenfahnen vor Regierungsgebäuden etc.), darf das zugehörige Neusprech nicht fehlen. Da hat Herr Scholz von seiner Vorgängerin („Wir schaffen das!“) lange genug Gelegenheit gehabt, ordentlich Nachhilfestunden zu nehmen.

Nur machen wohlklingende Worte aus einem Regierungs-Esel eben noch lange kein Rennpferd! Wohl dem Esel, wenn er als willkommene Projektionsfläche für seine Lahmarschigkeit das „Maultier auf Speed“ (ergo: die AfD) ausmachen kann, dem sämtliche Fehlleistungen des eigenen Regierungshandelns in die Schuhe geschoben werden können. Das Leben kann so einfach sein…

Fly, A(f)dler, fly – vom Suchen und Finden der Schuld am Höhenflug der Deutsch-„Alternativen“

Juni 30, 2023

Ein Gespenst geht wieder mal um in (Linksgrün-)Deutschland: das Umfragehoch der AfD erreicht aktuell mit 18,19, bisweilen gar 20 Prozent + x ungeahnte Ausmaße – während sich die regierenden Ampel-Koalitionäre plus Unions-Opposition gegenseitig die Schuld dafür in die Schuhe schieben.

Bildunterschrift:*) solange, bis demokratiesichernde Parteiverbote in Kraft sind.

Selbst der linke Politikwissenschaftler Johannes Hillje zeigt sich im taz-Interview „entsetzt über die mangelnde Selbstkritik in der Debatte über den AfD-Anstieg“. Doch irgendwie scheinen die Damen und Herren Regierenden nach wie vor weitgehend blind dafür, den eigenen Anteil an dieser unguten Entwicklung wahrzunehmen, geschweige denn rational gegenzusteuern.

So obliegt es wieder einmal einem liberal-konservativen Beobachter, dem für die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) schreibenden Politanalysten Alexander Kissler, in aller Klarheit die Stümperei der Ampel in Sachen Gebäudeenergiegesetz (undifferenzierte Förderung von Wärmepumpen zulasten von Öl- und Gasheizungen) und die permanente „Macht hoch die Tür“-Politik in punkto Migration als wichtige Mitursachen dafür aufzuzeigen, dass die AfD derzeit vor Kraft kaum laufen kann. Ein Aufwind also (fast) ganz ohne eigenes Zutun der Deutsch-Alternativen.

Doch halt: Johannes Hillje weist zurecht darauf hin, dass die AfD auf ihren Social-Media-Kanälen bis zu sechsstellige Reichweiten mit ihren Reels und Mems generieren kann und über eine mit ca. 10 Prozent erstaunlich feste Stammwählerbasis verfügt. Diese Wähler werden sich so gut wie nie für eine andere Partei gewinnen lassen, schon gar keine mit Regierungsverantwortung auf Bundesebene innerhalb der letzten 15 – 20 Jahre!

Und auch viele Medien leisten wieder einmal kräftig ungewollte Schützenhilfe für Chrupalla, Weidel & Co. Wenn ein sich als Satiriker missverstehender Dummschwätzer wie Christian Ehring von „Extra 3“ (Ausgabe vom 22.06.23, Minute 21:22 – 23:25) wie zahlreiche seiner Kollegen sich nicht entblödet, die Äußerungen Claudia Pechsteins beim CDU-Konvent („öffentlich-rechtliche (sic!) Verkehrsmittel nutzen zu können, ohne ängstliche Blicke nach links und rechts werfen zu müssen“) als „sehr schlecht verbrämten Rassismus“ verunglimpft, ist das ins Endlose reichende Sammelsurium medialer Realitätsverweigerung um eine Episode bereichert! Der weiße Elefant im Raum, ergo der prototypisch aggressiv auftretende junge Mann aus dem islamischem Kulturkreis – wenn auch nach wie vor eine Minderheit unter den „Schutzsuchenden“ hierzulande! – darf auf Teufel komm raus nicht einmal andeutungsweise erwähnt werden!

Und so wird es wohl auf unabsehbare Zeit weiter heißen: „Fly, A(f)dler, fly!“ Offenbar kommen linksgrüne Zwangsneurotiker nicht mehr umhin, den verhassten politischen Kombattanten selbst zu immer schwindelerregenderen Höhenflügen zu treiben! Die Spirale des Irrsinns, sie dreht sich wie das Fähnchen im Wind des politischen Opportunisten!

Auf den Palmer gebracht – und wieder zieht eine feige Unileitung den Schwanz vor einem fanatischen Cancel-Mob ein!

Mai 29, 2023

Die mediale Schlacht um Boris Palmers Äußerungen am Rande der Frankfurter Konferenz „Migration steuern, Pluralität gestalten“ zeigt einmal mehr: Ein kleiner, aber umso lauterer links-woker Cancel-Mob schafft es beinahe nach Belieben, die mediale Lufthoheit zu erlangen. Doch das größere Problem sind feige Institutionen (hier: die Leitung der Goethe-Universität), die aus Feigheit vor dem Krakeele der Autoritären einknicken, anstatt sich schützend vor ihre Mitarbeiter zu stellen – in diesem Fall die Organisatorin der Konferenz, Prof. Susanne Schröter, die schnell in die Schusslinie geriet.

Was war geschehen? Der (nunmehr ex-grüne) Tübinger Oberbürgermeister hatte sich vor dem Tagungsgebäude zunächst von eben jenem Mob an moralisch verkommenen Studenten als „Nazi“ beleidigen lassen, um daraufhin den von vornherein sinnlosen Versuch zu starten, diesen Sektierern mit Argumenten zu kommen, indem er darzulegen versuchte, dass der verwendete Kontext darüber entscheide, ob „Regen rückwärts gesprochen“ eine rassistische Stoßrichtung habe. Zu allem Überfluss verglich Palmer seine von diversen Canclern gerade auch aus den eigenen strammgrünen Reihen ja bekanntlich seit Längerem skandalisierte Situation mit dem Judenstern – für mich der einzige Vorwurf, den man ihm machen kann.

Auf die Vorfälle angesprochen, benutze Palmer auch während der Tagung mehrfach obiges Volde-Wort, was das Faß endgültig zum Überlaufen brachte, den Moderator zum Verlassen der Konferenz veranlasste und ihm nachträglich selbst von der Veranstalterin Prof. Schröter eine scharfe Distanzierung einbrachte.

Wie nicht anders zu erwarten, echauffierten sich zahlreiche Medien in den nächsten Tagen – aber nicht etwa über die studentischen Pöbler, sondern lediglich über Palmers Verwendung des (anderen) „N-Wortes“, wie es in woken Kreisen ja seit einiger Zeit politisch korrekt umschrieben wird.

Als besonders abscheuliches Zeugnis journalistischen Versagens sei hier auf das Interview des Bayerischen Rundfunks mit der „Rassismus-Expertin“ Katharina Warda hingewiesen. Hier hakt der Interviewer an keiner Stelle kritisch nach, so dass Warda einzelne Referenten der Frankfurter Migrationskonferenz problemlos in diverse Schubladen („rechter Populismus“, „verschwörungstheoretisch“, „islamophob“) einsortieren kann.

In all dem Hochamt journalistischer Arbeitsverweigerung bildete wie so oft das Magazin CICERO eine rühmliche Ausnahme, da die komplette Redaktion Palmer vor den idiotischen Rassismus- und Holocaust-Relativierer-Vorwürfen in Schutz nahm und in diesem Kontext sogar von „Massenpsychose“ schrieb.

Doch damit nicht genug: Schnell fand sich eine Petition, initiiert von Dozenten der Universität Bayreuth, Exzellenzcluster „Africa Multiple“, in der dann nicht mehr gegen Palmer, sondern die Veranstalterin Prof. Schröter und die Finanzierung des von ihr geleiteten Instituts, des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam (FFGI), geschossen wurde.

Auf der anderen Seite gelang es Gott sei Dank, mehr als 800 Unterstützer zu mobilisieren, die FÜR das FFGI und Susanne Schröter einen Offenen Solidaritätsbrief unterzeichneten.

Doch das größere Problem als der obligatorische Cancel-Mob und einseitig-unkritische Medienberichterstattung liegt in der Feigheit der etablierten Institutionen, hier der Präsident der Frankfurter Goethe-Universität. Wo eine zügige Verurteilung der beleidigenden Anwürfe gegen Palmer seitens einiger Studenten das Mindeste gewesen wäre, liest sich das Statement von Prof. Enrico Schleiff wie folgt:

“ Auch die Veranstalterin müsse […] Verantwortung übernehmen und klar öffentlich Stellung zu den Vorfällen beziehen, um die Glaubwürdigkeit des Ziels des wissenschaftlichen Diskurses, mögliche Wege für eine integrative Migrationspolitik zu diskutieren, wiederherzustellen.“

Mit anderen Worten: Zerknirscht in sich gehen soll immer nur die (politisch unkorrekte) Konferenzleitung, die angeblich den einwandfreien Ruf der Uni gefährdet. Der studentische Pöbel darf nach Lust und Laune beleidigen, irgendwas wird schon dran sein an diesen Anwürfen…

Ähnlichkeiten mit den Gepflogenheiten während der chinesischen „Kulturrevolution“ Mitte der 1970er-Jahre unter Mao Zedong drängen sich auf!

„Würg!“ – Zur missglückten Verteidigung des Links(il)liberalismus durch Nachtwey/Amlinger

April 30, 2023

Ein endloser Schwall Erbrochenes in Regenbogenfarben ziert am linken Rand des Artikels die Ausführungen der beiden Soziologen Oliver Nachtwey und Carolin Amlinger in der aktuellen Ausgabe der ZEIT (Nr. 18 vom 27.04.2023). Unter der Überschrift „Würg!“ formulieren sie im Teaser ihr journalistisches Anliegen: die Rettung der Linksliberalen vor allzu heftiger Kritik.

Doch gleich zu Beginn ihrer Argumentation warten sie mit einer derart klischeehaft-überzeichneten Dichotomie auf, dass ihre Prämisse windschief wie ein verlassenes Hexenhaus wirkt: Demnach kennzeichnet sich die typischen Anhänger des Linksliberalismus wie folgt:

Ihre Mitglieder fahren Lastenfahrräder, bei ihnen kommt nur „bio und fair gehandelt“ in den Jutebeutel, sie tragen gerne Funktionsjacken, quälen ihre Kinder mit Holzspielzeug und wollen allen anderen den Spaß am Leben verderben.

Ihre politischen Gegner dagegen lehnten sich auf:

…gegen Gendern, Klimaproteste, Transrechte, Fleischverzicht in der Kantine und Einschränkung des individuellen Pkw-Verkehrs.

Natürlich verfüge ich über keine repräsentative Studie, was die Einstellung der „Anti-Linksliberalen“ zu obigen Punkten betrifft. Für meinen Teil kann ich jedoch feststellen: Weder habe ich grundsätzliche Einwände gegen Klimaschutzforderungen oder die rechtliche Gleichstellung von Menschen, die im „falschen“ Körper geboren wurden. Auch der ausufernde Individualverkehr mit seinen demnächst wohl 50 Mio. (!) Pkw in Deutschland nervt mich ein ums andere Mal.

Trotzdem komme ich nicht auf die Idee, die sog. „Klimakleber“ argumentativ zu verteidigen oder ein fixes Datum für das Verbot von Verbrennermotoren gutzuheißen. Oder gar die inflationäre Verwendung des Kampfbegriffs „transphob“, der in Teilen der Queer-Szene gegen all diejenigen geschleudert wird, die auf biologische Fakten bestehen und darauf hinweisen, dass Transfrauen immer noch biologische Männer sind und das idiotische „Selbstbestimmungsgesetz“ der Ampel-Regierung in seiner geplanten Form zurückweisen!

Es sind also vielmehr die überzogenen Methoden bzw. Forderungen aus Teilen des links(il)liberalen Milieus, die mir (wie vielen anderen Menschen auch) Magenschmerzen bereiten, NICHT die Anliegen selbst – OK, mal abgesehen vom Gendern, aber dieses Thema stellt für mich eher einen „Nebenkriegsschauplatz“ dar. Ich würde z.B. meinen Schülern auch keine Fehler ankreiden, sollten sie in einer Klausur der vermeintlich geschlechtergerechten Schreibung Ausdruck verleihen!

Auch bei folgenden Themen, die Nachtwey/Amlinger nennen, fühle ich mich in meiner politischen Haltung nicht korrekt wiedergegeben:

…Kritik an einer „kosmopolitischen“ und „globalistischen“ Klasse mitsamt ihrem migrationsfreundlichen und nachhaltigen Lebensstil; […] eine diffuse Skepsis gegenüber den Regierungsmaßnahmen während der Corona-Pandemie; eine negative Haltung gegenüber Impfungen […]

Gegen eine rational gesteuerte Migration, die vor allem auf die Rekrutierung von Fachkräften abzielte, wäre nun wirklich nichts einzuwenden. Das Problem der derzeitigen UNGELENKTEN Migration besteht aber doch darin, dass ohne Prüfung auf mögliche kriminelle Vorstrafen und unter Verkennung weitverbreiteter islamistischer Haltungen insbesondere bei Menschen aus den Herkunftsländern Afghanistan, Syrien und Irak sowie deren überwiegend kaum vorhandenen Bildungsstandards alles hereingewunken wird, was die Grenze überschreitet und im richtigen Moment „Asyl“ zu sagen im Stande ist!

Und die rational sehr gut begründete Kritik an den freiheitsfeindlichen und völlig überzogenen Lockdown-, Berufsverbots- und Impfzwang-Regeln der Corona-Zeit hat ebenso NICHTS mit der von den beiden Soziologen unterstellten „diffusen“, ergo: aus dem Bauch heraus ohne rationale Argumente geäußerten Kritik zu tun wie die behauptete generelle Ablehnung des Impfens! Hier würde ich klar zwischen der signifikant mehr Impfschäden nach sich ziehenden sog. Covid-Impfung und den nachweislich wirksamen Vorsorge-Impfungen bspw. gegen Masern oder Röteln differenzieren wollen.


Den Autoren sei wohlwollend zugestanden, dass sie durchaus die Existenz von „Linksliberale[n], die mit der Selbstgewissheit einer moralischen Avantgarde untere Klassen pädagogisch maßregeln“ – einräumen und auch die Kritik an Sahra Wagenknechts ablehnender Haltung zu Waffenlieferungen an die Ukraine wird sachlich korrekt als das bezeichnet, was es ist:

Kunstvoll bringt sie [Wagenknecht, Anmerkung M. Haß] legitime gesellschaftliche Beschwerden mit Vorurteilen zusammen.

Mit ihrer Position zum Krieg Russlands kann sie etwa die aus dem Kalten Krieg stammende Bündnisorientierung mit der Sowjetunion und die prorussischen Einstellungen in der ostdeutschen AfD-Wählerschaft verknüpfen.

Die Tatsache, dass es sich insbesondere in Medien, Politik und Kulturbetrieb um gesellschaftliche Schlüsselstellen handelt, die ganz überwiegend von links(il)liberalen Akteuren besetzt sind, können Nachtwey/Amlinger dagegen nicht widerlegen. Hier bleiben sie konkrete Gegenargumente schuldig und ziehen sich auf rein konjunktivischen Sprachgebrauch zurück:

Die identitätspolitische Linke habe „Schlüsselpositionen“ in den Medien inne, so etwa das Gründungsmitglied des Netzwerks Wissenschaftsfreiheit Sandra Kostner schon 2019 in der FAZ. Der linksliberale, regierungstreue Mainstream bestimme die zentralen Organe der Meinungsbildung.

Der Anti-Linksliberalismus lebt von der Rolle der Renegaten. Die ehemaligen im weiten Sinne Linken inszenieren sich als Bekehrte und Erwachte: Sie sprechen die unangenehmeren Wahrheiten über den „Mainstream“ aus, der dissidente Stimmen mundtot mache.

Dabei belegt ironischerweise ein weiterer Beitrag der selben ZEIT-Ausgabe nur eine Seite hinter Nachtwey/Amlingers bemühter Rettung des Links(il)liberalismus eben jene von ihnen in Abrede gestellte Cancel-Unkultur, die in Teilen dieser politischen Strömung um sich greift: Wird hier doch das Beispiel der engagierten Journalistin Sylvia Eigenrauch („Ostthüringer Zeitung“) ausgebreitet, die sich in Folge moderater (!) Kritik an den überharten Corona-Maßnahmen flugs mit ihrer fristlosen Kündigung konfrontiert sah („Falsch geschrieben“)!

Sicher mag es die von Nachtwey/Amlinger kritisierte pauschale Abwehr obiger Themen in (liberal-)konservativen Kreisen geben, für dominant halte ich sie aber nicht. Vermögen die meisten Menschen aus gebildeten Schichten mit einer politischen Haltung jenseits von SPD, den Grünen und Linken doch sehr wohl zu unterscheiden zwischen der Sinnhaftigkeit politischer Anliegen und einer übertriebenen, ins Religiöse abdriftenden Entwicklung, wie sie bspw. bei der „Letzten Generation“, aber auch vielen ihrer medialen und politischen Kumpanen mittlerweile zu finden ist.

Wer heute noch gegen die rechtliche Gleichstellung von transidenten Personen, pauschal gegen Klimaschutz und umsichtige Aufnahme von Migranten an sich eingestellt sein sollte, hat das (liberal-)konservative Ufer eh in Richtung offener See reaktionärer Unbelehrbarkeit hinter sich gelassen und sollte von daher auch nicht für politische (Zweck-)Bündnisse in Frage kommen.

Die von Nachtwey/Amlinger unterstellten Ressentiments aber vermögen ebenso wenig eine rationale Grundierung in den emotionalisierten, ja teils extrem vergifteten Gesellschaftsdiskurs zu bringen: Chance vertan – „Würg!“

Kränkelnde Kriminalitätsdebatte – Warum Klartextreden kein „Generalverdacht“ gegen Zuwanderer sein muss

März 30, 2023

Der Blick auf die nackten Zahlen erschreckt: 5,6 Millionen Mal wurde im Jahr 2022 die Polizei aufgrund einer Straftat alarmiert – ein Zuwachs von stattlichen 11,5 % im Vergleich zum Vorjahr. Auch ein Schwenk auf das letzte Vor-Corona-Jahr 2019 lässt die Angelegenheit nicht in milderem Licht erscheinen: Immer noch beträgt die Zunahme 3,5 %.

In den Bereichen Gewaltkriminalität und Sexualstraftaten haben wir es mit rund 20 % mehr Taten zu tun, während es gefährliche und schwere Körperverletzungen ca. 18 % häufiger verübt wurden als im Jahr zuvor.

Und entgegen allen linken Tabus zum Trotz darf auch nicht verschwiegen werden, dass der Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger in all diesen Kategorien überproportional gewachsen ist – auch wenn der Anteil tatverdächtiger Flüchtlinge einen leichten Rückgang verzeichnen konnte.

Alexander Kissler zitiert dazu in der „Neuen Zürcher Zeitung“ (NZZ) den Präsidenten des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, in ungewohnt deutlichen Worten: „‚Bei den nichtdeutschen Tatverdächtigen haben wir seit 2019 einen Anstieg von 14,8 Prozent, bei den deutschen Tatverdächtigen einen Rückgang von 0,7 Prozent.‘ Er fügte hinzu: ‚Hier ist eine Auffälligkeit.'“

Das offene Ansprechen dieses keineswegs neuen Phänomens gilt jedoch unter hartnäckigen Merkelianern („Wir schaffen das!“) und Wokeisten, für die Menschen aus dem muslimischen Kulturkreis ausschließlich als Angehörige eines Opferkollektivs gelten dürfen, als zumindest tendenziell rassistisch, wenn nicht gleich als rechtsradikal.

Dennoch muss mit den Worten des liberalen Muslims und Islamismusexperten Ahmad Mansour dagegengehalten werden, der bereits vor mehr als einem Jahr dazu bemerkte:

Gewiss ist die Beschäftigung mit dem Thema schwierig. Es klingt wie eine perfekte Steilvorlage für rechtsradikale Gruppen, um jeden Flüchtling als potenziellen, gewaltbereiten, nicht integrierbaren Terroristen darzustellen und der Gesellschaft vor dieser Gruppe Angst zu machen. Deshalb will ich in aller Deutlichkeit betonen: Verallgemeinerung und Generalverdacht ist unangebracht!

Ich persönlich kenne viele, viele Flüchtlinge, die zu der überwiegenden Mehrheit gehören, die sich über solche Phänomene aufregen, harte Konsequenzen für den Täter fordern und Angst haben, wegen Pauschalisierungen (zu Unrecht) zur Rechenschaft gezogen zu werden. Und vielleicht ist genau dies der Grund, warum die meisten etablierten Medien die Recherche der „Welt“ ignorieren. Denn viele folgen dem Motto: Die Aussage, dass Menschen mit einem gewissen kulturellen, religiösen und nationalen Hintergrund stärker zu Gewalt neigen als andere, ist vollkommen falsch, genauso wie die Debatte darüber.

Doch genau solche sensiblen Themen sollten in der Mitte der Gesellschaft diskutiert werden. Es sind Realitäten, die eine deutliche Sprache sprechen. Durch Ignoranz, Relativierung und verharmlosende Erklärungen kommen wir den Ursachen nicht näher, genau so wenig ist es die Aufgabe der Medien, aus erzieherischen und politischen Gründen Informationen von öffentlichem Interesse zu ignorieren.

Gut wäre es in diesem Fall, eine Diskussion über die Ursachen solcher Phänomene zu ermöglichen. Diese sind vielfältig. Weltweit beobachten wir einen Anstieg an häuslicher Gewalt während des ersten und zweiten Lockdowns im Jahre 2020. Einen großen Teil des Tages fast eingesperrt auf engem Raum Zuhause zu sein, hat in vielen Haushalten Gewalt hervorgebracht. Die Leittragenden sind vor allem Frauen und Kinder, herkunftsübergreifend in fast allen sozio-ökonomischen Schichten, bei Deutschen sowohl ohne als auch mit Migrationshintergrund. […]

Was aber meiner Meinung nach immer wieder ausgeblendet wird, sind die kulturellen, ideologischen und soziologischen Aspekte. Denn um die überproportionale Vertretung von Migranten und Zuwanderern in den Statistiken zu erklären, führt kein Weg daran vorbei, sich tabufrei mit den Ursachen innerhalb dieser Gruppe auseinander zu setzen.

Auch hier sind die Ursachen sehr heterogen: Die patriarchalischen Erziehungsmethoden in manchen Familien. Die Gewalt Zuhause, vor allem von Vätern, die bei den Opfern oft psychologisch zu einer Art Identifikation mit dem Aggressor führt. Die Normen von Männlichkeit, bei denen junge Männer keine Schwäche zeigen dürfen und kaum Regeln in den Familien erfahren. Die mangelnde emotionale Kommunikation, die oft zu einer Beeinträchtigung der Empathie-Entwicklung führt. All dies spielt eine massive Rolle. Genauso führt Gewalt in der Erziehung oft zur Entwicklung von massiven Minderwertigkeitskomplexen, die oft versucht werden, durch eigene Gewalttätigkeit zu kompensieren.

Um so wichtiger, Vorbehalte innerhalb der „alteingesessenen“ deutschen Bevölkerung ernstzunehmen, insbesondere in Regionen, in denen eine Flüchtlingsunterkunft mit bis zu mehreren Hundert jungen Männern aus Afghanistan, Syrien, dem Irak und ähnlichen Ländern untergebracht werden sollen. Längst nicht jeder, der dagegen Vorbehalte äußert, ist deswegen rechtsradikal. Eigentlich eine Binsenweisheit, aber im Ampel-Buntland des Jahres 2023 kann man diese Kindergartenweisheit nicht oft genug wiederholen. Es wäre zu wünschen, dass Ahmad Mansour und die wenigen anderen Mahner und Warner – häufig selber mit Migrationsgeschichte – endlich in den „Chefetagen“ der Politik nicht nur Gehör, sondern auch praktische Umsetzung hinsichtlich ihrer Bewältigungsvorschläge finden würden!

„Kriegsbesoffenheit“? Wohl eher Realitätssinn! Das Elend der deutschen „Friedens“-Bewegung und ihrer geschichtsvergessenen Neuauflage durch Wagenknecht und Schwarzer

Februar 27, 2023

Ohne Zweifel: Die deutsche „Friedens“-Bewegung hat sich mit dem Wagenknecht-Schwarzer-Manifest wieder einmal selbst unterboten. Kein Grund jedoch, hysterisch über sie herzufallen, sondern beharrlich die sich aufdrängenden Konsequenzen ihres geforderten Stopps westlicher Waffenlieferungen für die überfallene Ukraine aufzuzeigen!

Ja, besagtes „Friedensmanifest“ lässt mir in weiten Teilen die Haare zu Bergen stehen: Etwa, wenn dort der Verursacher des bestialischen Blutvergießens – Russlands Präsident Putin und seine ultranationalistischen Schergen – weitgehend verschleiert wird und es ohne kausale Zuschreibung heißt:

„Frauen wurden vergewaltigt, Kinder verängstigt, ein ganzes Volk traumatisiert. Wenn die Kämpfe so weitergehen, ist die Ukraine bald ein entvölkertes, zerstörtes Land.“

Ja, es ist bestenfalls himmelschreiend naiv, zu glauben, mit Putin könne zum jetzigen Zeitpunkt verhandelt werden, ohne ca. 20 % des Territoriums eines souveränen Staates – der Ukraine – aufzugeben. Wo sind denn bitteschön die Anzeichen dafür, dass der Massenmörder aus dem Kreml auch nur einen Quadratzentimeter eroberten Gebietes zurückzugeben gedenkt?

Und auch die Ausweitung der Aggression auf die baltischen Staaten, Moldau, Polen oder gar Ostdeutschland scheint nicht völlig abwegig zu sein – ein Blick in die Geschichtsbücher täte Wagenknecht, Schwarzer und ihren friedensbewegten Jüngern gut zu Gesicht (Stichwort: Münchner Abkommen 1938). Stattdessen wird von ihnen eine Täter-Opfer-Umkehr zumindest angedeutet (ausführlich Albrecht von Lucke zum „Irrweg der Wagenknecht-Lafontaine-Linken“ siehe hier).

Aber nein, deswegen die „Linken“-Politikerin und die altgediente Frauenrechtlerin leichtfertig als von Putin bezahlt hinzustellen oder gar vulgär anzupöbeln, finde ich überzogen und gibt Wagenknechts – bereits in ihrem Bestseller „Die Selbstgerechten“ geäußerter – Kritik recht, die gesellschaftlich-mediale Debattenkultur hierzulande befinde sich auf schäbigem Niveau.

Und selbstverständlich hat Wagenknecht mit ihrer Kritik an der Verehrung des ehemaligen ukrainischen Botschafters in Deutschland, Andrej Melnyk, für den antisemitischen Nazi-Kollaborateur Stepan Bandera, recht!

Gleichwohl wird man fragen dürfen, warum sich die Gattin Oskar Lafontaines bei ihrer zumindest teilweise berechtigten Kritik an den Anwürfen diverser Presseorgane in den letzten Tagen und Wochen gegen sie sich umgekehrt herausnimmt, ihre Kritiker als „kriegsbesoffen“ und „Kriegstrommler“ (z.B. in Min. 53:13 und 55:44 in unten eigebettetem Video) zu diffamieren.

Handelt es sich doch vielmehr um Menschen, die zähneknirschend die bittere Realität zur Kenntnis genommen haben, dass Aufrüstung und Waffeneinsatz die Mittel der Stunde sind, um imperialem Größenwahn angemessen und deutlich zu begegnen, um Schlimmeres zu verhindern – von einer Kriegseuphorie à la Sommer 1914 und dergleichen sehe ich die allermeisten Befürworter weiterer Waffenlieferungen für die Ukraine jedenfalls weit entfernt.

Aber mit der Realität stehen weite Teile der „Friedens“-Bewegung nicht erst seit dem 24. Februar 2022 – dem Beginn des russischen Terror-Überfalls auf die Ukraine – auf Kriegsfuß.

Hier sei an die allösterlichen Gruselaufmärsche des organisierten Pazifismus erinnert, die uns jahrein, jahraus (insbesondere seit 2001) die Mär, die Wurzel allen Übels sei in Gestalt von USA und NATO vorzufinden, aufzutischen meinen, dass es den Eindruck erweckt, in Bezug auf den Bundeswehreinsatz in Afghanistan 2002 – 2021 werde bewusste Täter-Opfer-Umkehr betrieben. Hätten die westlichen Verbündeten schließlich ihre Truppen wie von pazifistischer Seite gefordert aus dem Land am Hindukusch zurückgezogen, stünden die menschenfeindlichen Talibankrieger nicht erst seit August 2021 in Kabul und im ganzen Land!

Aber derlei nüchterne Einsichten waren den meisten „Friedens“-Freunden offenbar schon lange intellektuell zu hoch!

„Erhalt der Demokratie“: NDR im Orwell´schen Neusprech-Modus

Januar 30, 2023

Silvester-Randale in Berlin und anderswo, Messerterror in einem Regionalzug in Schleswig-Holstein: Es sind Vorfälle dieser Art, die seit einigen Jahren in unschöner Regelmäßigkeit geschehen. Die sich daran anschließende mediale Debatte ist in erschreckender Weise vorhersehbar, ebenso wie die weitgehende Tatenlosigkeit der Politik – von hektischem Aktionismus einmal abgesehen.

Wer gedacht hatte, dass der Erkenntnisprozess in Politik und medialen Zuarbeitsbetrieben seit der berüchtigten Kölner Silvesternacht 2015/16 vorangeschritten sei, sieht sich eines Besseren belehrt. Der Verdacht drängt sich auf, dass diejenigen, die die immer gleichen Abwehr-Reflexe und hohlen „Rassismus“-Vorwürfe abspulen, wenn wieder einmal junge Männer mit Zuwanderungsgeschichte aus dem islamischen Kulturkreis Silvesterböller oder Messer gegen die körperliche Unversehrtheit Unschuldiger, bisweilen sogar von Rettungskräften, richten, nicht wahrhaben WOLLEN, was jeder mittelmäßig begabte Grundschüler dieses Landes sich an den fünf Fingern einer Hand abzählen kann: die Tatsache nämlich, dass – neben vielen unauffällig hier lebenden und/oder arbeitenden Migranten – ein nicht zu unterschätzender gesellschaftlicher Bodensatz existiert, der für die Werte von Freiheit, Gleichberechtigung der Geschlechter, sexuelle Vielfalt etc. aus kulturell-traditionellen Gründen nur Verachtung übrig hat.

Der Vorwurf, hier würde ein „Generalverdacht“ gegen Migranten jedweder Couleur geäußert, kann nur als billiger Strohmann derjenigen betrachtet werden, die den Scherbenhaufen der – häufig auch noch selbst zu verantwortenden – Migrationspolitik der letzten Jahre und Jahrzehnte meinen zum Dagobert´schen Geldspeicher umlügen zu können. Ein Blick in auch nur eines der einschlägigen Werke zum Thema würde reichen, um die linksgrüne Realitätsverweigerung als niemals enden wollende Inszenierung des Andersen-Märchens „Des Kaisers neue Kleider“ zu entlarven.

Den Gipfel des dreisten Aktivisten-Journalismus erklimmt dabei der Norddeutsche Rundfunk: Anlässlich der Forderung, in Bezug auf den Amoktäter von Brokstedt die Herkunft des Tatverdächtigen zu benennen, weist man hier dieses Ansinnen mit der hanebüchenen Erklärung zurück, „Rassismus“ und „Fremdenfeindlichkeit“ verhindern zu wollen und daher keine „Zensur“ zu betreiben, sondern zum „Erhalt der Demokratie“ beizutragen. Die Dystopie eines George Orwell („1984“) mit ihrem „Wahrheitsministerium“ hätte perfider nicht agieren können. Hier ist Ex-BILD-Chefredakteur Julian Reichelt zu danken für seine unablässige Widerstandskraft gegen die Zersetzungsenergie eines „Journalismus“, der diesen Namen nicht länger verdient!

Angstpropaganda der Öko-Fanatiker am Ende? Vom möglichen Wandel des Narrativs hinsichtlich pflanzlicher Gentechnik

Dezember 30, 2022

Erinnern Sie sich eigentlich noch an jene lustigen Plakate mit den Gruselmais-Fratzen, die Greenpeace & Co. vor etlichen Jahren meinten der deutschen Bevölkerung als einprägsames Bild der vermeintlich untragbaren Gefahren der Pflanzengentechnik vorsetzen zu müssen?

Nun, die Öko-Fanatiker dieses moralisch verwahrlosten Spendensammelvereins haben es gemeinsam mit Ihresgleichen und einem gerüttelt Maß medialen Flankenschutzes geschafft, gentechnisch veränderte (gv) Anwendungen von den hiesigen Äckern wegzumobben – die ganz fanatischen Jünger der Öko-Ersatzreligion rupften Ende der Nullerjahre sogar immer mal wieder die ach so pösen „Genpflanzen“ aus, sobald sie der entsprechenden Standorte habhaft werden konnten.

Bis heute ist „gentechnikfrei“ gar zum (zweifelhaften) Qualitätskriterium diverser Lebensmittelkonzerne avanciert.

Dass gesellschaftliche Erzählungen (neudeutsch „Narrative“) jedoch nicht für immer und alle Zeiten in Stein gemeißelt sein müssen, könnte sich momentan zumindest zaghaft andeuten:

So positionierte sich – man höre und staune – die ZDF-heute show – wahrlich kein Flaggschiff evidenzbasierter Medienarbeit, daher ausgesprochen politisch links-grün verortet – vom 02.12.2022 deutlich für die Anwendung der Pflanzengentechnik auf dem Acker (ab Min. 22:00)!

Und in der Ausgabe Nr. 52/2022 des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL vom 23.12.2022 durfte die Biologin und Medizinnobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard gleich auf zwei Seiten („Wovor haben wir Angst?“) längst bekannte Fakten referieren, die jedoch dem Durchschnittsdeutschen bis dahin unbekannt gewesen sein dürften:

In Nord- und Südamerika, in Australien, Indien und China werden wegen ihrer Wirtschaftlichkeit seit den Neunzigerjahren überwiegend […] „GMOs“ (genetically modified organisms) angebaut, Kulturpflanzen wie Bt-Mais und -Baumwolle. Der Einsatz von Insektiziden konnte dadurch stark reduziert werden. Trotz riesiger Anbauflächen sind bislang keinerlei schädliche Auswirkungen von GMOs auf Mensch oder Umwelt nachgewiesen worden. […]

Im ökologischen Landbau werden die Bt-Bakterien oder ihre Sporen zur Bekämpfung von Insekten direkt auf die Pflanzen gesprüht. So trifft man allerdings nicht nur die Raupen der Zünsler, die direkt von der Pflanze leben, sondern auch andere Insekten. Gegen Kartoffelfäule und Pilzkrankheiten wird im Biolandbau Kupfersulfat gespritzt, das sich unvermeidlich im Boden anreichert.

Vor etwa zehn Jahren wurde die Crispr-Cas9-Methode entwickelt – und 2020 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Sie erlaubt es, einzelne bekannte Gene in der Zelle eines Organismus gezielt und präzise zu inaktivieren oder zu verändern. Die Mutationen lassen sich nicht unterscheiden von solchen, die durch konventionelle Züchtung entstehen. Mit Crispr-Cas9 kann man Forschungsziele sicherer, präziser und vor allem schneller erreichen. Pflanzenzüchter suchen nach Resistenzen gegen Pathogene, aber auch gegen Stress – Hitze, Dürre, Salz –, und besonderen Inhaltsstoffen.

Außerdem beklagt Nüsslein-Volhard in ihrem Gastbeitrag zu recht die Zuständigkeit der „strengen Zulassungsregeln des Gentechnikrechts“, welches laut deutscher Rechtsprechung auf die Produkte eben jener Crispr-Cas9-Methode Anwendung finde.

Es ist der Autorin wie all den anderen Forscherinnen und Forschern auf diesem Gebiet zu gönnen, dass durch ihre unermüdliche Arbeit die jahrelange Desinformation von Umweltverbänden und -Parteien ein Ende findet und die klaren Vorteile der Pflanzengentechnik zum Segen gerade auch für die vom Klimawandel am härtesten Betroffenen in den Ländern des Globalen Südens allgemeine Anerkennung finden.

Dass auch die Tagesschau mittlerweile die Ergüsse der indischen „Umweltaktivistin“ (sprich: Anti-Gentechnik-Propagandistin) Vandana Shiva kritisch kommentiert, lässt ebenso hoffen wie Folgendes:

Der mit ca. zwanzig Jahren Verspätung ENDLICH in den kommerziellen Anbau gelangte „Goldene Reis“ – eine gv-Anwendung mit angereicherter Vitamin-A-Vorstufe zur Vermeidung von Erblindung – auf den Philippinen wird hoffentlich weiter dazu beitragen, die zynische Angst-Propaganda der Öko-Fanatiker als diese zu entlarven!

Morbide Medien und schutzlose Kinderseelen: Wie links-grüne Panikberichterstattung die Psyche junger Menschen verheert

November 26, 2022

Wenn es die Johannes-Apokalypse am Ende des Neuen Testaments der Bibel nicht gäbe – ich bin mir sicher, der deutsche Journalismus in all seinem gesinnungsethisch-oberlehrerhaften Volkserziehungsfuror würde sie als Fortsetzungskolumne ganz vorne auf Seite 1 der reichweitenstärksten Blätter herausbringen!

Aber Moment mal: Da lesen wir ja schon in regelmäßigen Abständen vom Klimawandel, ach was: der Klimakatastrophe, über die schon die BILD-Zeitung vor 14 Jahren schrieb, „wir“ hätten nur noch 13 Jahre, um „die Welt zu retten“! Eine Nummer kleiner haben es unsere links-grünen Schauer-Schreiberlinge bekanntlich nicht!

Kein Wunder also, dass derlei apokalyptische Panikmache in Endlosschleife, angereichert durch eine nicht wesentlich gelassenere Pandemie-, Kriegs- und Energiepreis-Berichterstattung, ihre psychischen Schäden in Hunderttausenden, wenn nicht Millionen Kinderherzen hinterlässt. Und in Extremfällen junge Menschen dazu motiviert, sich auf vielbefahrenen Straßen, Rollfeldern oder an Kunstwerken festzukleben, um die herrschende Politik mit ihren klimapolitischen Forderungen zu erpressen…

Eines der anschaulichsten Beispiele dafür, was diese Art verzerrter Berichterstattung beim Nachwuchs anrichtet, der dann natürlich auch genau die Gedanken zurückspiegelt, die ihm das eigene Elternhaus und die dort sowie von der Lehrerschaft konsumierten Medien vorkauen, liefert das MDR-Interviewformat „Was Kinder über XY denken“. Wobei der Platzhalter in den vier jeweils knapp halbstündigen Folgen für die Themen Gerechtigkeit, Pandemie, Krieg und eben in der letzten Folge für die Umwelt steht.

Und eben dort äußern sich einige der befragten Kinder in einer beängstigenden Hilflosigkeit, insbesondere zu den Folgen des Klimawandels für ihr eigenes Leben befragt.

So etwa Janus (10 Jahre, ab Min. 1:35), der für sich, seine Kinder oder spätestens eventuelle Enkel „keine Zukunft“ zu sehen in der Lage ist oder dass „durch die jetzigen Geschehnisse“ „die Erde irgendwann nicht mehr da ist“ (sic!).

Wie in einer anderen Welt fühlt sich der seines nüchternen Verstandes noch halbwegs befähigte Leser, wenn er dagegen das gewissermaßen als „Gegengift“ zu solcherlei Kindesmissbrauch zu rechnende Buch „Lichtblick statt Blackout“ aus der Feder des Physikers und Kabarettisten Vince Ebert aufschlägt.

Dieser leugnet den überwiegend anthropogen verursachten Anteil des Klimawandels keineswegs, weist aber immer wieder darauf hin, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse des Weltklimarates IPCC sich keinesfalls als derart panisch erweisen, wie es viele Medien in ihrer unverantwortlich-überdramatisierenden Weise nahelegen, da sie stets die Worst-Case-Szenarien für die Realität betrachten würden (und selbst Letztere verwendeten keine Untergangsrhetorik).

Dazu geht Ebert u.a. auf Gespräche mit Prof. Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie (Hamburg) ein (Ebert S. 26/27), betont auch, dass selbst der IPCC für die Zukunft trotz weiter steigender Temperaturen anhaltendes Wirtschaftswachstum und damit eine Zunahme des Wohlstands in vielen Ländern des globalen Südens annimmt.

Lange in umweltbewegten Kreisen nachgebetete Untergangsszenarien wie „Die Grenzen des Wachstums“ (Club of Rome, 1972) oder Paul Ehrlichs Bestseller „Die Bevölkerungsbombe“ ebenfalls aus dieser Zeit seien längst von der Wirklichkeit widerlegt worden, erführen aber nach wie vor hohen Zuspruch im links-grünen Akademikermilieu (S. 36).

Dagegen stellt Ebert die Geschichte der Wissenschaft als phänomenale Erfolgsstory, dennoch nicht naiv-fortschrittsgläubig, aber mit dem notwendigen Nachdruck, der statt typisch-deutscher Verbotsrhetorik die Offenheit einer zu technischen Innovationen anregenden säkularen und demokratischen Gesellschaft in den Fokus rückt.

Beispiele für technische Neuerungen, die zum Teil Millionen von Menschenleben gerettet haben wie die Entwicklung von Hochertragsweizen durch den US-Amerikaner Norman Borlaug im Zuge der „Grünen Revolution“ der 1960er- und 1970er-Jahre sorgen für reichlich konkrete Überzeugungskraft.

Und auch das deutsche Bildungssystem bekommt seine wohlverdiente Watsch’n: Ebert zitiert zustimmend den (jungen) Deutsch- und Politiklehrer Robert Benkens, der auch bereits in der Wochenzeitung „Die Zeit“ seine Kritik an der reinen Negativberichterstattung vieler Medienhäuser geäußert habe (S. 187-189):

In der Schule dominiert genau das statische und in Teilen sogar pseudowissenschaftliche und technikfeindliche Nachhaltigkeitsdenken, das du [V. Ebert, Anmerkung M. Haß] in deinen Shows und Büchern gerne auf die Schippe nimmst, Vince! (S. 188).

Allerdings sind meine Zweifel doch erheblich, ob sich solch reflektierte Außenseiterpositionen gegen die „Kakophonie des Wahnsinns“ durchsetzen werden. Zu sehr wohnt der „deutschen Seele“ anscheinend das Bedürfnis nach religiös überhöhter Selbstkasteiung und Untergangssehnsucht inne (auch diesen Aspekt sieht Ebert, luzide wie er nun mal ist, sehr klar!).

Um folgerichtig die zivile Nutzung der Kernkraft als Mittel gegen den Klimawandel zu vertreten. Ohne freilich dabei in dichotomes Schwarz-Weiß-Denken zu verfallen und die Erneuerbaren Energien in Bausch und Bogen abzulehnen. Wie es für einen verschmitzten Kabarettisten üblich ist, mit erheiternder (Selbst-)Ironie statt moralinsaurer Griesgrämigkeit! Unbedingte Leseempfehlung!

Geklonte Religionsroboter mit werkseitig eingebauter Kritiksperre? Eine islamkritische Lesung und die Reaktionen darauf

Oktober 29, 2022

Viel zu selten kommt es einmal vor, dass an „meiner“ Schule eine Autorenlesung stattfindet. Und so war ich erfreut, als ich mitbekam, dass sich eine Kollegin dafür engagierte, um allen acht neuen elften Klassen unseres Beruflichen Gymnasiums Mitte Oktober die bosnischstämmige Schriftstellerin Safeta Obhodjas präsentieren zu können.

Die Autorin lebt seit 1992 in Deutschland, nachdem sie vor der Gewalt des Krieges in ihrer Heimat Bosnien geflohen war. In ihren Texten nimmt sie erfreulicherweise kein Blatt vor den Mund und kritisiert – angereichert durch biografische Erlebnisse – ein patriarchalisch-orthodoxes Islamverständnis, wie es sich bekanntlich auch dank weitgehender politischer Untätigkeit – um nicht zu sagen: engagierter Förderung – auch hierzulande munter entfalten konnte; diverse ultrakonservative bis reaktionäre Moscheeverbände wie die türkische DITIB zeugen davon.

Obhodjas las an der Schule u.a. aus ihrer Novelle „Funken aus einem toten Meer“ sowie ihre Kurzgeschichte „Alles gute Muslime“ (scrollen bis zum Eintrag vom 31.03.2021), die ich mit zwei elften Klassen auch zuvor im Deutschunterricht behandelt hatte und die den Aspekt der religiösen Heuchelei im bosnisch-muslimischen Kontext ihrer eigenen Kindheit und Jugend thematisiert.

Die Reaktionen einiger muslimischer Schülerinnen und Schüler waren dann doch erschreckend.

So sah sich die Autorin dem Vorwurf ausgesetzt, sie würde „gegen den Islam hetzen“. Eine andere Fragerin hakte nach, ob die Autorin in ihren Texten aussagen wolle, dass „die (islamische) Religion perfekt sei, nur die Menschen, die sie lebten, nicht“ – ein deutliches Anzeichen dafür, dass die Aussage der Kurzgeschichte von der Fragestellerin nicht erfasst wurde.

Leider vermittelte Obhodjas trotz ihrer expliziten Aufforderung dazu, im Anschluss an die Lesung Fragen zu stellen, eher den Eindruck, dass sie mit den dann einsetzenden Statements nicht sehr souverän umgehen konnte und einige Fragen eher abwimmeln wollte.

Möglicherweise spielte hier allerdings auch die deutsche Sprache eine etwas hinderliche Rolle – die Autorin spricht mit vernehmlichem Akzent.

Für mich war das Verhalten einiger Schüler nach der Lesung einmal mehr ein Beleg dafür waren, in welch fundamentalistischer Abkapselung viele muslimische Eltern ihren Kindern ein Religionsverständnis überstülpen, das als wirklich problematisch bezeichnet werden muss, da gerade die häufig zu Recht kritisierten Punkte wie die Stellung des Propheten Mohammed zur Gewalt oder das religiös begründete Verhältnis der Geschlechter in der religiösen Erziehung vieler Kinder muslimischer Eltern ausgeklammert bzw. ideologisch glorifiziert zu werden scheinen.

In den Worten des Freiburger Religionspädagogen Abdel-Hakim Ourghi:

Das Problem des Extremismus wird jedenfalls nicht gelöst, wenn man behauptet, dass es nicht zum Islam gehört. Muslime, gerade auch hier bei uns in Europa und in den anderen westlichen Kulturen weichen diesen Problemen zu schnell aus. Sie wollen nur ungern darüber sprechen und betonen stattdessen nur den ethischen Aspekt des Islam. Das ist im Prinzip natürlich richtig. Mit Blick auf den Koran reicht es aber nicht aus, über Toleranz, Barmherzigkeit und Liebe im Koran zu sprechen, auch wenn sie dort ganz wichtig und fundamental sind. Wir müssen auch die unangenehmen Aspekte in den kanonischen Quellen kritisieren, um das Klima für eine angemessene Interpretation des Islam zu schaffen. Es geht darum, den Koran als Text zu historisieren, ihn in der damaligen Situation zu verstehen, dann aber auch mit Blick auf heute mit diesem Wissen kritisch umzugehen. Man muss die Koranpassagen, die zur Gewalt aufrufen, erst einmal geschichtlich verorten, sie reflektieren und sich mit der Frage beschäftigen, wie man die daraus erwachsenden Schwierigkeiten lösen kann. Es ist eine zentrale Aufgabe, in einer Kultur des Dialoges auch über sich selbst und seine eigene Geschichte nachzudenken. Das ist dann gerade nicht gegen den Islam gerichtet, sondern eine unabdingbare Vorrausetzung für eine zeitgenössische Reformlektüre jenseits politischer Interessen.

Wenn die Realität nicht zaghaft anklopft, sondern die Tür eintritt: Deutschland im Rausch der Hypermoral

September 29, 2022

Es mutet in der Tat alles andere als beruhigend an, wenn jetzt sogar das doch eher staatstragende Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) in seiner Doku „Blackout in Deutschland – Horrorszenario oder reale Gefahr?“ (Sendung WISO, 01.08.2022) mit dem Satz schließt, die Wahrscheinlichkeit eines großflächigen, länger anhaltenden Stromausfalls – eben eines Blackouts – in den kommenden Wintermonaten steige – „mit verheerenden Folgen für Deutschland“.

Und auch Vince Ebert, seines Zeichens Physiker und Comedian, geht mit der nicht erst seit gestern zu beobachtenden, hierzulande weit verbreiteten Einstellung der Politik ins Gericht, zugleich technologiefeindlich und moralisierend mit dem Habitus des Klima-, wenn nicht gleich Weltenretters aufzutreten.

Ebert schreibt im Magazin DER SPIEGEL bzw. auf SPIEGEL online:

Deutschland hat sich seit Jahren selbst mit einer unheilvollen Kombination aus Technologiefeindlichkeit, energiepolitischem Tunnelblick und moralischem Größenwahn in diese Situation gebracht.

Seit 2011 schalten wir sukzessive unsere Kernkraftwerke ab und wollen so bald wie möglich auch auf Kohlestrom verzichten. Wir träumen davon, mit Elektroautos und Wärmepumpen den Planeten zu retten und setzen wie kein anderes Land der Welt auf erneuerbare Energien. Wir schwärmen von Energie- und Mobilitätswenden, von »Green Deals« und »großen Transformationen« – und gleichzeitig haben wir Schwierigkeiten, einen simplen Flughafen zu bauen oder ein Mautsystem einzuführen.

In unserem Drang, die Welt retten zu wollen, haben wir fundamentale ökonomische und physikalische Grundprinzipen ersetzt durch Wunschdenken und Bauchgefühl. Allein die Tatsache, dass es noch keine Energiespeichersysteme in großem Maßstab gibt, ohne die eine Umstellung auf schwankenden Wind- und Sonnenstrom überhaupt erst möglich wird, zeigt, wie sehr sich dieses Land in die eigene Tasche lügt.

Im anderen Zusammenhang, nämlich der Frage der (Un-)Gefährlichkeit der Corona-Impfung, geht der Arzt Dr. Gunter Frank (Autor des Buches „Der Staatsvirus. Ein Arzt erklärt, wie die Vernunft im Lockdown starb“) noch einen Schritt weiter und attestiert bei Bild TV dem deutschen Gesundheitssystem das Niveau eines „Bananenstaates“, spricht gar von einem „medizinischen Zivilisationsbruch“.

Auf breiter Front hätten medizinische Kontrollinstanzen wie das Paul-Ehrlich-Institut versagt, was die Anzahl schwerer Nebenwirkungen dieser Impfung anbelange; die Zulassungsstudie des Pfizer-Konzerns weise grobe Fehler auf.

Dem aufmerksamen Medienrezipienten werden die insbesondere im letzten Herbst und Winter ausgesprochenen Diffamierungen von Menschen, die sich gegen eine Corona-Impfung entschieden hatten, noch schrill in den Ohren klingen. Nicht das sachlich beste Argument zählt – die moralische Diskreditierung des Gegners war ausdrücklich erwünscht.

Bereits vor fünf Jahren beklagte der Philosoph und CICERO-Kolumnist Alexander Grau (Autor des Buches „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“) in diesem Zusammenhang:

Es gibt kaum einen Lebensbereich, der inzwischen ja nicht moralisiert wird. Das fängt im Privatleben an. Denken wir an Fragen der Ernährung, des allgemeinen Lebensstils, des Rauchens. Der Konsum hat nachhaltig zu sein. Die Produkte haben fair gehandelt zu sein. Das sind alles Beispiele aus unserem ganz privaten, alltäglichen Leben.

Aber auch der politische Diskurs ist ja inzwischen hochgradig moralisiert. Denken Sie an den Atomausstieg, die Energiewende, viele Fragen der Außenpolitik. Von sozialpolitischen Fragen brauchen wir gar nicht erst zu reden. Vieles wird häufig im Tonfall hochgeschraubter Moralität behandelt. Sachfragen werden tendenziell ausgeklammert.

Vielleicht benötigt ein Land, in dem die sachliche Debatte und der innovative (Unternehmer-)Geist derart schlecht gelitten ist, wirklich einen möglichst krachenden Schockmoment, um aufzuwachen – Explosion der Energiekosten und drohender Blackout lassen womöglich ein wohlstandsverwahrlostes und grün-tagträumendes Land endlich auf dem Boden der Tatsachen ankommen – wenn auch auf die denkbar schmerzhafteste Weise!

Werdet endlich erwachsen! Ein Kampfaufruf gegen die Wokies und ihre linksilliberalen Steigbügelhalter

August 30, 2022

Als vor gut einer Woche der Ravensburger-Verlag bekannt gab, die beiden Begleitbände zum aktuellen Kinofilm „Der junge Häuptling Winnetou“ nicht auszuliefern, war die Empörung groß – zu Recht! Die Begründung der Verlagsverantwortlichen: Beide Werke zeichneten ein „romantisierendes Bild mit vielen Klischees“ der indigenen Bevölkerung Nordamerikas.

Potzblitz – wer hätte gedacht, dass Karl May anno dunnemals tatsächlich für seine Winnetou-Romane, in deren Tradition sich der Film stellt, den Anspruch einer faktenbasierten Dokumentation erhoben hätte! [Ironie off]

Die Thematik, um die es hier geht, lässt sich mit den Stichworten „kulturelle Aneignung“, „Wokeness“, Critical Race Theory“ und „Cancel Culture“ grob umreißen – einem Phänomen, das sich wie ein wucherndes Geschwür offenbar immer weiter in die kulturelle Haut des (ehemals?) liberal gesinnten, aufklärerischen Westens hineinfrisst.

Mittlerweile reicht es also bereits, dass kulturelle Protagonisten und ihre extra angestellten „Sensitivity Reader“ auch nur die leise Ahnung äußern, irgendjemand könne ich in seinen Gefühlen verletzt fühlen – der Shitstorm ist also keinesfalls immer schon eingetreten, wird aber in vorauseilendem Gehorsam antizipiert und soll um jeden Preis vermieden werden.

Dazu schreibt die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) in ihrem Beitrag „Das grosse Unwohlsein oder: Der Gefühlsterror eifriger Aktivisten“ (25.08.22):

Im Grunde handelt es sich bei Cancel-Culture-Aktivisten um eine infantile Bewegung. Ehrlicherweise müssen wir diesen Aktivisten sagen: Unwohlsein gehört zum Leben, ein gewisses Unwohlsein muss man auch aushalten können. Die Vorstellung, dass wir uns gegenseitig ständig gute Gefühle geben, entspricht nicht dem Dasein. […]

Die meisten Menschen möchten bei anderen keine schlechten Gefühle auslösen, und viele möchten sich auch nicht exponieren. Wer heute mit Rastas herumläuft, steht nach all den Diskussionen im Schaufenster. Wer sein Kind als Indianer an die Fasnacht schickt, setzt es womöglich den Anfeindungen anderer Kinder oder Eltern aus. Also vermeidet man es lieber, man weicht aus und schickt die Tochter als Baum an den Kinderumzug.

So entfalten die Fanatiker mit ihren Gefühlen eine Macht. Hinzu kommt ein breites linkes Milieu, das das Unwohlsein angesichts kultureller Aneignung in dieser Rigorosität zwar nicht teilt, aber der Diskussion ausweicht. Das Hauptproblem seien demnach nicht die Zensur-Vorfälle, sondern ihre Skandalisierung durch die Medien. Diese Relativisten sind die Komplizen der Zensur-Aktivisten.

Und der Psychologe, Neurowissenschaftler und Statistiker Kolja Zydatiss konstatiert in „Cancel Culture. Demokratie in Gefahr“:

„Die „progressiven“ Anliegen werden oft als Wiedergutmachung historischen Unrechts gegen Frauen, Minderheiten, kolonisierte Völker usw. dargestellt. Wer könnte schon dagegen sein? Selbst Menschen, die einige Aspekte des „progressiven“ Zeitgeists albern oder übertrieben finden, warnen oft vor rechtem Alarmismus. Von ein paar Gender-Sternchen oder der Umbenennung der Zigeunersauce werde das Abendland schon nicht untergehen.

Es stimmt, davon, per se, wird das Abendland nicht untergehen. Wir sollten hier aber sehr klar sein: Die noch namenlose Ideologie, in deren Namen westliche Gesellschaften aktuell umgekrempelt werde, weicht in vielerlei Hinsicht von Grundannahmen und Werten der modernen „liberalen“ Ordnung ab, die aus der europäischen Aufklärung hervorgegangen ist. Der amerikanische Autor Wesley Yang spricht daher auch von der „Nachfolger-Ideologie“ (successor ideology) – Nachfolger im Sinne von „Nachfolger des Liberalismus“.

Irgendwann wird die Melange, die die Nachfolger-Ideologie ausmacht – u.a. Postmodernismus, Postkolonialismus, Identitätspolitik, (Pseudo-)Marxismus, Critical Race heory, „Intersektionalität“ und ein therapeutisch-paternalistisches Staatsverständnis, das die Bürger ständig umerziehen will – hoffentlich von Gelehrten gründlich analysiert werden. Fürs Erste sind einige Gedanken hilfreich, die die […] amerikanische Journalistin Bari Weiss skizziert hat.
Der „Liberalismus“, den die Nachfolger-Ideologie überwinden wolle, schreibt Weiss im amerikanischen Tablet Magazine, sei nicht der Liberalismus im parteipolitischen Sinne, sondern ein viel breiterer moralischer Konsens:

„Die Überzeugung, dass alle Menschen gleich sind, da alle nach dem Bild Gottes geschaffen sind. Der Glaube an die Heiligkeit des Individuums, die über der Gruppe oder dem Stamm steht. Die Überzeugung, dass Rechtsstaatlichkeit – und Gleichheit vor dem Gesetz – das Fundament einer freien Gesellschaft ist. Die Überzeugung, dass ordnungsgemäße Gerichtsverfahren und die Unschuldsvermutung gut sind, und wütende Mobs schlecht. Der Glaube, dass Pluralismus eine Quelle unserer Stärke ist; dass Toleranz ein Grund zum Stolz ist, und dass Gewissens-, Glaubens- und Meinungsfreiheit die Grundlagen der Demokratie sind.“

[…] Die Prämisse der neuen Ideologie umreißt sie hingegen wie folgt:

„Wir befinden uns in einem Krieg, in dem die Kräfte der Gerechtigkeit und des Fortschritts und die Kräfte der Rückständigkeit und der Unterdrückung einander gegenüberstehen. Und in einem Krieg müssen die normalen Spielregeln – ordnungsgemäße Verfahren, politische Kompromisse, die Unschuldsvermutung, Meinungsfreiheit, sogar die Vernunft selbst – aufgehoben werden. Tatsächlich waren diese Regeln selbst von Anfang an korrumpiert, da sie von toten, weißen Männern entworfen wurden, um ihre eigene Macht aufrechtzuerhalten.“ (S. 143-146)

Es geht also um weit mehr als Winnetou-Filme und -bücher, es geht – pathetisch gesagt – ums Ganze, d.h. die in langen Jahrhunderten erkämpften Grundlagen von Rechtsstaat, Freiheit und Demokratie.

„Wehret den Anfängen!“ ist wahrscheinlich schon eine hoffnungslos veralterte, naive Parole angesichts des Tempos, mit dem beinahe im Wochentakt neue Pseudo-Skandale vom Zaun gebrochen werden und kulturelle Pissnelken in gewohnter Hasenfüßigkeit einknicken.

Wer meint, damit den jakobinischen Fanatikern den Wind aus den Segeln nehmen zu können, indem er vor ihnen kapituliert, der glaubt auch, dass Wladimir Putin ohne Waffenlieferungen des Westens an die Ukraine und die sich daran anknüpfende Gegenwehr gegen die imperiale russische Invasion zu einem fairen „Friedensschluss“ bereit wäre!

Hinweis (31.08.22):

Der an dieser Stelle zunächst behauptete kausale Zusammenhang zwischen der Entscheidung des Ravensburger-Verlags und der ARD, zukünftig keine Winnetou-Filme mehr auszustrahlen, existiert nicht! Vielmehr begründet der Senderverbund seine Entscheidung mit dem Auslaufen entsprechender Lizenzen, während das ZDF noch über diese verfüge und auch weiterhin Filme der Winnetou-Reihe auszustrahlen gedenke.

Wendlands wohltuender Widerspruch – zur Debatte um die Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke

Juli 31, 2022

In Zeiten, in denen Fragen nach der Zukunft der Energieversorgung Deutschlands (mit oder ohne russisches Gas, mit oder ohne Kernkraft etc.) dringender denn je einer verlässlichen Antwort harren, kommt ein Buch gerade recht:

Verfasst hat „Atomkraft? Ja bitte! Klimawandel und Energiekrise: Wie Kernkraft uns jetzt retten kann“ die ehemalige Grüne und AKW-Gegnerin Anna Veronika Wendland. Als eine der ganz wenigen Ökofundamentalisten beschloss sie tatsächlich, sich nicht nur mit der Kampfpropaganda aus der eigenen Filter Bubble zu begnügen, sondern sozusagen das „Herz der Bestie“ zu erkunden. Kurz: Wendland wurde Osteuropa- und Technikhistorikerin und arbeitete insbesondere in den beiden AKWs Privne (Ukraine) und Grohnde (Deutschland), was sie gewissermaßen vom Paulus (der Anti-Atom-Kirche) zum Saulus werden ließ.

Und wie auch in religiösen Belangen zeigt sie auch hier, wie relevant die Kluft zwischen Wissen und Nichtwissen (sprich: Propaganda) häufig ausfällt. Wendland schreibt:

Ich lernte in den Kernkraftwerken zweierlei Dinge: Erstens begann ich zu ermessen, wie riesig der Raum meines Nichtwissens als Atomgegnerin gewesen war. Ich hatte diesen Raum größtenteils mit der kritischen Literatur und den Broschüren der Atomgegner gefüllt – zu den Unterlagen der Gegenseite hatte ich als Schülerin und Studentin keinen Zugang. Es gab aber auch ganze Wissenskontinente, von denen ich gar nichts hatte wissen können, selbst wenn ich gewollt hätte – weil die Betreiber unserer Anlagen nicht sehr viel unternahmen, um es den Menschen zu vermitteln. Ich vermute, dass viel von der Atomangst in unserem Lande auf diesen blockierten Wissenspfad zurückzuführen ist. (S. 54)

Mehrfach beklagt Wendland in ihrem Buch das eklatante Versäumnis von Anlagenbetreibern und kernphysikalischen Fakultäten, die Öffentlichkeitsarbeit sträflich vernachlässigt zu haben. Das freie Vakuum wurde – und das seit Jahrzehnten! – bereitwillig von Öko-Ideologen wie Bündnis 90/Die Grünen, Greenpeace & Co. gefüllt – nicht zuletzt dank willfähriger Steigbügelhalter in den tendenziell linksgrün ausgerichteten Massenmedien.

Erfrischend unideologisch sieht Wendland übrigens das Thema „Erneuerbare Energien“. Statt hier in typisch-westlicher Manier eine unversöhnliche Dichotomie aufzumachen („entweder – oder“), plädiert sie für ein versöhnliches Nebeneinander von Kernkraft, Wind, Wasser und Sonne.

Nicht ohne jedoch auf den immensen Ressourcenfraß Letztgenannter hinzuweisen. Und hier zeigt sich einmal mehr, in welcher illusorischen Traumtänzerwelt wir durch interessierte linksgrüne Kreise jahrzehntelang gehalten wurden – von Wegen „Sonne und Wind schicken uns keine Rechnung“ (sinngemäß nach Franz Alt).

Oder wussten Sie, liebe Leser, dass die Turbine einer Offshore-Windkraftanlage sage und schreibe 67 Tonnen (!) Kupfer enthält?

Wendland verweist hier auf einen hervorragend recherchierten SPIEGEL-Artikel („Raubbau im Namen der Umwelt“, Ausgabe 44 vom 30.10. 2021 – online hinter Bezahlschranke, liegt dem Verfasser jedoch im Printformat vor), ergänzt dessen Fakten mit weiteren selbst zusammengetragenen.

So schreibt sie etwa, dass als Äquivalent der 12 Milliarden (!) kwh Strom, die das hiesige AKW Isar-2 pro Jahr ins Netz speist, stattliche 1095 Onshore-Windräder errichtet werden müssten (deren Arbeitsverfügbarkeit sie mit 25 %, d.h. ein Viertel des Tages ansetzt).

Selbstverständlich geht die Autorin auch auf immer wiederkehrende Aspekte wie der Frage nach der ewigen Endlagersuche sowie den beiden „großen“ Störfällen Tschernobyl und Fukushima ein, macht glaubwürdig deutlich, dass deutsche kerntechnische Anlagen inhärent deutlich sicherer seien und dank der sog. vierten Generation AKWs (Natrium-, Flüssigsalz- und Dual-Fluid-Reaktoren) ein zusätzliches Plus an Sicherheit zu erwarten sei.

Allerdings kommen die Hintergründe des Unfalls von Tschernobyl doch ein wenig kurz – verglichen mit der Darstellung von Krämer/Mackenthun in „Die Panik-Macher“, wo der experimentelle Charakter der Geschehnisse des 28. April 1986 herausgearbeitet wird und der fundamentale Unterschied zu deutschen AKWs noch etwas klarer zum Ausdruck kommt.

Doch sei´s drum: Wendlands Buch kommt nach der russichen Invasion der Ukraine und der dadurch verschärft zu Tage getretenen gesellschaftlichen Debatte um die Zukunft der Energieversorgung genau zum richtigen Zeitpunkt.

Bleibt noch, abschließend auf die dankenswerterweise vom Magazin CICERO zusammengestellte Übersicht zu diversen Fragen der Laufzeitverlängerung der verbleibenden drei deutschen AKWs hinzuweisen.

Möge diese sowie Wendlands Buch unsere hochverehrten Damen und Herren Politik Betreibenden 😉 dazu bewegen, ausnahmsweise einmal qualitativ hochwertiges Schriftgut statt ideologisch „verstrahlter“ Agit Prop in die Hand zu nehmen!

Nachtrag 07.08.22:

Wer sich nicht gleich Wendlands Buch zulegen möchte, kann eine Kurzfassung ihrer Positionen auch im aktuellen CICERO-Podcast nachhören!

Papiers post(?)-pandemische Postulate

Juni 29, 2022

Um dem Aufgalopp anschwellender Corona-Sirenengesänge während des gerade begonnenen Sommers zu entfliehen, habe ich mich einem Mann und seinen Ansichten zugewandt, der von 2002 bis 2010 nichts Geringeres als das Bundesverfassungsgericht (BVG) in Karlsruhe geleitet hat – Hans-Jürgen Papier.

Auch wenn er medial während der zurückliegenden 2 ½ Jahre Pandemie medial nie in der ersten Reihe stand (das Schicksal ruhig-besonnener Charaktere eben!), so bekam er in den letzten Monaten immerhin ein Fünkchen öffentlicher Aufmerksamkeit.

So beklagt Papier die im Zuge zahlreicher Pandemie-Maßnahmen zugenommene Politikverdrossenheit großer Teile der Bevölkerung:

Das mag auch damit zusammenhängen, auf welche Art und Weise die Entscheidungen zur Bekämpfung des Coronavirus zustande gekommen sind.

Erst die sog. „Bundesnotbremse“ vom Frühjahr 2021 habe aus einem Wust von länderspezifisch unterschiedlichen Verordnungen juristisch mehr Einheitlichkeit geschaffen, was er begrüßt. Allerdings, nicht ohne zu kritisieren, dass sich das parlamentarische Gremium der Bundesrepublik schlechthin, der Deutsche Bundstag, viel zu lange aus der Pandemiebekämpfung herausghalten habe:

Die gewählten Volksvertreter wurden damals zu Zuschauern degradiert. Das war nicht gut.  

Die Lage der Freiheitsrechte hierzulande sieht Papier schon vor Corona-Zeiten kritisch:

Staatliche Eingriffe in Freiheitsrechte der Bürger gibt es ja nicht erst, seit das Coronavirus bei uns angekommen ist“ stellt der Staatsrechtler heraus. In Deutschland werde überdies die Exekutive immer stärker, während die Parlamente an Bedeutung verloren haben, zeigt sich Hans-Jürgen Papier durchaus besorgt. Das liege sicher auch an den großen Koalitionen, die wir lange Jahre im Bund hatten. Ein Parlament brauche aber eine starke Opposition. Mit der neuen Regierung und der neuen Opposition (die nun von der Union angeführt wird) könnte das nun vielleicht endlich wieder besser gelingen.“

Mittlerweile liegt auch ein aktuelles Buch Papiers („Freiheit in Gefahr. Warum unsere Freiheitsrechte bedroht sind und wie wir sie schützen können“) vor. Der Umgang mit Corona macht zwar nur ein Kapitel aus, aber auch auf diesem vergleichsweise knappem Raum redet de Ex-Verfassungsrichter erfreulich viel Klartext und mahnt die verantwortliche Politik zu einer evidenzbasierten Vorgehensweise – moderat im Ton, versteht sich, und ohne die allgemeine Gefährlichkeit des Virus infragezustellen:

In den Herbstferien 2020 traten in verschiedenen Bundesländern Regelungen in Kraft, die, gelinde gesagt, äußerst verwirrend waren und nicht gerade dazu angetan schienen, das Vertrauen in die Stimmigkeit der Entscheidungen der Politik zu stärken. So war es in manchen Ländern Reisenden aus sogenannten Corona-Hotspots eines anderen Bundeslandes verboten, in den Hotels zu übernachten. In Bayern zum Beispiel durften Reisende aus Berlin nicht in Hotels übernachten, Reisende aus einem bayerischen Hotspot dagegen sich im Freistaat ungehindert bewegen und die Nacht in Hotels verbringen. (S. 32)

Auch wenn der Gesetzgeber letztendlich bei den Verfahren und Formen wieder eine zu begrüßende Richtung eingeschlagen hat, bestehen gegen mach eine diskutierte Maßnahme berechtigte Vorbehalte: Wie lässt sich etwa begründen, dass eine immer wieder geforderte nächtliche Ausgangssperre tatsächlich einen Einfluss auf das Infektionsgeschehen haben wird? Geht es hier nicht viel eher darum, die Menschen wirkungsvoller zu kontrollieren?“ (S. 50)

Anfang Juni hat der Topjurist anlässlich eines Vortrags in Wiesbaden offenbar nachgelegt (Beitrag des „Wiesbadener Kuriers“ leider hinter Bezahlschranke, daher Zitat aus der „Jungen Freiheit“):

Papier bemängelte vor allem die insgesamt 38 Wochen dauernden Schulschließungen. Das „Supergrundrecht“ auf Sicherheit und Gesundheitsschutz, auf das sich die Regierung berufen habe, gebe es nicht. Und schon gar nicht hätten sich diesem die anderen Grundrechte pauschal unterzuordnen.

Für den kommenden Herbst und Winter steht jedoch zu befürchten, dass auch dann rational gefestigte geistige Schwergewichte wieder opportunistischen Machtgeiern (Söderisten) und autistischen Politverbrechern (Lauterbachisten) von der medialen Präsenz her deutlich unterlegen sein werden.

Die Panikfestspiele, sie werden aller Wahrscheinlichkeit weiter fröhlich Urständ‘ feiern – ad nauseam („bis zum Erbrechen“)!

„Von der Wiege bis zum Grab: Ich zeig‘, dass ich ’ne (woke) Haltung hab‘!“

Mai 30, 2022

Jeder kennt ihn: den in sich versponnenen, meist älteren Sonderling, der – häufig auch noch nachlässig gekleidet – unverständliches Zeug vor sich hin brabbelt, auf jeden Fall aber für seine verschrobenen Ansichten berühmt, teils berüchtigt ist.





Aus der Binnenperspektive des Betreffenden verhält es sich freilich genau umgekehrt: Für ihn sind alle anderen kulturlose Banausen ohne Empathie, fern jedes tieferen Verständnisses für seine Erleuchtungen!

Seit dem Vormarsch identitätspolitischer (woker) Bekenntnisrituale in Politik und Gesellschaft drängt sich dem um Objektivität bemühten Betrachter mittlerweile der Eindruck auf, beim Gebaren einheimischer Polit-Eliten handele es sich um eben jenen sonderlichen Kauz, der seine Weltsicht zum Maß aller Dinge erklärt, ohne sich auch einmal mit einem gerüttelt‘ Maß Selbstdistanz kritisch von außen auf Realitätstauglichkeit abzuklopfen.

So kommentiert der Deutschland-Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ), Alexander Kissler, das gesellschaftliche Umbauvorhaben der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP wie folgt:

Bis Ende [des] Jahr[es] soll ein gemeinsam mit dem Familienministerium erarbeiteter Gesetzentwurf vorliegen. Initiativen und Vereine, die bisher auf kurzfristige Projektförderung angewiesen waren, dürfen sich dann auf regelmässige Zahlungen aus dem Staatshaushalt freuen.
Deutschland, heisst es im Diskussionspapier der beiden Ministerien [Familie und Inneres, M. Haß], brauche „demokratisches Engagement sowie überzeugte Demokratinnen und Demokraten“. Darum sollen „Projekte im Bereich der Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung und Extremismusprävention verlässlich unterstützt werden“. Familienministerin Lisa Paus von den Grünen präzisiert: Die „engagierte Zivilgesellschaft“ verdiene jede staatliche Unterstützung.
Ist bereits die Zivilgesellschaft ein seltsamer begrifflicher Bastard von Staat und Gesellschaft, die sich in fruchtbarer Spannung gegenüberstehen sollten, so ist die „engagierte Zivilgesellschaft“ vollends ein hölzernes Eisen. Gemeint sind gesellschaftliche Akteure, die im Sinne der derzeit regierenden Parteien agieren und dafür vom Staat bezuschusst werden. Der Staat will sich eine Gesellschaft nach seinem Bilde formen. Letztlich wird der Bürger unter Vorbehalt gestellt. Dauerhaft förderungswürdig sind in erster Linie jene identitätspolitischen Player, die Kurse anbieten und Seminare zum „Kampf gegen rechts“, gegen den Klimawandel, für Integration und für „Vielfalt“. Eine Extremismusformel, mit der die Initiativen jeder extremistischen Versuchung abschwören müssten, lehnen Paus und Faeser ausdrücklich ab.

Antifeministen und andere Menschenfeinde
Die „engagierte Zivilgesellschaft“ soll sich gegen Rassisten und Extremisten jeglicher Couleur wenden, wenngleich deren rechtsextreme Ausprägung sehr oft erwähnt wird und die islamistische Form fast nie.
Befremdlich stimmt auch, dass Faeser „Antisemiten und Antifeministen“ in einem Atemzug nennt. Offenbar hält die SPD-Politikerin den Hass auf Juden und die Ablehnung des Feminismus unter „überzeugten Demokratinnen und Demokraten“ für gleichermassen verabscheuungswürdig.
Um beides gar nicht erst entstehen zu lassen, plädiert Faeser für frühkindliche Demokratieerziehung. Der Kindergarten soll zum politischen Raum werden, in dem die Jüngsten spielerisch den „Kampf gegen Rechtsextremismus“ erlernen. Nimmt man weitere Einlassungen Faesers, die auch Heimatministerin ist, für bare Münze, muss in der Kita ebenfalls der Kampf gegen den tradierten Heimatbegriff ausgefochten werden.
Heimat, sagt die Ministerin, „sind alle Menschen, egal, wo sie herkommen“. Deshalb „müssen wir den Begriff Heimat positiv umdeuten und so definieren, dass er offen und vielfältig ist. Und dass er ausdrückt, dass Menschen selbst entscheiden können, wie sie leben, glauben und lieben wollen.“ Wir lernen: Die Heimatministerin hält Heimat für einen negativen Begriff, der staatlicherseits umgedeutet werden muss. Sie verlangt dem Kollektiv eine Arbeit am Begriff ab, um anschliessend generös Individualität zuzuteilen.

Schon Vierjährige sollen die richtige Haltung zeigen
Der gesellschaftliche Umbau der „Ampel“ hat zwei Ziele: Das Leben soll erstens zerfallen in eine Abfolge richtiger Entscheidungen, vom Kindergarten bis zum Sterbebett; so entsteht ein langer Fluss der Bekenntnisse und damit der ideologischen Normenkontrolle.
Zweitens bestimmt nicht mehr das Sein das Bewusstsein, sondern das Tun das Dasein. Wer nicht permanent mitmacht und mitzieht, der hat keinen Anteil an der Gemeinschaft der Engagierten. „Unser Zusammenhalt“ (Paus) gilt den Unpolitischen nicht, ja nicht einmal denen, die Heimat bereits heute für einen positiven Begriff halten.
Schon Vierjährige sollen im Kindergarten die richtigen von den falschen Haltungen unterscheiden lernen. Dazu empfiehlt das vom Familienministerium betriebene „Regenbogenportal“ ein Lesebuch mit der Geschichte einer männlichen Meerjungfrau. „Individualität, Diversität und Vielfalt“ sollen die Kleinen so schätzen lernen. Die Kindheit darf keine Insel der Zweckfreiheit mehr sein und somit keine Kindheit in bisherigem Sinn. Politik überwölbt jede Lebensstufe.
Mit 14 Jahren, weiterhin also im minderjährigen Alter, soll dann jeder Jugendliche auf dem Standesamt frei entscheiden dürfen, welches Geschlecht er habe. So steht es in zwei im Sommer 2020 gescheiterten Gesetzentwürfen von Grünen und FDP, die nun in das von der „Ampel“-Mehrheit noch vor der parlamentarischen Sommerpause angestrebte „Selbstbestimmungsgesetz“ einfliessen. Abermals feiert der Wille zur Willkür Triumphe, selbst um den Preis, ins Absurde abzubiegen. Diese Meriten erwarb sich der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, der Grünen-Politiker Sven Lehmann, als er kürzlich behauptete, die geschlechtliche Identität könne prinzipiell nicht von aussen begutachtet werden, auch nicht von Ärzten.

Was sich ganz konkret hinter dem zu fördernden Demokratieverständnis herrschender Polit-Eliten verbirgt, hat bereits vor gut einem Jahr die Tageszeitung „Die Welt“ aufgedeckt: Werden doch im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ auch gewaltaffine und offensichtlich dem islamistischen Milieu zugehörige Institutionen mit reichlich Fördermitteln bedacht.

Statt monstranzenartig vor sich her getragener „Vielfalt“ also wohl eher „heilige Einfalt“!

So erweist sich der regierungsamtlich verordnete „Kampf gegen Rechts“ und „für Toleranz und Vielfalt“ in Wahrheit immer mehr zum Religionsersatz linksgrüner Mittelschichtsmilieus, denen die penetrante Zur-Schau-Stellung der eigenen (woken) Haltung über alles zu gehen scheint.

Kritiker dieser „identitätslinken Läuterungsagenda“ (Sandra Kostner) werden im schroffen Kontrast zur reklamierten „Toleranz“ dafür häufig weggebissen („gecancelt“), ergo aus dem öffentlichen Diskurs gedrängt. Höchste Zeit, den Neopuritanern im Gewande der Bessermenschen in den selbstgerecht-drohend erhobenen Arm zu fallen!

Einsame Ruferin in der politisch-medialen Wüste: Über Ulrike Guérots Corona-Streitschrift „Wer schweigt, stimmt zu“

April 30, 2022

Und wieder hat es der Frankfurter Westend-Verlag geschafft, mich mit einer gegen den politischen Mainstream gebürsteten Streitschrift für sich einzunehmen:

Ulrike Guérot heißt diesmal deren Autorin, bekannt geworden durch ihr 2016 erschienenes Werk „Warum Europa eine Republik werden muss“. In diesem Titel klingt praktischerweise auch gleich ihr Forschungsschwerpunkt an: die Europapolitik. Dass sie sich auch in Sachen Corona und der politischen wie medialen Reaktion auf dieses Virus als überaus scharf denkende Analystin erweist, belegen zahlreiche Ausschnitte aus ihrem aktuellen Büchlein von gerade einmal 140 Seiten. Bereits der Titel verdeutlicht, dass feiges Mitläufertum ihre Sache nicht ist, auch wenn sie mit dem Gegenstand ihrer Ausführungen hier (warum eigentlich?) noch hinter dem Berg hält: „Wer schweigt, stimmt zu. Über den Zustand unserer Zeit und darüber, wie wir leben wollen“.

Vermutlich können insbesondere die wenigen Menschen, die sich bereits vor der Pandemie ausführlich mit den Mechanismen der Medienberichterstattung auseinandergesetzt haben, nachvollziehen, warum hier jemand so deutlich gegen vermeintlich festgefügte Fakten und daraus abzuleitende Schlussfolgerungen anagiert. Dass der Altersdurchschnitt der „an und mit“ dem Virus Verstorbenen bei deutlich über 80 Jahren liegt, dass in der Vergangenheit selbst in schweren Grippezeiten wie 2017/18 nicht annähernd ein derart medialer Dauer-Rummel mit anschließendem (häufig widersprüchlichem) politischem Aktionismus wie seit dem Frühjahr 2020 im Zusammenhang mit dem „C-Wort“ betrieben wurde, das Millionen von Menschen offenbar derart in Panik versetzt, ja regelrecht „verhext“ haben muss – dies und viele weitere Absonderlichkeiten können doch unmöglich derart vielen Zeitgenossen verborgen geblieben sein!

Einkassierte Grundrechte (Versammlungs-/Demonstrationsrecht, freie Berufsausübung statt endloser Lockdowns, Freizügigkeit statt Ausgangsbeschränkungen etc.) – war da was??? Mediale Verunglimpfung nahezu JEGLICHER abweichender Meinungen als „Schwurbler“, „Corona-Leugner“, „Querdenker“, „Covidioten“, „Rechte“ – who cares???

Oder um mit Ulrike Guérot zu sprechen:

Wie konnte ein gesamtes System, eine ganze Gesellschaft so kopflos, ja, mit dem Nimbus der Vernunft im Handumdrehen so irrational werden? Wie konnte es infolgedessen passieren, dass in der vorerst letzten Phase der politischen Auseinandersetzung in Sachen Corona die Impfpflicht offiziell noch um jeden Preis durchgesetzt werden soll, während hinter den politischen Kulissen die ersten offenbar schon daran arbeiten, den überdrehten Corona-Flieger zum Landen zu bringen? (S. 43)

Dann kam flugs eine Phase der massiven sprachlichen Umdeutungen. Eine perfekt gesellschaftliche Atomisierung und Vereinzelung wurde social distancing genannt, eigentlich eine contradictio in adjecto, denn sozial ist man in der Gemeinschaft, nicht in der Distanz, und mit Solidarität legitimiert. Mit dem Begriff der Solidarität wurde vor allem die politische Linke gekapert und in den Staatsgehorsam eines paternalistischen Staates geführt, den sie sonst immer gerne der Übergriffigkeit bezichtigt. (S. 48)

Aus Querdenken, Kraftquelle jeder Demokratie, wurde etwas Schlechtes. Wer die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen anmahnte, wurde gleich zum Corona-Leugner beziehungsweise „Covidioten“. Die Welt vereindeutigte sich in fast mittelalterlicher Weise in Gut und Böse. Sodann erfolgte die Einladung zum staatlich legitimierten und zum Wohle des Guten gerechtfertigten Denunziantentums: Hui, der Nachbar empfängt Gäste. Das, was man gemeinhin petzen nennt, wurde zur staatsbürgerlichen Pflicht. Die Polizei räumte private Feiern oder sogar Kindergeburtstage, die eigene Wohnung war nicht mehr tabu, alles vermeintlich zum Nutzen der offenen Gesellschaft, die aber genau durch diese Mechanismen zu einer geschlossenen Gemeinschaft umgeformt wurde. (S. 49)

Was musste man alles hören, bar jeder empirischen Grundlage, denn Geimpfte, das war zu diesem Zeitpunkt bekannt, waren genauso Infektionstreiber wie Nicht-Geimpfte. Die „Tyrannei der Ungeimpften“, so schallte es aus dem Munde des Präsidenten des Weltärzteverbandes Frank-Ulrich Montgomery, und das zu einem Zeitpunkt, als die Impfung als Fremdschutz, also zwecks Erlangung von steriler Immunität oder Herdenimmunität nicht mehr empirisch zu unterfüttern war.[…] Eine besondere Watsche verdient auch Jan Böhmermann für seine andauernde öffentliche Hetze und Mokiererei über Ungeimpfte, aus dessen Mund […] noch am 28. Januar 2022 zur Primetime im deutschen Fernsehen der Satz kam: „Was Ratten in der Zeit der Pest waren, sind Kinder zurzeit für Corona: Wirtstiere.“ (S. 55)

Ich will nicht verhehlen, dass mir Guérots Ausführungen an zwei Stellen sauer aufgestoßen sind. Zum einen, wenn sie schreibt, dass…

…eine längst in vielerlei Hinsicht abgedriftete FAZ [beklagen würde], dass die Esoterik in der Mitte der Gesellschaft angekommen sei, und […] als Beispiel dafür an[führen würde], dass, je nach Altersgruppe, rund 60 Prozent der Erwachsenen an Horoskope glauben – wie entsetzlich! -, ohne irgendwie intelligent zumindest darüber zu sinnieren, warum die Astrologie eine der ältesten Wissenschaften war, bevor sie von der ach so rationalen Aufklärung als Humbug abgeräumt wurde. (S. 52)

Zum anderen, wenn Guérot ihre Vorstellungen von einer Post-Covid-Gesellschaft umreißt:

Hier muten ihre Visionen eines humanen Zusammenlebens mitunter doch etwas wenig durchdacht an, etwa hinsichtlich ihrer Vorstellung, die alten Menschen wieder aus den Pflegeheimen heraus und zurück in die Mitte der Gesellschaft zu holen (S. 118) – wie realisieren, wenn die Kinder oder anderweitige Angehörige in Vollzeit berufstätig sind oder in einem weit entfernten Teil des Landes leben?

Und wer kommt finanziell für den Unterhalt der Krankenhäuser auf, die Guérot „wieder zu Anstalten des öffentlichen Rechts [machen will], um das Gesundheitssystem dem Effizienz- und Kostendruck zu entziehen“ (S. 117)?

Trotz alledem bleibt Guérots Streitschrift ein luzider Stachel im Fleisch des medialen wie politischen Einheitsbreis aus Panikberichterstattung, fehlender Einordnung in übergeordnete Zusammenhänge, einseitiger „Expertokratie“ und einer Politik, die sich diesen Kakophonien längst als willfähriger Spießgeselle erwiesen hat (oder war es umgekehrt?).

Religiöses Revival oder Weimers Wundertüte?

März 30, 2022

Totgesagte leben länger scheint die These des ehemaligen CICERO-Chefredakteurs Wolfram Weimer hinsichtlich der Zukunft der Religiosität in unseren Breitengraden zu sein.

Im letzten Jahr hat er ein entsprechendes Büchlein von 125 Seiten dazu veröffentlicht („Sehnsucht nach Gott. Warum die Rückkehr der Religion gut für unsere Gesellschaft ist“). Allein: Die Überzeugungskraft seiner Argumentation fällt doch recht schwachbrüstig aus.

Bereits Weimers Prämisse, wir hätten es aktuell – jenseits des islamischen Kontextes – hierzulande mit einem religiösen (christlichen!) Revival zu tun, kann nur als äußerst gewagt bezeichnet werden. Stützt er sie doch verblüffenderweise auf keinerlei empirische Befunde. Und so wundert es nicht, wenn im Jahr 2017 der Religions- und Kirchensoziologe der Uni Leipzig, Gert Pickel, im Interview mit dem Kölner Domradio auf Basis einer ARD-Umfrage aus dem selben Jahr ganz selbstverständlich von einer nach wie vor manifesten „Diffusion des Glaubens“ ausgeht, was man daran erkenne, „dass man mit Glauben nicht mehr ganz so viel anfangen kann, wie noch vor 30 Jahren.“

An vielen Stellen seines Buches neigt Weimer zur Vereinfachung, indem er z.B. in seinem Sinne ausfallende kurze Zitate einstreut, diese sogleich wieder halb relativiert:

Von Rüdiger Safranski stammt die Formulierung: „Der moderne Mensch lebt, anthropologisch gesehen, auf Kredit.“

Nun hat diese Kreditnahme auch den Effekt, dass man ihr ganz bewusst religiöses Kapital zuführen kann. Die Tatsache, dass moderne Sekten, Evangelikale, islamische Fundamentalisten, Anthroposophen oder auch klassische christliche Kirchen von den Mechanismen des Medienzeitalters profitieren können, wenn sie sich ihrer gezielt bedienen, wird das Comeback der Religionen wohl bald massiv befördern. (S. 48f.)

Jean Paul brachte die ethische Magie aller Religion einmal auf die romantische Formel: „Wo Religion ist, da werden Menschen geliebt.“ Zumindest sollen sie geliebt werden. Das ethisch Normative gehört zur Religion wie das Gesetz zum Staat. (S. 71)

Ein Blick in die staatlichen Fernsehprogramme streng-religiöser Nationen oder auch nur auf diverse Youtube-Kanäle mitsamt ihrem teils himmelschreienden Blödsinn (fundamental-)religiöser Couleur gibt Weimer sicher recht. Doch was um alles in der Welt ziehen denn die „klassischen christlichen Kirchen“ momentan aus den digital-medialen Möglichkeiten für einen Profit? Von den kurzlebigen Nabelschau-Großereignissen à la Kirchen- und Katholikentag einmal abgesehen, hat doch der Umgang mit dem Missbrauchsskandal insbesondere dem deutschen Ableger der Papstkirche zuletzt hart zugesetzt und die Austrittszahlen entsprechend in die Höhe getrieben.

Und dass religiöse Theorie und Praxis mitunter eklatant auseinanderklaffen, ist nun wirklich derart banal, dass sich Weimer anstelle des religiophilen Romantikers Paul lieber die Frage hätte stellen sollen, ob nicht AUCH Großteile der religiösen Grundlagenwerke aus humanistischer Perspektive Anlass zu größter Skepsis liefern sollten. „Mich stören nicht die Stellen in der Bibel, die ich nicht verstehe, mich stören die Stellen, die ich verstehe.“ wusste schließlich schon Mark Twain.

Gänzlich peinlich gerät Weimers Pamphlet, wenn er den katholischen Philosophen Robert Spaemann zitiert:

„Angesichts der überwältigenden Allgemeinheit und Dauer des Gerüchts von Gott trägt derjenige die Begründungspflicht, der dieses Gerücht als irreführend abtut. Wenn wir Spuren Gottes suchen, dann ist immer derjenige wichtiger, der eine Spur gefunden hat, als der, der keine gefunden hat.“

Hier reibt sich der in skeptischem Rationalismus trainierte Leser verwundert die Augen: Kann ein hoch gebildeter Mann wie Spaemann so etwas wirklich gesagt haben? Kann er in der Tat von der quasi-anthropologischen Konstante des psychisch-emotionalen Bedürfnisses eines Großteils der Menschheit nach einem transzendentalen Wesen allen Ernstes auf die Validität der Argumente FÜR dieses Wesen schließen?

Dem zufolge müsste man auch so konsequent sein und das zutiefst menschliche Bedürfnis nach Sündenböcken als Beweis dafür nehmen, dass kleine, aber hinterhältige Minderheiten immer schon Zwietracht säten und mit mehr oder weniger allen Mitteln bekämpft gehörten. Die „Schlagkraft“ eines derartigen Pseudo-Arguments entlarvt sich offensichtlich selbst!

In seinen weiteren Ausführungen konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Weimer eine (unbewusste?) Gleichsetzung von (wert-)konservativen und religiösen Menschen betreibt. Sicher trifft es zu, dass Gläubige häufig am Bewährten und Althergebrachten hängen, teils sicher auch aus guten Gründen, wenn man sich bspw. die links-grünen Wokeness-Jünger unserer Tage so anschaut!

Allerdings suggeriert Weimer, dass das Verfechten einer selbstbewussten Werteordnung und die Anhängerschaft gegenüber einem gesunden kulturellen Gemeinschaftsempfinden nur religiös grundierten Zeitgenossen obliege.

In diesem Zusammenhang grenzt er sich zu recht ab von linkem Kulturpessimismus und postmodernem Werterelativismus, unterschlägt aber die Wurzeln des gerade auch christlich begründeten Eskapismus apokalyptischer Prägung, der sich ja auch heute noch offiziell im allgemeinen Credo der weltweiten Jesus-Anhängerschaft findet, wenn von der Hoffnung auf dessen Parusie (Wiederkunft zum Gericht (!)) die Rede ist.

Auch das Empfinden kollektiver Zusammengehörigkeit war über weite Strecken christlicher Religionsgeschichte nur als Allianz von Thron und Altar und somit als Manifestation reaktionärer Menschenfeindlichkeit denkbar – von freiheitlich-rechtsstaatlicher Demokratie-Orientierung keine Spur (Man denke nur an das unsägliche „Gott mit uns“ auf den Koppelschlössern der Mordmaschinerie Wehrmacht)!

Alles in Allem lässt sich Weimers Büchlein eher als Ausdruck eigenen Wunschdenkens auffassen, die christliche Religion möge zu alter gesellschaftlicher Relevanz zurückfinden. Doch selbst in ethischen Bereichen wie der Sterbehilfe-Debatte mussten die Kirchen bzw. ihnen nahestehende Positionen nicht zuletzt durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum § 217 vor zwei Jahren eine herbe Niederlage einstecken. Der Umgang mit dem Abgrund sexuellen Fehlverhaltens innerhalb kirchlicher Kreise wurde ja bereits oben angedeutet.

Ich verstehe das Buch als weiteren Mosaikstein in einer ganzen Reihe publizistischer Duftmarken eines lang anhaltenden Rückzugsgefechtes religiöser Protagonisten, die sich und ihre Normen zu unverzichtbaren Mauersteinen einer nun einmal bröckelnden Festung erklären – eine Festung, deren Risse jedoch täglich größer werden und wohl nicht wieder (so leicht) zu kitten sind. Doch dass die sich dahinter befindlichen Menschen sich keineswegs schutz- und wehrlos ohne diese Festung fühlen müssen, will diesen Apologeten des Glauben anscheinend nicht einleuchten.

Verwunderte Weichei-Westler oder Putins infame Propaganda zeigte lange Wirkung – zum Teil selbst bei mir!

Februar 28, 2022

Ich gehörte nie zu dem anscheinend erschreckend großen Teil der deutschen Bevölkerung, der mit Putins autoritärem Regierungsstil offenbar wenig Probleme hat(te?).

Im Umkehrschluss dürften recht viele dieser „Putin-Versteher“ latente bis ausgewachsene Aversionen gegen die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) hegen, die sich vielfach nur als antiamerikanische Ressentiments bezeichnen lassen: Die Amerikaner seien kulturlos, oberflächlich, egozentrisch, depperte Waffennarren, daher auch auf internationaler Bühne Kriegstreiber par excellence etc. pp.

Auch ohne Psychologie-Studium liegt es für mich auf der Hand, in derlei Vorurteilen zumindest teilweise den Ausdruck eigener Projektionen von Menschen zu sehen, denen der links-grüne Zeitgeist seit Jahrzehnten sein vulgärpazifistisches Dogma um die Ohren haut: „Krieg ist nie die Lösung!“ und „Man kann doch über alles reden!“ Eigene unterdrückte Aggressionstriebe werden dann halt auf „die Amis“ übertragen…

Spätestens seit dem 24. Februar 2022 und Putins barbarischem Angriffskrieg gegen die souveräne Ukraine sollten solche pubertären Sprüche als Ausfluss reinen Wunschdenkens erkannt sein! Zwar hätte jeder mit Verstand gesegnete Mensch auch lange vorher darauf kommen können, dass mit eiskalten Machtmenschen eben NICHT bis zum Erbrechen Diplomatie zu treiben ist (Chamberlains Appeasement-Politik von 1938 lässt grüßen!). Aber Schwamm drüber, sind halt nicht alle so geschichtsinteressiert wie meinereiner…

Im Falle von Putins Russland hielt sich erschreckend lange die These vom westlicherseits angeblich zugesicherten Verzicht der NATO-Osterweiterung. Erst dieses gebrochene Versprechen habe Putin in seine Abwehrhaltung gedrängt und zu seinem Widerstand gegen die „Einkreisung“ seitens des westlichen Verteidigungsbündnisses getrieben.

Und ich muss gestehen: So ganz unrecht sah ich diese Position bis vor wenigen Tagen dann auch wieder nicht…

Um so dankbarer bin ich dem ZEIT-Redakteur Michael Thumann („Der Geschichtsvollzieher“; DIE ZEIT v. 24.02.22, S. 4), hier einiges gerade gerückt zu haben. Er erinnert die Leser an die politischen Vorgänge des Jahres 1990 unmittelbar vor der Wiedervereinigung, den sog. Zwei-plus-Vier-Vertrag zwischen den Alliierten des Zweiten Weltkriegs und den beiden deutschen Staaten:

Horst Teltschik, damals außenpolitischer Berater von Helmut Kohl, nahm an allen Gesprächen teil und versicherte, dass „zu keinem Zeitpunkt die Rede war über eine Erweiterung der Nato über Deutschland hinaus.“ Gorbatschow selbst hat sich mehrfach dazu geäußert, zuletzt 2014 und 2019 in unmissverständlicher Klarheit. Der Rossijskaja gaseta sagte er, damals hätten Baker, Kohl und Genscher nur über die Frage „der Ausdehnung der militärischen Strukturen der Nato und die Stationierung von Truppen der Allianz auf den Gebiet der ehemaligen DDR“ mit ihm gesprochen. Die Frage einer möglichen Nato-Erweiterung sei „gar nicht aufgetaucht.“

Zudem verweist Thumann auf zwei in der aktuellen Debatte häufig ausgeblendete völkerrechtliche Vertragswerke, die eindeutig belegten, dass Putin/Russland zu keinem Zeitpunkt ein Problem mit der Ausdehnung der NATO Richtung Osteuropa gesehen habe.

…vereinbarte die Nato mit Russland 1997 eine Grundakte, die das Sicherheitsverhältnis regelte und die Stationierung von Nuklearwaffen in künftigen Nato-Beitrittsstaaten ausschloss. Unter den Bedingungen dieser Grundakte stimmte Russland den folgenden Erweiterungen zu.

Diese Voraussetzung erwähnt Putin gar nicht in seiner langen Anklage des Westens. […] Gerade die Erweiterung von 2004 hätte wirklich ein Problem für ihn sein können, denn es waren drei ehemalige Sowjetrepubliken [Estland, Lettland, Litauen, Anmerkung M . Haß] dabei. Putin war damals Präsident – und Gerhard Schröder Bundeskanzler. Beide hatten gegen den Irakkrieg der USA 2003 laut protestiert. Aber nicht gegen die Nato-Osterweiterung. Der deutsche Kanzler trieb sie voran, und Putin ließ es geschehen.

Schließlich geht Thumann auch noch auf einen Vertrag von Mitte der 1990er-Jahre ein:

Auf dem Nato-Gipfel in Bukarest 2008 stritten Amerikaner und Deutsche über ein Beitrittsangebot an die Ukraine und Georgien. Die Ukraine hatte schon eine Sicherheitsgarantie, das Budapester Memorandum von 1994, nach dem Russland die Atomwaffen der Ukraine bekam und dafür die „territoriale Unversehrtheit“ der Ukraine garantierte. Diese wurde bekräftigt im russisch-ukrainischen Freundschaftsvertrag von 1997.

Es war nicht zuletzt die Naivität (besser: generelle Führungsschwäche) westlicher Regierungschefs, selbst nach dem Afghanistan-Desaster des letzten Sommers immer noch nicht von ihrer Verabsolutierung der Diplomatie um jeden Preis abgerückt zu sein, die dem rücksichtslosen Machtmenschen Wladimir Putin das Gefühl geben musste, von solcherlei „Weicheiern“ keinerlei Gegenwehr befürchten zu müssen.

Exzellente Einblicke in Putins Russland liefert(e) übrigens schon seit Jahren der Journalist Boris Reitschuster (u.a.2015 in „Putins Demokratur“), brandaktuell auch in diesem Podcast nachzuhören.

Gefangen im Bestätigungsfehler („Confirmation bias“) seiner Machtblase und der ihm hörigen Staatsmedien, verrennt sich der russische Präsident in seinen selbst konstruierten Verfolgungswahn.

Aber das kennen wir ja ganz ähnlich von hiesigen Machteliten; nur dass der Großteil der deutschen Medienlandschaft gar keiner staatlichen Repressionen bedarf, um (insbesondere in Krisenzeiten) mehr oder weniger offene Hofberichterstattung abzuliefern. Nur mit dem entscheidenden Unterschied, dass Merkel, Scholz & Co. zu keiner Zeit auf die hirnrissige Idee kommen würden, ihre Atomstreitkräfte in Alarmbereitschaft zu versetzen, so sie denn solche hätten…

Medizin ohne Schicksalsbegriff hat „nicht das menschliche Leben im Blick, sondern die perfekt eingestellte Maschine“ – kleine Zitatensammlung zur technokratischen Dehumanisierung des ärztlichen Ethos

Januar 31, 2022

Anmerkung vorweg: Die folgenden Zitate bringen nicht zum Ausdruck, dass es mir oder den zitierten Medizinern darum ginge, an Covid-19 erkrankten (insbesondere hochbetagten) Menschen die bestmögliche Behandlung abzusprechen, da es keinen Sinn habe, sich gegen sein Schicksal aufzulehnen.

Dennoch halte ich sie für überaus luzide, da die rein rational-technokratische Lebensverlängerung um jeden Preis in vielen Fällen bereits dazu geführt hat, dass invasiv beatmete Covid-19-Patienten mithilfe eines solch schwerwiegenden Eingriffs mehr Schaden als Nutzen zugefügt wurde.

In diesem Zusammenhang halte ich die u.a. aus einer weit verbreiteten Verdrängung der Tatsache unser aller Sterblichkeit heraus generierte Verabsolutierung des Wertes der menschlichen Gesundheit zu einem quasi-religiösen Gut für äußerst bedenklich, dem sich alles andere unterzuordnen habe, ohne Rücksicht auf soziale, ökonomische oder psychische Folgeschäden bei Dritten.

Doch lassen wir nun einen Bioethiker (Giovanni Maio), einen Doktor der Psychologie (Wilfried Nelles) sowie einen Psychiater (Manfred Lütz) zu Wort kommen:

„Aber gerade dieser erreichte Erfolg droht heute der Medizin zum Verhängnis zu werden, weil die moderne Medizin in ihrer auf Machbarkeit orientierte Grundhaltung dem Irrglauben verfallen ist, dass sie überhaupt kein Schicksal mehr zu akzeptieren brauche. Schicksal ist für die moderne Medizin in einer Denkatmosphäre der Totalität des Machens nichts, womit man sich anzufreunden, sondern nur noch das, was man komplett abzuschaffen hat. Zum Schicksal gehört das Ungeplante. Unvorhergesehene, und gerade diese Unplanbarkeit kann der moderne Mensch nicht zulassen, weil seine Lebenswelt durchdrungen ist von Planung, von Kontrolle, von Sicherheitsgarantien. […]

Die Medizin als Naturwissenschaft setzt voraus, dass das, was für das Leben gut ist, auch für den Menschen, für sein Selbstverständnis gut sein muss – und genau das ist der schwerwiegende Fehler und Trugschluss, dem die moderne Medizin aufsitzt. Sie verkennt nämlich grundlegend, dass das Nichtwissen, die Nichtvorhersagbarkeit des Lebensverlaufs für den Menschen kein Mangel, sondern ein Segen ist, weil der Mensch nur angesichts dieser inhärenten Ungewissheit seiner Zukunft tatsächlich Pläne schmieden und sich in seinen Plänen als freier Mensch fühlen kann. […] Eine Medizin, die kein Schicksal zulassen und alles planbar machen möchte, hat als Ideal nicht das menschliche Leben im Blick, sondern die perfekt eingestellte Maschine.“

Giovanni Maio, Direktor des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin (Universität Freiburg) Quelle: Standpunkte der Ethik – brisant. Hauptsache gesund? – Medizinethik. Braunschweig / Paderborn / Darmstadt 2016, S. 38.

„So ist es […] mit Corona. Wir müssen es anschauen als etwas, das zum Leben gehört. Dazu gehört auch das Sterben, das es mit sich bringt. Es wird ständig gestorben, aber das moderne Bewusstsein kann das nicht mehr aushalten und verdrängt es. Die Toten im Mittelmeer sind überall, nur dass überall, zum Beispiel in der libyschen Wüste, keine Kameras dabei sind. Sie sind auch nicht zu verhindern. Dafür, dass man die einen rettet, nimmt man den Tod anderer in Kauf, wenn man nicht sogar andere dafür töten muss. […] All unsere Eingriffe ins Leben und die Natur haben eine Kehrseite. Auch die Sterbenden in unseren Krankenhäusern sind überall, nur dass an jedem Corona-Bett ein Totenzähler steht, während über die neunundneunzig anderen, die zur selben Zeit sterben, niemand berichtet.“

Wilfried Nelles: Also sprach Corona. Die Psychologie einer geistigen Pandemie. München 2021, S.111

„Gesundheit ist heutzutage ein großer Wirtschaftsfaktor mit krisenfesten Zuwachsraten. Das hat mit einem revolutionären Wandel im Wertegefüge der westlichen Gesellschaften zu tun. Das religiöse Vakuum ist mehr und mehr von der ‚Gesundheit‘ ausgefüllt worden. Gesundheit gilt inzwischen unwidersprochen als ‚höchstes Gut‘. Unsere Gesundheitsgesellschaft toleriert jeden albernen Scherz über Jesus Christus, aber bei der Gesundheit hört der Spaß auf.

Es gibt Wallfahrten zum Spezialisten, asketische Diätbewegungen, Fitness-Studios als Stätten der Herstellung von Gesundheit durch fromme Übungen, Bonus-Malus-Systeme zur Herstellung der Volksgesundheit, staatlich geförderte Missionskampagnen – gegen Rauchen, gegen Trinken, gegen Essen – und eine pazifistische Ernährungsministerin, die für ‚Kampf‘, ‚Mobilmachung‘ et cetera ist, nicht gegen Saddam Hussein, sondern gegen die deutsche Fettzelle. Es gibt massenhafte Erweckungsbewegungen wie Städtemarathons, Hunderte von Geboten, Ernährungssünden und ein stets schlechtes Gewissen, salbungsvolle Reden und Schriften, Gesundheitspäpste, Irrlehren, die mit inbrünstiger Gläubigkeit geglaubt werden, und die Scholastik der ‚Schulmedizin‘.

Das ganze Treiben ist eine ins Gigantische gesteigerte Realsatire. Aber niemand lacht. Das Auswandern der Religiosität in den Gesundheitsbereich hat das Menschenbild unserer Gesellschaften zutiefst verändert, und das hat verheerende Folgen. Denn die Gesundheitsreligion hat inzwischen ihren eigenen Fundamentalismus entwickelt – die sogenannte ‚Ethik des Heilens‘. Die ‚Ethik des Heilens‘ ist das Ende der Ethik. Die Ethik war einmal der argumentative, kontroverse, philosophische Diskurs über Moral. Sobald aber heute jemand ‚Ethik des Heilens‘ sagt, ist Ende der Debatte, dann wird es sakral: Wollen Sie etwa einem mukoviszidosekranke Kind erklären, aus welchen absurden ethischen Gründen Sie ihm nicht helfen wollen, sagte sinngemäß der frühere Bundespräsident Roman Herzog. Wer als Grund nennt, daß man keinen Menschen am Beginn seiner Existenz opfern darf, um einen anderen Menschen zu heilen, der gilt als zynisch. […] ‚Wer heilt, hat recht‘, dieser gute ärztliche Grundsatz wird ethisch genommen zynisch.

[…] Wenn aber gemäß der Gesundheitsreligion der gesunde Mensch der eigentliche Mensch ist, dann ist der nicht mehr heilbar Kranke, der Behinderte, ein Mensch zweiter Klasse. Unsere Versorgungssysteme stellen sich darauf ein. Sterbenden Menschen kann man in Holland und Belgien inzwischen einen ‚guten Tod‘ geben. Euthanasie heißt das auf griechisch. Die Gesundheitssysteme aller Länder stehen vor dem finanziellen Kollaps. Die letzten Jahre eines Lebens sind bei weitem am kostspieligsten. Da senkt dann das Milieu gewisse Schranken. Die Gesundheitsreligion frißt ihre Kinder.

[…] Fortschritt, der über die Würde des Menschen hinwegschreitet, mag Evolution sein, ein menschlicher Fortschritt ist er nicht mehr.“

Manfred Lütz: Gesundheit als Religion. In: Die Welt, 19.06.2005

https://www.welt.de/print-wams/article129154/Gesundheit-als-Religion.htm



„BILD“ als Corona-Aufklärer oder die fatale Koorientierung vieler Journalisten

Dezember 31, 2021

Eine der irritierendsten Erfahrungen der letzten Wochen und Monate war für mich die Feststellung, dass ausgerechnet die vielfach (häufig zurecht) geschmähte „Bild“-Zeitung bzw. deren seit diesem Sommer verfügbares Fernsehformat „BILD TV“ in Sachen Corona-Maßnahmen der Regierung immer wieder den Finger auf die Wunde legt:

Karikatur Chappatte 49 2021

So wird dort im Gegensatz zu weiten Teilen der (linksliberalen) Leitmedien hartnäckig die Verhältnismäßigkeit und Evidenz diverser Gesetze und Verordnungen angemahnt, zuletzt auf das (nicht nur) durch die Weihnachtsfeiertage bedingte Datenchaos des Robert-Koch-Instituts (RKI) und anderer (Ärzte-)Organisationen wie der Intensivmediziner-Vereinigung DIVI hingewiesen. Z.B. blieb die Zahl der sich coronabedingt auf einer Intensivstation befindlichen Patienten offenbar mit ca. 4200 Menschen deutlich hinter diversen Horrorprognosen (bis zu 6000) zurück (Stand: 28.12.21):

Doch damit nicht genug: Das politische Monatsmagazin „CICERO“ widmet dem Thema mangelhafter Corona-Datenerhebung die Titelstory der aktuellen Januar-Ausgabe („Die Pandemie der Wissenslücken“):

Schon die heute geltenden Maßnahmen stehen wissenschaftlich und logisch auf tönernen Füßen. Warum zum Beispiel brauchen Ungeimpfte für Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder der Deutschen Bahn, in denen 3G gilt, einen Test – und Geimpfte nicht? Schließlich kann heute niemand wissen, ob ein ungetesteter Geimpfter ungefährlicher ist als ein getesteter Ungeimpfter. Und was rechtfertigt es, Ungeimpften durch die 2G-Pflicht für Restaurants, Fitnessstudios und Cafés den Zugang zu Sportangeboten und Gastronomie zu verwehren – nicht einmal das Robert-Koch-Institut weiß, wie hoch die Inzidenzen unter Geimpften auf der einen und unter Ungeimpften auf der anderen Seite sind.

„Eigentlich müsste man dem ehemaligen Bundesgesundheitsminister Spahn für seine Arbeit in der Corona-Krise ein Zeugnis ausstellen“, sagt Ulrike Haug, Professorin für Klinische Epidemiologie am Leibniz-Institut für Präventionsforschung BIPS in Bremen. Für sie ist klar, dass da keine guten Noten draufstünden. „Beim Thema Datenerfassung in Sachen Corona bekäme er von mir eine glatte Sechs.“

Bereits bei der Veröffentlichung eines ersten Impfstrategie-Konzepts durch das Bundesgesundheitsministerium im Oktober 2020 habe man versäumt, die entsprechenden Impfinformationen in die Abrechnungsdaten der Krankenkassen einfließen zu lassen. Dadurch sei eine spätere realistische Studienerstellung zur Sicherheit dieser Impfstoffe verhindert worden.

Auch die wochenlang durch viele Medien ungeprüft übernommene Zahl von den 90 % Ungeimpften auf den Intensivstationen habe sich im Rahmen einer öffentlichen Anhörung des Deutschen Bundestags Mitte November als wissenschaftlich unhaltbar erwiesen.

Auch an den heute wieder weitgehend in Vergessenheit geratenen Fauxpas des RKI vom Oktober diesen Jahres erinnert der „CICERO“-Artikel: Musste dessen Chef Lothar Wieler doch damals zugeben, die Quote der Geimpften über einen längeren Zeitraum zu gering angegeben zu haben.

Und worauf auch der „CICERO“ nicht eingeht: Um die Gefährlichkeit der Corona-Lage überhaupt valide einschätzen zu können, bedürfte es eigentlich aussagekräftiger Vergleichszahlen z.B. für den Zeitraum der letzten schweren Grippewelle vom Herbst/Winter 2017/18. Aber da damals mit wenigen Ausnahmen kein Vertreter der schreibenden Zunft sich bemüßigt fühlte, die anscheinend auch recht ernste Problematik überhaupt in den journalistischen Blick zu nehmen, fehlen derartige Daten natürlich völlig!

Ebenso erstaunt die Selbstsicherheit vieler deutscher Medienvertreter, mit der sie im Gleichklang mit den üblichen Verdächtigen aus der hohen Politik (Söder, Kretschmer, Kretschmann & Co.) und der (politisierten) Wissenschaft die angebliche Gefahr, die durch die neuartige Omikron-Virusvariante drohen solle, hinausposaunen. Dabei gibt eine Meldung des „Deutschen Ärzteblatts“ vom 23.12.21 möglicherweise Grund für eine verhalten optimistische Einschätzung. Der Autor schreibt dort, dass es bisher in England sowie Schottland zu weniger Hospitalisierungen durch Omikron im Vergleich zu Delta gekommen sei und führt weiter aus:

Die Infektionen mit der Delta-Variante („S-Gene positive Infection“) traten meist bei ungeimpften Perso­nen auf, vor allem bei Kindern, die in Schottland zu 80 % nicht geimpft sind. Mit Omikron infizieren sich dagegen eher geimpfte Personen.

Ebenso scheint es weiten Teilen der deutschen Medienlandschaft entgangen zu sein, dass die Entdeckerin der Omikron-Variante in Südafrika, Angelique Coetzee, von den ihrer Meinung nach überzogenen Reaktionen wie Flugstreichungen gerade seitens europäischer Regierungen, namentlich Großbritannien, irritiert war (Stand: Anfang Dezember 2021).

Nun stellt sich berechtigterweise die Frage, wieso es im Journalismus so häufig zu ähnlichen Einschätzungen das selbe Thema betreffend kommt: Zum einen liegt das sicher daran, dass ein Großteil der Journalisten hierzulande dem linksliberal/grünen Spektrum entsprießt, also von Hause aus zu einer ganz ähnlichen politischen Haltung tendiert. Auf einen anderen Aspekt macht der Kommunikationsforscher Hans Mathias Kepplinger in seinem augenöffnenden Buch „Die Mechanismen der Skandalisierung. Die Macht der Medien und die Möglichkeiten der Betroffenen“ aufmerksam:

Die generell starke Koorientierung im Journalismus wird bei Skandalen und anderen spektakulären Ereignissen noch intensiver, weil die Redaktionen die Meldungen anderer Medien verstärkt zur Justierung ihrer eigenen Beiträge heranziehen. Deshalb ist bei der Skandalberichterstattung die Normbildung in den Medien spätestens innerhalb von zwei bis drei Wochen abgeschlossen. […] Die starke Koorientierung im Journalismus ist die entscheidende Ursache des für Skandale typischen Verlaufs der wertenden Berichterstattung […]: Die am Beginn noch unterschiedlichen Urteile verschiedener Medien gleichen sich innerhalb weniger Tage einander an und treffen sich im negativen Bereich. (S. 48)

Nun denn: Inwiefern Omikron die Lage auf den heimischen Intensivstationen positiv oder negativ beeinflussen wird, lässt sich nicht zuletzt dank oben beschriebenem Datenchaos und angesichts des frühen Zeitraums momentan natürlich noch nicht sagen. Die Tendenz weiter Teile des Medien- und Politikbetriebs zur dauerhaften Fortsetzung ihres nun schon zur Gewohnheit gewordenen Panik-Narrativs und davon abgeleiteter weitgehender Grundrechtseinschränkungen kann nur als fatal bezeichnet werden!

Köln: Toleranzrausch fressen Hirn auf! Wenn es die DITIB nicht gäbe, müssten deutsche Behörden sie wohl erfinden…

November 29, 2021

Es ist einfach nur ein unsägliches Trauerspiel, das sich Jahr um Jahr (nicht nur) in deutschen Amtsstuben wiederholt und welches letztendlich den Kritikern einer emanzipations- und aufklärungsresistenten Variante des Islam Mal um Mal recht gibt mit ihrem Insistieren auf der Beendigung einer nicht hinnehmbaren Kooperation kommunaler Verwaltungen mit ethisch hochproblematischen Moscheeverbänden. Platzhirsch in dieser Hinsicht bildet nach wie vor der deutsche Ableger des türkischen Amtes für religiöse Angelegenheiten (Diyanet), die DITIB mit Sitz in Köln.

Die Millionenmetropole am Rhein, die sich zurecht für ihre Toleranz (besser: Akzeptanz) gerade gegenüber ihrer beträchtlichen Queer-Community rühmt, fällt neuerdings jedoch für eine bedenkliche Nähe zu ganz anders gearteten Zeitgenossen auf – kurzum, es geht um das Anliegen zweier Moscheegemeinden, den lautsprecherverstärkten Gebetsruf jeweils am Freitag für einige Minuten erschallen zu lassen.

Nun ist es dem aufklärungsaffinen Restbestand zivilgesellschaftlicher Aktivisten zu verdanken, diesen Akt falscher Toleranz gegenüber einem Verband anzuprangern, dessen Funktionäre trotz x-maliger Verstrickung in diverse Skandale sich nach wie vor erdreisten, in sozialen Medien (und womöglich auch in der moscheeinternen Öffentlichkeit) durch antisemitische, homophobe und religionschauvinistische Diffamierungen aufzufallen.

Doch das ficht ein toleranzbesoffenes Stadtoberhaupt wie Henriette Reker (parteilos), ihres Zeichens Kölner Oberbürgermeisterin, selbstverständlich nicht an. Wo kämen wir auch hin, wenn so etwas Altmodisches wie Verfassungstreue maßgebliches Kriterium für die Genehmigung des begehrten Gebetsrufs wäre! Da liegt sie ganz auf einer Linie mit Armin Laschet (CDU), der zuletzt bekanntlich nicht nur durch seinen fettnäpfchengesättigten Wahlkampf negativ aufgefallen ist, sondern bereits zuvor geradezu auf Kuschelkurs mit den Herren (und vereinzelt vorhandenen Damen) der oberen DITIB-Funktionärsränge ging.

Und als sei die in der Vergangenheit ad infinitum unter Beweis gestellte Toleranz gegenüber den Intoleranten noch nicht Skandal genug, signalisierte mit Bettina Baum als Sprecherin der Stadt Köln offenbar gerade eben erst wieder einmal eine Behördenvertreterin, dass sie nicht gedenke, zumindest im Gegenzug zum umstrittenen Gebetsruf der Moscheen die Interessen areligiöser Mitbürger zu berücksichtigen. So stellt Ingo Eitelbach als Beobachter vonseiten des Humanistischen Pressedienstes (hpd) im Rahmen einer Podiumsdiskussion zu eben jenem Thema in der katholischen Karl-Rahner-Akademie lapidar fest:

Überraschend war dann aber doch, dass Frau Bettina Baum als Vertreterin der Stadt Köln, sich nahtlos in die Phalanx der Religionsvertreter einreihte und erkennen ließ, dass Belange von konfessionsfreien Menschen seitens der öffentlichen Verwaltung nicht berücksichtigt werden.

Wenn es Verbände wie die DITIB nicht gäbe, toleranzbesoffene deutsche Behörden mit ihrem offenbar verqueren, aber umso tiefer sitzenden Wiedergutmachungsbedürfnis für die Mordtaten ihrer Groß- und Urgroßväter während der NS-Zeit müssten sie erfinden…

Black Lives Better? Der Fall Jasmina Kuhnke und die Verabsolutierung des woken Empörungsempfindens

Oktober 31, 2021

Hoch schlugen die Empörungswellen unlängst wieder einmal im ach so divers-toleranten Woke-Land. Hatte die schwarze Autorin und Aktivistin Jasmina Kuhnke doch ob ihrer gefühlten Unsicherheit von einem eigentlich vorgesehenen Auftritt auf der Frankfurter Buchmesse abgesehen.

Jasmina Kuhnke – Quelle: https://feminismuss.de/tag/jasmina-kuhnke/

Mehr noch: Zum Aufruf eines allgemeinen Autoren-Boykotts fühlte sich die schreibende Dame, die ihr Verständnis von Antirassismus offenbar zum Geschäftsmodell geadelt hat, bemüßigt. Stein des Anstoßes bildete die Messe-Präsenz des rechtsradikalen Jungeuropa-Verlags, der ohne die Kuhnke´sche mediale Schaumschlägerei nach wie vor nur einem einschlägigen „Szene-Publikum“ bekannt wäre.

Der in der Wagenknecht´schen „Aufstehen!“-Bewegung aktive linke Theatermacher Bernd Stegemann analysiert die dahinter zum Vorschein kommenden Befindlichkeiten linker Identitätspolitik wie folgt:

Die erste Frage wäre, ob die Bedrohungslage von Jasmina Kuhnke so ist, wie sie es in ihrem Bedrohungsgefühl empfindet. Ist ihre Sicherheit tatsächlich gefährdet, weil ein rechter Verlag dort seine Bücher ausstellt? Diese Frage führt ins Zentrum des Problems. Denn hier sind nun zwei Antworten möglich. Die eine versucht, das Offensichtliche auch sichtbar zu machen. Folgt man diesem Weg, ist es ratsam, die Lage auf der Buchmesse realistisch zu beschreiben. Anschließend könnte man über praktische Maßnahmen nachdenken, um eine mögliche Gefährdung auszuschließen. So käme man zu dem Schluss, dass ein Personenschutz für die Messe oder den Verlag leicht zu engagieren gewesen wäre. Die Erkenntnis des Offensichtlichen ist also: Hätte sie kommen wollen, wäre für ihre Sicherheit gesorgt worden.
Die zweite Antwort will von diesen praktischen und realistischen Lösungen nichts wissen. Sie schlägt den Weg der Empörung ein. Die Klage über die bedrohte Sicherheit muss absolut gelten und darf durch keine Fakten oder sicherheitstechnischen Überlegungen relativiert werden. Denn nur wenn das Bedrohungsgefühl absolut gilt, kann mit ihm eine moralische Forderung verbunden werden: kein Raum für rechte Verlage auf der Buchmesse. Und um diese Verbindung aus persönlicher Betroffenheit und allgemeiner Forderung geht es der Empörungsmechanik.
Denn erst hier entsteht das, was seit Jahren unter dem sperrigen Namen der Identitätspolitik Zulauf erfährt. Dabei kommt ein Dreischritt zur Anwendung, der überaus wirkungsvoll ist. Im ersten Schritt wird ein persönliches Gefühl aus dem Bereich der Ängste geäußert, wie etwa Bedrohung, Traumatisierung und Retraumatisierung. Im zweiten Schritt wird verlangt, dass diesen Gefühlen absolut geglaubt werden muss. Wer seine Angst äußert, ist nicht etwa furchtsam, sondern erleidet eine objektiv gefährliche Situation. Die Ursachen der Angst liegen immer in der Gesellschaft und niemals im Subjekt selbst. Im dritten Schritt wird aus der Abhängigkeit der Gefühle von ihren gesellschaftlichen Ursachen eine allgemeine politische Forderung abgeleitet: Damit niemand mehr Angst haben muss, müssen alle Mikro- und Makroaggressionen unerbittlich geahndet werden.

Sogar der Literaturkritiker Volker Weidermann schlägt in der aktuellen Ausgabe der ZEIT („Ein neues Wir“, S. 59) moderat-kritische Töne in Richtung Kuhnke an, indem er auf den mutigen Buchmessse-Auftritt Salman Rushdies trotz gegen ihn ausgesprochener Todesfatwa Khomeinis 1989 hinweist und die Frage stellt:

Ist im Vergleich dazu Kuhnkes öffentlich erklärte Angst nicht ein fatales Signal? Ein Triumph für die Angstmacher? Vielleicht.

Jene Jasmina Kuhnke, die sich im Übrigen nicht entblödet, die moralische „Erlaubnis“ für das Tragen von Rastazöpfen von der „korrekten“ (ergo schwarzen) Hautfarbe mindestens eines Elternteils des Betreffenden abhängig zu machen (vgl. Judith Sevinc Basad: „Schäm dich! Wie Ideologinnen und Ideologen bestimmen, was gut und böse ist“, S. 82).

Es würde Frau Kuhnke wie der gesamten woken Community gut zu Gesicht stehen, selbstreflektierter zu agieren und anstelle ihrer dauerempörten Emotionstrompeterei mit rationalen Argumenten aufzuzeigen, wo tatsächlich rassistisches Gedankengut verbreitet wird. Denn dass dies in Teilen der Gesellschaft noch immer der Fall ist, steht außer Frage. Allerdings erweisen viele Aktivistinnen und Aktivisten der eigentlich guten Sache den berühmten Bärendienst. Auch noch Einteilungen in Redeberechtigte und -unberechtigte vorzunehmen, wie dies in diesen Kreisen durchaus nicht unüblich ist, sollte ohnehin gänzlich der Vergangenheit angehören. Allein die Erfahrung lässt erahnen, dass die Entwicklung eine ganz andere sein wird…

„Wir müssen reden…“ – Nachtrag zum Positionspapier „Corona ins Verhältnis setzen“

September 30, 2021

In meinem Beitrag vom Juli dieses Jahres hatte ich eine Passage daraus zustimmend zitiert, da diese die fehlende Verhältnismäßigkeit vieler staatlich angeordneter Corona-Maßnahmen betraf.

Nach wie vor stehe ich auch zu zentralen Punkten dieses Positionspapiers „Corona ins Verhältnis setzen“. Doch einige Podcast-Folgen des Youtube-Kanals „Verschwörung & Fakten“ lassen mich mittlerweile zu einer Relativierung meiner eigenen Haltung dazu vornehmen.

Zum einen wird in besagtem Youtube-Kanal die Mitautorschaft von Prof. Ulrike Guérot, auf Europapolitik spezialisierte Politologin, sowie von Dr. Martin Hirte, seines Zeichens praktizierender Homöopath und genereller Impfskeptiker, an diesem Positionspapier kritisch thematisiert.

In diesem Zusammenhang klärt ein Beitrag von „Verschwörung & Fakten“ über einen grundlegenden Fehler des Papiers „Corona ins Verhältnis setzen“ auf, wenn dort nämlich der Fall-Verstorbenen-Anteil (engl. case fatality rate, kurz CFR) irrtümlich mit der auch die nicht diagnostizierten Fälle modellrechnerisch berücksichtigenden IFR (infection fatality rate) in eins gesetzt wird (Näheres zur Unterscheidung beider Kennzahlen siehe hier).

Dennoch bleiben wie erwähnt wichtige Thesen des Papiers nach wie vor aktuell, in erster Linie die Kritik an der Aussetzung verfassungsgemäß garantierter Grundrechte. Mittlerweile gehen Gott sei Dank ja auch teils prominente Parteimitglieder quer durch das politische Spektrum von Sahra Wagenknecht (Die Linke) bis Wolfgang Kubicki (FDP) mit dieser schlampig agierenden, bisweilen willkürlichen, wenig bis gar nicht auf wissenschaftliche Evidenz abzielenden staatlichen Pandemiebekämpfung ins Gericht.

Und auch in der Impffrage geht die Entwicklung seit einigen Wochen in eine bedenklich autoritäre Richtung. Wobei mir, selbst seit Ende Juni doppelt gegen Covid-19 geimpft, das riskante Verhalten von (älteren und/oder vorerkrankten) Menschen mit einer Verweigerungshaltung gegenüber dem potentiell lebensrettenden Pieks eigentlich egal sein könnte, sofern diese von immer mehr Restaurants, Friseuren etc. mithilfe der sog. 2G-Regel (Zutritt ausschließlich für Geimpfte und Genesene) ausgeschlossen werden.

Und doch empfinde ich aufgrund meiner relativ liberalen Einstellung ein latentes Unbehagen gegenüber dieser autoritären Praxis: Wer eine schwere Infektion inklusive möglichem Krankenhausaufenthalt zu befürchten hat, hatte mittlerweile hinreichend Gelegenheit zur Impfung. Ansonsten sehe ich wenig Anlass, in diesen Menschen eine nicht zu vertretende Bedrohung für Menschen mit Impfung oder positiver Covid-19-Testung zu erkennen, die es rechtfertigen würde, sie von wesentlichen Teilen des öffentlichen Lebens auszuschließen.

Von Ortskräften und Mädchenschulen – ein anderer Blick auf das Afghanistan-Desaster des Westens

August 30, 2021

Es ist viel geschrieben worden in diesen gerade einmal gut zwei Wochen, seit die radikalislamischen Taliban für die meisten westlichen Staats- und Regierungschefs sowie viele ihrer Nachrichtendienste, aber auch Mitglieder der schreibenden Zunft, völlig überraschend zum Sprung an die Macht auch über die afghanische Hauptstadt Kabul ansetzten.

Wieder einmal steht „der Westen“ mit seinem langjährigen militärischen wie zivilen Engagement blamiert bis auf die Knochen da und reibt sich in abermaligem Realitätsverlust die Augen, als handele es sich um einen schlechten Traum.

Doch sollte man es sich nicht allzu leicht machen und einer verführerischen Dichotomie zwischen vermeintlich finsteren Gotteskriegern auf der einen und angeblich liberalen Menschen im Land auf der anderen Seite erliegen, die von nicht anderem als den Errungenschaften freiheitlich-demokratischer Werteordnung träumen.

Die Eindrücke langgedienter Afghanistankenner sprechen da eine deutlich andere Sprache, etwa von Ebrahim Afsah in der „Neuen Zürcher Zeitung“, mitverantwortlich für den Aufbau einer Rechts- und Verwaltungsstruktur im Land am Hindukusch:

Man neigt in der Berichterstattung über diesen Krieg dazu, die Taliban zu einem monolithischen Block atavistischer Gotteskrieger zu vereinfachen, die eine friedfertige, letztlich passive Bevölkerung zu Geiseln ihrer vorsintflutlichen Moralvorstellungen machen. Das Versagen des Aufbauprojektes gründet demnach auf der Korruption und Unfähigkeit der vom Westen gestützten Eliten mit Regierungsverantwortung sowie auf ungenügender strategischer Weitsicht der Geberländer und ihrer Militärs.

Wie alle Mythen beinhaltet auch diese Sicht einen Kern Wahrheit, doch verklärt sie mehr, als sie erklärt. Sie ignoriert das Vermögen der Menschen, eigenverantwortlich und selbstbestimmt zu handeln. Die Tatsache, dass der Vormarsch der Taliban in der vergangenen Woche weitestgehend widerstandslos vonstattenging, zeigt, dass das relativ liberale, an westlichen Werten und Organisationsprinzipien orientierte Staats- und Gesellschaftsmodell keine breite Unterstützung geniesst.

Es lässt sich vermuten, dass der Unterschied zwischen der Weltsicht der Taliban und jener der gewöhnlichen Bevölkerung allenfalls graduell, keineswegs kategorisch ist. Das politische Projekt der Taliban scheint mehrheitsfähiger als das der korrupten Kabuler Republik.

Ebenso sollte der Inhalt des Leserbriefes des Bundeswehr-Obersten a.D. Thomas Sarholz in der „Frankfurter Allgemeinen“ Beachtung finden, welcher seine persönlichen Eindrücke aus den Jahren 2005/06 wiedergibt und dabei ebenfalls zu der womöglich mehr als nur anekdotischen Evidenz gelangt, die universalen Freiheitswerte des Westens würden selbst von den Ortskräften der Bundeswehr und anderer Institutionen nicht wirklich geteilt [dritter Brief von oben]:

Dass gerade diese Ortskräfte jetzt sämtlich zu uns kommen wollen, überrascht mich nicht; hatten sie doch einen recht genauen Einblick über unseren Lebensstandard erlangt. Innerlich verachten uns diese Menschen, was sie aus nachzuvollziehenden Gründen natürlich nie zugeben werden. Sie wollen ja etwas erreichen: den Wohlstandsmagneten Deutschland. Ich will nicht verkennen, dass es Ausnahmen geben mag. Nur: mir sind sie nicht begegnet.

Und noch eine dritte Perspektive hat mich in den letzten Tagen stutzig werden lassen: Wie kann es sein, dass die in langjähriger Aufbauarbeit durch den ehemaligen Bundeswehr-Arzt Reinhard Erös und seiner „Kinderhilfe Afghanistan“ errichteten Mädchenschulen im Osten des Landes nach dessen Aussage schon immer, so auch jetzt von den Taliban unangetastet bleiben? Was hat Erös anders als Amerikaner, Deutsche und andere gemacht (außer sich der Landessprache Paschtu zu befleißigen)? Sicher, über die Qualität dieser Schulen äußert sich Erös nicht, und sicher muss davon ausgegangen werden, dass ein zu kritischer (Selbst-)Reflexion anregender Unterricht (auch und gerade in religiösen Dingen) dort alles andere als etabliert sein dürfte. Doch die Frage muss erlaubt sein, wie ein quasi auf Privatinitiative fußendes Bildungsprojekt von den hierzulande häufig als barbarische Steinzeitislamisten dargestellten Taliban offenbar in aller Stille seines Weges gehen kann. Eine von unzähligen unbeantworteten Fragen über dieses für uns so rätselhafte Land in der asiatischen Wildnis…

Verhältnismäßigkeit Fehlanzeige! Vom Versagen weiter Teile in Politik und Medien hinsichtlich eines verantwortbaren Umgangs mit der Pandemie

Juli 31, 2021

Es war eine kostenlose, vom Umfang her minimale „Ausstellung“ am Rande eines öffentlichen Parkplatzes in Bremen irgendwann in den 2000er-Jahren: Leider kann ich zu den konkreten Inhalten nichts mitteilen, da ich sie komplett verdrängt habe.

Mit Ausnahme dieses einen Satzes, der sich bei mir seitdem tief eingebrannt hat: Er besagt sinngemäß, dass in der asiatischen Art zu denken grundsätzlich und anders als bei der westlichen Denkungsart mit völliger Selbstverständlichkeit davon ausgegangen werde, dass es in den allermeisten weltanschaulichen Streitfragen mehr gebe als ein bloßes Entweder/Oder, Richtig/Falsch, Wahrheit/Irrtum.

Mittlerweile scheint diese Erkenntnis auch hierzulande angekommen zu sein (jedenfalls in akademischen Kreisen, Stichwort „Ambiguitätstoleranz“). Gleichwohl scheint sie, wenn es um Medienberichterstattung zu diversen Krisenphänomenen geht, wieder vollkommen in der Versenkung des öffentlichen Bewusstseins verschwunden zu sein: Und so stehen sich in der gefühlten Ewigkeit von anderthalb Corona-Jahren nach wie vor treue Anhänger jedweder Regierungsmaßnahmen und ihre in eigentlich allen Punkten vom Gegenteil überzeugten Antipoden unversöhnlich gegenüber, wie nicht zuletzt die Causa #allesdichtmachen im April/Mai dieses Jahres offenbarte.

Dass es jedoch argumentativ bestens bestückte Meinungen gibt, die sich genau zwischen diesen beiden Extremen bewegen, fällt dabei so gut wie unter den Tisch: Dank jenes antagonistischen Freund/Feind-Denkens scheinen viele Medienbeiträge diese Sichtweise auch noch zu befeuern und senden lieber die gefühlt 500. Grusel-Doku über die sog. „Querdenker“-Szene und ihre in der Tat oft bizarr-fanatischen Auswüchse, statt einmal einen Gang herunterzuschalten und die durchaus differenzierten Zwischentöne wahrzunehmen und einem breiten Publikum zugänglich zu machen.

Eine derartige „wohltemperierte“ Position scheint mir z.B. in Gestalt des Positionspapiers „Corona ins Verhältnis setzen“ vorzuliegen, weshalb ich im Folgenden hieraus unkommentiert zitieren möchte:

Sebastian Rushworth [schwedischer Arzt]: „Und während fast alle Menschen, die an Covid-19 starben, in reichen Ländern und in hohem Alter starben, war die große Mehrheit der Menschen, die am Lockdown starb, aus armen Ländern und jung. Das bedeutet, dass die Zahl der der verlorenen Lebensjahre infolge von Lock-downs jene der verlorenen Lebensjahre infolge von Covid-19 vielfach übersteigt. (…) Lockdowns sind inhärent rassistisch und elitär, mit unklarem Nutzen, aber sicherem Schaden.” Die Covid-19 Data Analysis Group an der Fakultät für Mathematik, Statistik und Informatik der LMU München schreibt in ihrem 16. Bericht vom 28. Mai 2021: „Bei den R-Werten, wie sie vom Robert-Koch- Institut täglich bestimmt werden, ergibt sich seit September kein unmittelbarer Zusammenhang mit den getroffenen Maßnahmen – weder mit dem Lockdown-Light am 2. November und der Verschärfung am 16. Dezember 2020, noch mit der „Bundesnotbremse“, die Ende April 2021 beschlossen wurde.“

Gegen die Grippe wird – im Vergleich zu Covid-19 – praktisch nichts getan. Gegen Covid-19 hingegen so viel, dass alle anderen Themen an Gewicht und Bedeutung verlieren und das öffentliche Leben und Teile der Wirtschaft lahmgelegt werden. Das ist sehr sonderbar und auffällig. Die Regierungen begründen ihre Zwangsmaßnahmen mit dem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung. Das ist für sich betrachtet ein hehres Ziel. Doch das Erreichen dieses Zieles müsste, wenn es wirklich ernst gemeint wäre, systematisch angegangen werden. Zum Beispiel so: Auf den öffentlichen Gesundheits-Dashboards scheinen nach ihrer Letalität geordnet die zehn größten Gesundheitsgefahren auf. In Deutschland hätte Covid-19 im Jahr 2020 auf dem Ranking des Statistischen Bundesamtes Platz fünf oder sechs eingenommen, nach Thrombosen/Embolien, Demenz, Lungenkrebs, Herzinfarkt, gleichauf mit oder knapp hinter Herzversagen. Laut Statistik Austria rangieren Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit 38,5 % und Krebs mit 24,5 % unangefochten an der Spitze aller krankheitsbedingten Todesursachen. Weit abgeschlagen folgen mit 6,3 % Erkrankungen der Atmungsorgane. In Österreich sterben jährlich insgesamt rund 85.000 Menschen – davon 2020 rund 6.000 oder 7 % an oder mit Covid-19 (bzw. mit einem positiven PCR-Testergebnis). Auch die WHO reiht Covid-19 im Jahr 2020 mit 1,8 Millionen Toten an die sechste Stelle von Todesursachen, weit abgeschlagen hinter Thrombosen und Embolien, Herzinfarkt, Lungenkrankheiten, Infektionen der unteren Atemwege und Tod kurz nach der Geburt.75 Rechnet man eine 13- bis 17prozentige Überzählung ab, würde Covid-19 gerade noch unter den zehn häufigsten Todesursachen aufscheinen. In absoluten Zahlen war die Corona-Pandemie im Jahr 2020 für weniger als 5 % aller Todesfälle verantwortlich und für weniger als 20 % der Todesfälle infolge von Infektionskrankheiten.77Angesichts dieser Verhältniszahlen könnte man fragen: Müsste die Regierung nicht fünfmal mehr über Herz-Kreislauf-Erkrankungen reden und 3,5mal so viel über Krebs (oder in anderen Ländern den Tod nach der Geburt) sowie entsprechend mehr gegen diese Gesundheitsgefahren unter-nehmen als gegen Covid-19? Wenn der Grund, warum gegen Covid-19 mehr unternommen wird als gegen Grippe, der ist, dass Covid-19 zumindest 1,5mal tödlicher ist, müsste dann nicht entsprechend noch viel mehr gegen diese viel tödlicheren Gefahren unternommen werden?

Covid-19 betrifft vor allem Menschen, die bereits die durchschnittliche Lebenserwartung erreicht haben und – rein statistisch gesehen – täglich an Altersschwäche sterben könnten. Verkehrsunfälle treffen dagegen junge Menschen, die noch das ganze Leben vor sich haben, relativ am härtesten: Bei den 5- bis 29-Jährigen sind Verkehrsunfälle weltweit Todesursache Nummer eins! Insgesamt sterben jedes Jahr 1,35 Millionen Menschen bei Verkehrsunfällen (Covid-19 2020: 1,8 Millionen). Dazu kommen 50 Millionen Verletzte, oft mit dauerhaften Beeinträchtigungen für die Gesundheit wie Krücken, Prothesen oder Rollstuhl – „Langzeitfolgen“. Warum wird hier konsequent auf Eigenverantwortung gesetzt, statt die Gesundheit der Betroffenen mit Zwangsmaßnahmen zu schützen? Die Kosten für die Bergung, Behandlung und Genesung der Verkehrsunfallopfer würden frei werden für mehr Intensivbetten zur Behandlung weniger vermeidbarer Krankheiten. Warum liefern uns die Regierungen nicht täglich die Zahlen der Erkrankten, Verletzten, Hospitalisierten, Verstümmelten und Verstorbenen in diesen Bereichen? Warum machen die Regierungen uns hier im Verhältnis so gut wie keine Angst, wieso lösen sie weder „Urangst“ noch Schuldgefühle aus, wieso erlauben sie stattdessen massenhaft Autowerbung? Und vor allem: Wieso ergreifen sie keine vergleichbaren Maßnahmen? Und wieso ist diese radikale Unverhältnismäßigkeit nicht Gegenstand breiter medialer Diskussionen?

Die tägliche Medienrealität besteht dem gegenüber bekanntlich darin, uns nach wie vor mit 7-Tage-Inzidenzwerten zu malträtieren, die jedoch ohne zusätzlich herangezogene Hospitalisierungsrate, Angaben zum Umfang vorgenommener Testungen sowie der Impfquote (die immerhin dann doch hin und wieder Erwähnung findet) kaum aussagekräftig sind. Auch zur (Un-)Gefährlichkeit der aktuell viel diskutierten Delta-Variante existieren offenbar bislang wenig valide Fakten, was die Journaille natürlich nicht daran hindert, die ohnehin noch immer weitgehend im Panik-Modus verharrende Politik vor sich her zu treiben. Oder in den Worten von Marcus B. Klöckner in seinem Buch „Sabotierte Wirklichkeit. oder: Wenn Journalismus zur Glaubenslehre wird“ (bereits vor Covid-19 verfasst):

„Die Schäden an unserem demokratischen System, die durch Medien verursacht werden, die weitestgehend ihrer Wächterfunktion nicht mehr nachkommen, sind bereits gewaltig.“ (S. 16)

Back to Burka – Über das Versagen des Westens in Afghanistan

Juni 27, 2021

Es ist ein nahezu lautloser Rückzug: Erst wird im Juli dieses Jahres die Bundeswehr, dann im September auch die US-Armee ihre dann zwanzigjährige Afganistan-Mission beendet haben. Eine Mission, die unmittelbar nach der US-Intervention im Herbst 2001 im Land am Hindukusch einsetzte, nachdem sich herausgestellt hatte, dass ein gewisser Osama Bin Laden dort Unterschlupf gefunden hatte – der Mann, der maßgeblich zum Einsturz der Twin Towers von New York beigetragen hatte!

Umso begrüßenswerter, dass diese bittere Niederlage des Westens wenigstens hier und da gewürdigt wird, so wie im aktuellen Feuilleton der ZEIT. Jens Jessen schreibt dazu den Umständen entsprechend resigniert:

Ein paar Schulen und Krankenhäuser entstanden – und wurden größtenteils wieder zerstört. Ein paar Jahre mussten die Gotteskrieger Zuflucht in den Bergen suchen – und erobern jetzt Provinz für Provinz zurück. Ein paar Mädchen und Frauen gelangten zu BIldung und Bewegungsfreiheit – inzwischen droht ihnen wieder die Burka, wenn nicht jene Bedingungen, die man nur Hausarrest nennen kann.

Man sollte meinen, das wäre eine Trauerstunde wert, einen öffentlichen Moment der Verzweiflung und eingestandenen Hilflosigkeit. Wenn noch ein Hauch von moralischem Ernst des ursprünglichen Engagements empfunden würde, wäre sogar ein Eingeständnis von Schuld fällig – der Schuld gegenüber den Afghanen, die man für die demokratische Sache gewinnen konnte und jetzt im Stich lässt. […]

Dass die USA und ihre Verbündeten ein Land, das sie zur freiheitlichen Demokratie formen wollten, nun dem totalitären Islam in den Rachen werfen, gegen den sie so lange gekämpft haben, werden sich jedenfalls alle Feinde der Freiheit auf der Welt genau merken.

Die Feinde der Aufklärung im Westen haben es sich schon gemerkt. Es gibt eine gespenstische Kongruenz zwischen dem Afghanistan-Debakel und dem Wiederaufkommen eines zynischen Kulturrelativismus. Der Westen, so sagen die neuen Relativisten, dürfe seine Begriffe von Vernunft und Recht, auch Menschenrechten nicht für universal halten, sie schon gar nicht anderen Völkern und Kulturen aufzwingen; das sei Kolonialismus. […]

Interessanterweise sagen sie nicht: Was der weißen Frau unerträglich erscheint, ihre Entrechtung und Unterordnung unter den Mann, ist für die Frauen orientalischer oder anderer Kulturen keineswegs unerträglich. Sie sagen auch nicht: Stockhiebe und das Abhacken von Gliedmaßen sind vielleicht in europäischen Augen falsch, aber in arabischen oder iranischen richtig. Sie bleiben im Vagen des Respekts vor dem anderen, einer verstehenden Toleranz gegenüber „diversen“ Kulturen.

Jessen hat zweifelsohne recht: Mit „moralischem Ernst“ hatten es viele gerade hochrangige Politiker des Westens bekanntlich noch nie. Man denke an des ehemaligen US-Verteidigungsministers Rumsfeld „geflügelte Worte“: „Wir wussten, dass Saddam ein Schurke war, aber er war unser Schurke.“ Man denke an Gerhard Schröders Rangewanze an den „lupenreinen Demokraten“ Putin und und und…

Und bekanntlich hält diese Herr- und Damschaften auch die nicht von der Hand zu weisende Zunahme von (versuchten oder gelungenen) Attentaten wie jüngst mutmaßlich in Würzburg durch Brüder im Geiste von Taliban, „Islamischem Staat“ und Boko Haram nicht davon ab, außer den üblichen Betroffenheitsfloskeln und Warnungen vor „rechter Instrumentalisierung“ solcher Barbareien ein echtes Umdenken und -handeln einzuleiten. Ein Umdenken, das nicht erst bei gewaltbereiten Djihadisten ansetzt, sondern bereits den Nährboden (zu RAF-Zeiten auch „Sympathisantensumpf“ geheißen) solch freiheitsfeindlicher Umtriebe abzugraben – sprich: die reaktionären Islamverbände nicht länger mit Samthandschuhen anzufassen. Doch auch unter einem Kanzler Laschet und erst recht einer Kanzlerin Baerbock ist mit keiner Kursänderung auf der „Titanic Deutschland“ zu rechnen. Von Aufklärungsfeinden regiert zu werden, macht einfach nur sprachlos!

„Mit sehenden Augen sehen sie nicht“ – vom zwanghaften Relativieren des muslimischen Antisemitismusproblems

Mai 29, 2021

Es hätte ein aufklärender Fernsehbeitrag werden können: ca. sechs Minuten Sendezeit am zurückliegenden Donnerstag (27.05.) gegen 22.20 Uhr in der ARD.

Die erschreckenden, wenngleich vorhersehbaren Bilder eskalierender Demonstrationen überwiegend junger Menschen, zahlreiche Palästina- und Türkeiflaggen schwenkend, anlässlich des erneuten Schlagabtauschs zwischen islamfaschistischer Hamas und ihren wahllos abgefeuerten Raketensalven auf israelische Siedlungsgebiete und den israelischen Gegenschlägen auf Gaza lagen erst wenige Tage zurück. Von daher hätte in eben jenen sechs Minuten Sendezeit, die das Politikmagazin „Monitor“ (WDR) dem Thema widmete, den Zuschauern einiges über die psychologische Motivation der „Scheiß Juden!“-skandierenden Menschen, die Anmelder ihrer Demonstration und deren mögliche Verwicklung ins Erdogan-/Muslimbrüder-Milieu mitgeteilt werden können. Doch all die suchte man an diesem Fernsehabend im Ersten Deutschen Fernsehen – wieder einmal – vergebens. Stattdessen vollzog Moderator Georg Restle in unnachahmlicher Manier bereits nach wenigen Sekunden Anmoderation einen argumentativen Schwenk zu seinem Leib- und Magenthema: der „Alternative für Deutschland“ (AfD) und ihrer „rechten Kampagne vom importierten Antisemitismus“.

Nun liegt es mir freilich fern, diese Partei in Schutz nehmen zu wollen. Eine Partei, die immerhin mit Alexander Gauland über einen Ehrenvorsitzenden verfügt, der „Stolz auf die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen“ bekundete und die NS-Diktatur als „Vogelschiss der Geschichte“ meinte verharmlosen zu müssen. Von den Ausfällen des Rechtauslegers Björn Höcke über das Holocaust-Mahnmal in Berlin ganz zu schweigen. All das ist hinlänglich bekannt und in gefühlten 500 ARD- oder ZDF-Dokumentationen und einer wahren Flut an Medienartikeln aufgezeigt worden.

An diesem Abend wäre nun aber endlich einmal die passende Gelegenheit gewesen, sich des Antisemitismus von muslimischer Seite anzunehmen. Schließlich warnen Experten aus Islamwissenschaft, Politologie und Ethnologie wie die Frankfurter Professorin Susanne Schröter schon seit langen Jahren davor, das Problem kleinzureden: „Muslimischer Antisemitismus: die tabuisierte Gefahr“ ist nicht umsonst ein ganzes Kapitel ihres aktuellen Buches „Politischer Islam: Stresstest für Deutschland“ überschrieben. Um darin konkret zu werden:

Bereits die Studie „Muslime in Deutschland“, die im Bundesinnenministerium in Auftrag gegeben und 2007 veröffentlicht wurde, zeigte, dass Muslime in besonderem Maß durch antisemitische Einstellungen auffallen. Der Grad des Antisemitismus variierte dabei nach Stärke der Religiosität bzw. nach der Art des Islamverständnisses. 49,6 Prozent aller Fundamentalisten, 42,8 Prozent aller Konservativen und 29,5 Prozent aller Orthodox-Religiösen, aber nur 13,6 Prozent aller gering Religiösen fielen durch antisemitische Vorurteile auf. (S. 288)

Das Problem ist also mitnichten neu, auch nicht erst seit der Aufnahme von ca. einer Million überwiegend muslimischer Migranten 2015 virulent, sondern besteht in Form von „Altlasten“, d.h. Nachkommen migrantischer „Gastarbeiter“ früherer Jahrzehnte schon eine ganze Weile. Wenn man denn von politischer und medialer Seite den Willen aufgebracht hätte, genau hinzusehen.

Doch offensichtlich ist der Grad ideologischer Verblendung (nicht nur) der „Monitor“-Redaktion (und deren Vorgesetzten?) und die Angst vor dem berüchtigten „Beifall von der falschen Seite“ derart groß, dass man sich einmal mehr dem eigenen Lieblingsfeindbild widmen musste.

Im Übrigen ist auch die Polizeiliche Kriminalstatistik wenig aussagekräftig, sofern dort immer wieder von ca. 90 % antisemitischer Straftaten die Rede ist, die dem rechtsradikalen Spektrum zuzuschreiben seien. Fallen doch sämtliche taten ohne konkrete Ermittlung der Taturheberschaft automatisch in diese Kategorie – keine „rechte“ Verschwörungsfantasie, sondern z.B. belegt bei Ronen Steinke („Terror gegen Juden“, S. 95).

Apropos „rechte Verschwörung“: Es ist Alexander Kissler von der „Neuen Zürcher Zeitung“ absolut zuzustimmen, wenn er Restles scheuklappenbewehrtem Haltungsjournalismus entgegenhält:

Warum gelingt es einem Format, das «immer meinungsfreudig, nie ideologisch» sein will, nicht, sich dem muslimischen Antisemitismus zu widmen, ohne ihn aus ideologischen Gründen zu verharmlosen? Natürlich gibt es am «rechten Rand» jede Menge Antisemitismus, bis hin zu Attentaten und Attentatsplänen, natürlich gibt es antisemitische Äusserungen aus den Reihen der AfD. Niemand, der bei Sinnen ist, bestreitet dies.

Das Thema dieser Tage aber ist jener Antisemitismus, der sich unter palästinensischen und türkischen Flaggen versammelt. Die jüngsten Explosionen des Judenhasses in Deutschland tragen weder Schwarz-Rot-Gold noch Schwarz-Weiss-Rot. Das ist ein Faktum, keine «rechte Kampagne».

#allesdicht im Hirn der Hysterie-Weltmeisternden? Anmerkungen zu einer Künstleraktion und ihrem medialen Nachbeben

April 30, 2021

Man kann sich wirklich nur noch an den Kopf greifen: Zum einen, wie zuverlässig der Hysterie-Mob mit seiner – vorgeblich nicht existenten – Cancel Culture medial strammsteht, nachdem eine Handvoll Schauspieler/-innen ihrem Unmut über die regierungsamtlichen Dauer-Lockdown-Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie Luft gemacht hat.

Zum anderen aber auch über viele Beteiligte an dieser Aktion selbst, dass sie offenbar von der Heftigkeit des Mega-Shitstorms, der sofort über sie hereinbrach, erstaunt sein konnten und ihre Beiträge zurückgezogen haben.

Nun habe ich mir bei Weitem nicht alle Kurzvideos der Aktion #allesdichtmachen angesehen, wenn es hoch kommt waren es 15 an der Zahl. Und bei dem einen oder anderen Clip muss ich zugeben, dass in mir schon die Frage aufkam: Woran übt die da gerade Kritik? Etwa tatsächlich an der generellen Sinnhaftigkeit von Mund-Nasen-Masken?

Jedoch – und hier beziehe ich mich auf die Kritik am gewissermaßen als „Aushängeschild“ der Aktion wahrgenommenen Beitrag von „Tatort“-Akteur Jan Josef Liefers – kann ich wirklich nicht nachvollziehen, wie man die Vorwürfe erheben kann, a) die Corona-Opfer und/oder deren Angehörige, Ärztinnen und Pfleger zu verhöhnen sowie b) mental der „Querdenken“-Bewegung/AfD/Pegida und deren Umfeld nahezustehen.

Schließlich macht Liefers sich bei aller Ironie seines Statements in keiner Weise über die extrem belastende und gesellschaftlich hoch bedeutsame Arbeit der Intensivstations-Teams lustig – warum sollte er auch, muss er doch in seinem nicht mehr ganz so taufrischen Alter immerhin damit rechnen, bei unzureichendem Virenschutz schneller dort zu landen, als er „Professor Doktor Karl-Friedrich Boerne“ sagen kann!

Vor allem aber scheint in den Hirnen vieler Kritiker noch immer der unfassbar dumme gedankliche Kurzschluss herumzuspuken, dass jedwede Kritik am medialen Umgang mit dieser Pandemie gleichzusetzen sei mit den stumpfen „Lügenpresse“-Rufern von Dresden und anderswo. Als wenn es keine durchaus sachlich begründete Medienkritik gäbe (übrigens auffällig häufig in Form von Werken aus dem politisch nicht gerade für seine „rechten“ Umtriebe bekannten Frankfurter Westend-Verlag). Wer sich ein wenig in die Thematik der Skandalisierung durch Medien eingelesen hat, der erkennt diese Muster in der Corona-Berichterstattung schnell wieder: zügige Herausbildung eines dominanten Narrativs (undifferenzierte Suggestion genereller Gefährlichkeit des Virus), damit einhergehende Ausgrenzung abweichender Positionen (ob sachlich begründet oder eher nicht), die immer gleichen „Experten“-Meinungen (der obligatorische Prof. Leiserfluss!), Fokussierung auf extreme Einzelschicksale (Long Covid etc.) statt Einordnung in den Gesamtkontext (schwere Grippewelle von 2018) etc.

Den Vogel des zensurgeilen Autoritarismus schließlich schoss Ex-NRW-Minister Garrelt Duin (SPD) mit seiner Forderung nach Entfernung der querulatorischen Subjekte von ihren filmischen Engagements ab – auch wenn er diese unfassbare Entgleisung später wieder zurücknehmen sollte, erinnert dies Henryk M. Broder sicher nicht ganz zu Unrecht an die „Reichsschrifttumskammer“).

Und als wenn die hässliche Fratze freiheitsfeindlicher Maskerade noch nicht genug vom scheindemokratischen Konterfei gerissen worden wäre, erdreistet sich die Videoplattform Youtube auch noch mit der digitalen Ausblendung der #allesdichtmachen-Clips – immerhin wird dies laut Anwalt Joachim Steinhöfel ein juristisches Nachspiel zeitigen!

Wer nun immer noch nicht genug haben sollte von all der autoritätshörigen Bagage im Gewand von „Toleranz, Buntheit und Diversität“ und weiß der Kuckuck sonstiger sprachlicher Plattheiten, dem sei das aktuelle Buch von Kolja Zydatiss ans Herz gelegt: „Cancel Culture. Demokratie in Gefahr“.

Die Leserin kommt hier aus dem Staunen – oder besser: Schaudern! – nicht mehr heraus, für welch unfassbar (sorry, schon zum dritten Mal!) banale Meinungskundgaben Menschen im englischsprachigen Raum (aber auch zunehmend hierzulande) mundtot gemacht, ins soziale Abseits gedrängt wurden oder ihres Arbeitplatzes verlustig gingen.

Sollte diese wirklich Gänsehaut erzeugende Stimmungsmache einer kleinen, aber umso lautstärkeren aktivistischen Mehrheit weiter Fahrt auf nehmen, dann – um es mit einer der Protagonisten dies Entwicklung zu sagen – „ist dies nicht mehr mein Land“…

„Nur an Muttis strenger Hand auf ins virenfreie Land!“ Wie die Kanzlerin mithilfe einfacher Rhetorik ihren Teil zur Infantilisierung der Gesellschaft beiträgt

März 30, 2021

Aktuell analysiere ich mit den Schülern meines Deutsch-Leistungskurses (Jahrgangsstufe 12) gerade eine politische Rede. Begriffe wie Fahnen- und Stigmawörter, Argumenttypen, Dramatisierung und diverse sprachliche Mittel schwirren durch den Klassenraum.

Doch wenn ich mir nur den Schluss von Merkels Regierungserklärung vom 25. März zu Gemüte führe, denke ich: Da fehlt doch was! Dazu gleich mehr. Hier erst einmal die relevante Redepassage der Kanzlerin:

„Es gibt Millionen Menschen, die sich jeden Tag gegen diese Pandemie stemmen und ihre Arbeit leisten. Und zwar mit großem Einsatz: Das sind die Pflegerinnen, das sind die Ärzte, das sind die Lehrer, das sind die Eltern. Das sind die Ehrenamtlichen und das sind die Menschen in den Test- und Impfzentren. Viele sind beruflich neue Wege gegangen, mit schweren Veränderungen in ihrem Leben. Ich weiß, wie schwer es viele haben. Aber […] man kann auch nichts erreichen, wenn man immer nur das Negative sieht. Nicht umsonst hat Ludwig Erhard schon gesagt: ‚Es ist entscheidend, ob das Glas halb voll oder halb leer ist.‘ Und wenn es immer nur halb leer ist, dann werden wir auch keine kreative Kraft als Land entwickeln, um aus dieser Krise herauszukommen. Und ich sagen Ihnen, mit dem Impfen haben wir Möglichkeiten in der Hand und es wir noch einige Monate dauern. Aber das Licht am Ende des Tunnels ist sichtbar. (Und) Wir werden dieses Virus besiegen, und deshalb bin ich ganz sicher, dass wir das schaffen werden. Und deshalb geht es jetzt darum, die Kraft zu bündeln und positiv nach vorne zu schauen, auch wenn die Situation im Augenblick schwierig ist. Das ist das, was ich mir wünsche, von jedem und jeder in diesem Land.“

Merken Sie es auch? Angefangen bei der Wahl der Verben: „sind… sind… sind… sind“ etc., ein wiederholt vereinnahmendes „Wir“ (zwecks Erzeugung eines Gemeinschaftsgefühls), Floskeln („Licht am Ende des Tunnels“, ihr berühmtes „Wir schaffen das“ (Durchhalteparole) reloaded, der Appell (das sprichwörtliche Glas gefälligst als halb voll anzusehen, „positiv nach vorne [zu] schauen“).

Einmal ganz abgesehen davon, dass Merkel (zumindest im zitierten Ausschnitt) mit keiner Silbe das Kind klar beim Namen nennt, geschweige denn eigene eklatante Versäumnisse zugibt (autoritäres An-sich-Ziehen der Pandemiebewältigung per Bund-Länder-Konferenzen, desaströses Test- und Impfmanagement, ungeschickte Medienkommunikation).

Stattdessen erfolgt der Rückgriff auf „Opa Erhard“ (der mit dem Wirtschaftswunder), während sie durch permanenten Dauerlockdown eher Henry Morgenthau nachzueifern scheint (der mit der Vision von (Nachkriegs-)Deutschland als Agrarstaat ohne jede Industrie und höhere Technik) und die unverhohlene Drohung, die bösen Meckerheinis im Land – und nicht etwa maßgebliche Fehlentscheidungen diverser Kabinettsmitglieder – seien für die Abwesenheit kreativer Maßnahmen der Pandemiebekämpfung verantwortlich.

Kurzum: eine Grusel-Rhetorik, die jedoch im Gewande bemutternder Kindersprache daher kommt.

Oder wie es der politische Redakteur und langjährige CICERO-Autor Alexander Kissler in seinem Werk „Die infantile Gesellschaft. Wege aus der selbstverschuldeten Unreife“ ausdrückt (Es geht um eine Merkel-Rede vom 09.11.2019):

„Zählen wir kurz nach. Ist, ist, sind, ist, ist, haben: Kaum möglich dürfte es sein, mit weniger Verben ganz Abschnitte zu gestalten. Hier soll niemand überfordert werden. Hier wird niemand gefordert. Hier werden alle an die begriffliche Kandare genommen. Der Zweifel ist der Feind solch eindimensionaler Rede. […]

Die Sprache der Kanzlerin ist gekennzeichnet durch Armut im Ausdruck, durch wenige Verben, die ständig wiederholt werden, und durch eine große Vorliebe für Hilfsverben. Der Verzicht auf Differenzierung im Ausdruck wird erkauft durch undifferenzierte Argumentation. Wird die Sprache derart leichtgenommen, dass nur noch „ist“ und „haben“ und „Dinge“-Sätze aneinandergereiht werden, ist jeder Sachverhalt gleich wichtig und also relativ unwichtig. Es gibt dann ein logisches Nebeneinander, kein Davor, kein Danach, kein Zuerst und kein Zunächst. Kein Sinngefälle. Alles ist. Die einzelnen Behauptungen markieren Banalitäten, die ungewichtet aneinandergefügt werden. Die Welt: ein Schaufenster für Kinder.“ (S. 145f.)

Ein Phänomen, das sich nahtlos einfügt in zahlreiche weitere Aspekte der Infantilisierung der Gesellschaft. Kissler liefert reichlich Anschauungmaterial: Studenten (pardon: Studierende), die sich an ihren Unis durch „Trigger warnings“ vor unbequemen Gedankengängen in Sicherheit gebracht wissen möchten; Politiker, die ihre Wähler/-innen ungefragt duzen und sich im Verein mit Kirchenvertretern und Medienschaffenden von jugendlichen Aktivisten wie Schulknaben vorführen lassen („Fridays for future“ / Klimawandel als Religionsersatz) und einem schwedischen Teenager (Greta Thunberg) nach dem Munde reden, der offenbar eine stark eingeengte Weltsicht besitzt, die nur schwarz und weiß kennt. Und so weiter und so fort…

Und generell das Schwarz-Weiß-Denken: ein Blick auf das aktuelle Demonstrationsgeschehen („Querdenker“ in Kassel und anderswo) zeigt zu Genüge: Wenn irgendwo eine pointierte Meinung vertreten wird, bildet sich augenblicklich eine Gegenbewegung, die das genaue Gegenteil vertritt und alle Andersdenkenden (oder große Teile davon) pauschal als „rechts“ (was auch immer das sein soll) diffamiert – egal, ob tatsächliche völkisch-nationale Positionen vertreten werden oder nicht.

Berechtigte Kritikpunkte EINIGER „Querdenker“ hinsichtlich des Pandemiemanagements geraten so gar nicht erst in den Blick; die eindimensionale Weltsicht (des erwachsenen Kindes) ist gerettet!

Das Kritik-Paradoxon oder: Die Selbstzerfleischung der Demokratie im Geist von ’68

Februar 28, 2021

Wenn ich als mittlerweile etablierter Lehrer in der Rückschau auf diejenigen „Pauker“ zurückblicke, die mich in meiner eigenen Schulzeit am meisten geprägt haben, so muss ich feststellen:

Es waren tatsächlich vor allem diejenigen, die uns Halbwüchsigen einen kritischen Blick auf die Gesellschaft der Gegenwart vermitteln wollten. Und in einigen Fällen muss ich heute sagen: einen überkritischen. Da war der Deutsch-, Geschichts- und Gemeinschaftskundelehrer in der Mittelstufe (Ende der 1980er-Jahre) mit Birkenstocklatschen und üppigem Gesichtsgestrüpp (daher von vielen Mitschülern liebevoll „Bartman“ genannt), auch dessen Texte mich zu einem Menschen haben werden lassen, der Autoritäten skeptisch begegnet (was mir bei meinem späteren Sektenausstieg sehr geholfen hat). Da war der Französischlehrer, der mit uns über die damaligen Abrüstungsverhandlungen zwischen Amerikanern und Sowjets gesprochen hat und – angeblich – in seiner Freizeit kommunistisches Progagandamaterial verteilte. Später dann zu Beginn meiner Oberstufenzeit der Mathelehrer mit Rauschebart und „Kein Blut für Öl“-Button am Hemd, der uns sensibel machte für die „wahren Interessen“ der US-Politik im Irak. Diese drei – und noch weitere – Beispiele seien stellvertretend genannt für eine Lehrergeneration, die selbst aktiv oder passiv die Studentenproteste von ’68 fortfolgende erlebt hat und ihre eigene Politisierung in vielen Fällen bewusst an die eigenen Schüler weitergegeben hat. Nun spricht selbstverständlich zunächst einmal nichts dagegen, Schüler im Geiste eines mündig-kritischen Denkens zu erziehen. Ganz im Gegenteil: Stellen kritisch denkende Bürger doch gewissermaßen den Humus dar, auf dem das zarte Pflänzchen der Demokratie im Idealfall wächst und gedeiht. Was aber, wenn diese Art der Kritik dazu führt, zukünftige Generationen nicht nur auf die Schwächen des demokratischen Systems aufmerksam zu machen, sondern dieses System selbst als DIE Schwäche schlechthin zu brandmarken? Oder mit den Worten des damaligen AStA-Vorsitzenden der Uni Bremen während der Frühphase meiner Studentenzeit Ende der 1990er-Jahre: „Der Kapitalismus hat kein Problem, er IST das Problem!“

Könnte es nicht sein, dass dieses unaufhörliche Bombardement aus Antikapitalismus, Ökologismus und Politikerschelte Menschen in großem Umfang dazu getrieben hat, irgendwann NIEMANDEM mehr zu vertrauen? Nicht nur eine gesunde Skepsis gegenüber Politiker X, Wissenschaftler Y oder Wirtschaftskapitän Z, sondern gleich SÄMTLICHEN Institutionen, die auch nur in Verdacht stehen, unsere freiheitlich-demokratische Marktwirtschaft zu repräsentieren?

Auf diesen Gedanken bin ich bei der kürzlich erfolgten Lektüre des Buches „Zerfall der Demokratie. Wie der Populismus den Rechtsstaat bedroht“ aus der Feder des Politologen Yascha Mounk gestoßen. Dieser schreibt dazu:

„In ihren Klassenzimmern ging es vielen Lehrern nicht nur darum, Mathematik zu unterrichten oder germanistisches Grundwissen zu vermitteln. Vielmehr war ihr Ziel letztlich die Erziehung mündiger Bürger, die jeglichen faschistischen Tendenzen mutigen Widerstand leisten würden. Um diese hehre Aufgabe zu erfüllen, verfolgten sie dabei eine Pädagogik, die stets auf die vermeintlichen Lektionen der Geschichte schielte. War der Nationalsozialismus nur möglich gewesen, weil ein autoritäres Bildungswesen Kinder zum gedankenlosen Gehorsam gegenüber Eltern, Politikern, Institutionen und Vorgesetzten erzogen hatte, so musste nun der Umkehrschluss gelten: Die Demokratie können nur gedeihen, wenn ein antiautoritäres Bildungswesen Kinder dazu erziehe, Eltern, Politiker, Institutionen und Vorgesetzte ständig kritisch zu hinterfragen.

Der politische Imperativ des steten Hinterfragens hielt alsbald auch Einzug an den Universitäten. Auch in Deutschland gilt es in vielen geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern mittlerweile als suspekt, die Welt ‚positivistisch‘ – also so, wie sie zu sein scheint – aufzufassen. Stattdessen müssten Fakten hinterfragt, Begriffe dekonstruiert und Grundwerte problematisiert werden. Denn wer in der Oberstufe gelernt hat, unsere Gesellschaft als heuchlerisch zu entlarven, der wird irgendwann groß und stark genug sein, unsere gesamte westliche Demokratie als inhärent kolonialistisch zu entblößen.

In gewisser Hinsicht war die antiautoritäre Erziehung – und die postmoderne Lehre – außerordentlich erfolgreich: In Deutschland gibt es heutzutage kaum mehr eine Idee oder Institution, die nicht ununterbrochen hinterfragt werden würde. Eltern und Lehrer, Zeitungen und Parlamente, Schriftsteller und Wissenschaftler – sie alle treffen auf eine tiefe Skepsis, die recht häufig in lautstarker Ablehnung aufgeht. Der Wutbürger speist einen großen Teil seiner Wut aus der steten Überzeugung, von Machthabern und Medienmachern belogen und betrogen zu werden.

Nur das eigentliche Ziel, die Stärkung freiheitlicher Institutionen, hat die antiautoritäre Erziehung nie erreicht. Denn eine gut funktionierende Demokratie braucht überzeugte Demokraten, die das System zwar kritisch begleiten, ihm aber auch ein gewisses Maß an Grundvertrauen entgegenbringen. Wenn eine Großzahl an Bürgern alles hinterfragt und schließlich nichts und niemandem mehr traut, haben die Extremisten freie Bahn.“ (S. 295ff.)

Erklären sich so also sowohl antiliberale Tendenzen innerhalb des politisch eher linken Spektrums wie überzogene Umweltauflagen, als auch Haltungen, die teilweise auf beiden Seiten der politischen Skala anschlussfähig erscheinen wie radikale Impfgegnerschaft und Widerstand gegen „Big Pharma“?

Die ehemalige Homöopathin Natalie Grams schreibt hierzu:

„Nun leben Mythen allerdings eben nicht von Fakten und realistischen Vorstellungen. Und Menschen, die Mythen oder gar Lügen verbreiten, interessieren sich selten für Aufklärung. Was bleibt, ist die finstere Idee, dass ‚die da oben‘ oder ‚Big Pharma‘ uns vergiften, manipulieren, fremdsteuern, schädliche Dinge einpflanzen, krank machen – kurz, uns schaden wollen. Woher kommen solche Gerüchte? Wie so oft spielen Unsicherheiten in einer überfordernden komplexen Situation eine große Rolle – wie sie die Pandemie selbst oder der durchaus komplizierte Prozess der Impfstoffentwicklung eben liefern. Sie docken bei einigen an übertrieben große Ängste vor Nebenwirkungen und Impfschäden an – und führen bei manchen dazu, die Existenz von Viren gleich ganz zu leugnen. Wieder andere verstehen schlicht den Sinn von Impfungen nicht. Das macht es leichter, sich beim Thema mRNA-Impfstoffe der allgemeinen Vorbehalte ‚gegen Gentechnik‘ zu bedienen, die auf eine vorhandene Impfskepsis einfach draufgesattelt werden. Sachliche Hintergründe? Fehlanzeige. Wer keinen Zugang mehr zu fundierten Argumenten findet, der wird eher – durchaus aus einer übermächtigen persönlichen Not und Sorge heraus – nach Sündenböcken suchen und überall dunkle Machenschaften wittern. Natürlich auch bei der Pharmaindustrie. Pharmaunternehmen verdienen Geld mit Impfstoffen, sie verfolgen unbestritten wirtschaftliche Interessen. Allein darin liegt grundsätzlich aber nichts Verwerfliches. Schließlich ist die Erforschung und Herstellung von Impfstoffen – wie wir gerade alle live sehen können – ein aufwändiger, arbeitsintensiver, langwieriger und von vielen Auflagen und einem strengen Zulassungsverfahren begleiteter Prozess, der enorm viel Geld kostet und gerade jetzt ein großes Betriebsrisiko ist. Es gibt übrigens andere Felder, die für Medikamentenhersteller finanziell wesentlich lukrativer sind als die Impfstoffforschung: die Entwicklung von Cholesterinsenkern zum Beispiel oder von Medikamenten gegen Arthritis. Krass gesagt eben von den Mitteln, die ‚Big Pharma‘ an eine zahlungskräftige Käuferschicht loswerden könnte, würde man auf Impfungen verzichten und ließe Infektionskrankheiten einfach ihren Lauf.“

Ja, es gibt unbestreitbar schwarze Schafe innerhalb der Industrie. In den USA haben skrupellose Firmen erheblich dazu beigetragen, viele Amerikaner in die Schmerzmittel-Abhängigkeit zu treiben. Im Bereich der Pflanzengentechnik hat der Saatgutgigant Monsanto nicht gerade dazu beigetragen, der Branche zu einem seriösen Image zu verhelfen. Dass diese Vorkommnisse allerdings bei nicht wenigen Menschen den Eindruck hinterlassen haben: „Alles Verbrecher! Enteignet sie!“ kann nur als fataler Fehlschluss einer überzogen-kritischen Haltung im Geist von ’68 begriffen werden. Die Revolution frisst gewissermaßen das System, das sie durch den freiheitlichen Charakter ihrer selbst erst ermöglicht hat. „Criticismo o muerte“ sollte ausgedient haben, ehe es dem demokratischen Rechtsstaat wirklich an die Substanz geht…

Dominanz der Dämonenjäger oder die Entzauberung des friedlichen Christentums-Siegs in der Antike

Januar 30, 2021

In einer Zeit, da maßgebliche Vertreter der (in der westlichen Welt) immer weiter zusammenschrumpfenden christlichen Religion gerne den Eindruck vermitteln, der eigene Glaubensrennstall sei doch eigentlich von Natur aus auf „Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung“ aus gewesen, ist ein Buch wie „Heiliger Zorn. Wie die frühen Christen die Antike zerstörten“ der britischen Historikerin Catherine Nixey sicher geeignet, diesen lange gehegten Mythos gründlich zu erschüttern.

Da mag die katholische „Tagespost“ noch 2018 in typisch-apologetischer Manier in ihrer Rezension zu Claudia Kocks „Die Kaiser und das Christentum“ über die mannigfaltigen Attacken antiker christlicher Eiferer gegen das als „heidnisch“ gebrandmarkte Erbe der griechisch-römischen Zivilisation mit ihren großartigen Tempeln, Statuen und hochgebildeten Philosophen mit ihren Schriften hinwegsehen, wenn der Rezensent etwa schreibt, nach den Zeiten wiederkehrender Christenverfolgungen u.a. unter Decius und Diokletian „folgte dann freilich der unter Kaiser Konstantin einsetzende Triumph des Christentums, der 380 in seiner Erhebung zur Staatsreligion mündete“: kein Wort von der Intoleranz, der Gewalt und aggressiven Zerstörungswut, mit der zahlreiche eifernde Jesus-Nachfolger ab dem frühen 4. Jahrhundert meinten, die in den Zeugnissen paganer Kultur vermeintlich innewohnenden Dämonen vertreiben zu müssen.

Man kommt nach der Lektüre von Nixeys Werk freilich dazu, Analogien zum barbarischen Wüten der Taliban oder des „Islamischen Staats“ zu ziehen, die ja freilich auch wenig zimperlich etwa mit den buddhistischen Statuen von Bamiyan (Afghanistan) oder der antiken Baukunst Palmyras (Syrien) umzuspringen pflegten. Ganz abgesehen natürlich von den ungezählten Leichen, die ihren Weg säumten. Nixey nimmt auch in dieser Hinsicht kein Blatt vor den Mund, schildert in fesselnder Weise etwa die pogromartige Stimmung im Alexandria um das Jahr 400, welche in der Zerstörung des im gesamten Mittelmeerraums bewunderten Serapion-Tempels und der grausamen Ermordung der „heidnischen“ Mathematikerin Hypathia mündete – der der spanische Filmproduzent Alejandro Amenábar 2009 in „Agora – Die Säulen des Himmels“ ein gelungenes Denkmal gesetzt hat.

Ein Mord, der symptomatisch für die Verachtung alles Nichtchristlichen, allen freien Denkens vonseiten der ganz in schwarz gewandeten „Kampfmönche“ und anderer christlich-fundamentalistischer Spießgesellen gelten muss. Wie überhaupt das antike Mönchtum im glühendheißen ägyptischen Wüstensand wenig Gemeinsamkeiten mit dem Klischee vom weinkelternden oder bierbrauenden, wohlbeleibten und gutmütigen Pater des europäischen Mittelalters zu haben scheint. Auch hier gelingt es Nixey, die breite Palette asketischen Fanatismusses abzubilden: von Simeon Stylites, der jahrzehntelang auf einer Säule sitzend zugebracht haben soll, bis ihm die Füße platzten (!), über den vor Hunger und Erschöpfung ausgemergelten Schenute, der sich trotz körperlicher Schwäche mit einigen Mitbrüdern zu regelrechten Überfällen auf nichtchristliche Honoratioren im Stande sah.

Auch die biblische Grundlage all dieser Hassorgien wird von Nixey nicht verschwiegen, zitiert sie doch etwa aus dem 5. Buch Mose: „Ihr sollt ihre Altäre niederreißen, ihre Steinmale zerschlagen, ihre Kultpfähle verbrennen, die Bilder ihrer Götter umhauen, ihre Namen tilgen.“ Eine „göttliche“ Forderung, die zum Verlust von sage und schreibe ca. 99 % aller „heidnischen“ Literatur der Spätantike geführt hat! Und die spärlichen Überreste, die bis heute überliefert sind, finden sich zudem auch noch ganz überwiegend in den Schriften der Kirchenväter (Augustinus, Tertullian & Co.), also höchstwahrscheinlich vielfach nur in apologetisch verzerrter Form.

Eine eindrückliche Rezension mit ausgewählten Zitaten aus „Heiliger Zorn“ bietet Gerfried Pongratz mit seinem Beitrag für den Humanistischen Pressedienst.

Bleibt zu hoffen, dass Nixeys viel beachtetes Werk nicht nur von Religionsskeptikern, sondern auch von christlichen Gläubigen rezipiert wird und bei Letzteren zu einem realistischen Verhältnis zu den Wurzeln der eigenen Religion führen möge.

„Der Expert‘, der Expert‘, der hat immer recht…“?

Dezember 31, 2020

Es ist gar nicht einmal so lange her, dass ich mir – ich glaube, es war im Zusammenhang mit der grünen Dauerkampagne gegen die Pflanzengentechnik und ihre Erfolge bei den Regierenden – wieder einmal die Haare raufte und mir sehnlichst die Herrschaft von wirklichen Experten herbeisehnte, wie der gute alte Platon („Der Staat“) sie schon gefordert hatte und die dem Spuk der Ideologen ein Ende bereiten würde!

Nun, in diesen Zeiten, da wir mittlerweile seit ca. einem Dreivierteljahr mal mehr, mal weniger im Ausnahmezustand (sprich: einer der verschiedenen Abstufungen des sog. Corona-Lockdowns) leben, komme ich mehr und mehr zu der Erkenntnis, dass eine Expertenherrschaft keineswegs der Königsweg wäre…

Bereits vor drei Jahren veröffentlichte das Magazin „NovoArgumente“ auf seiner Website anlässlich des überraschenden Brexit-Votums der Briten den Artikel „Demokratie statt Expertenherrschaft“ von Mick Hume, in dem es heißt:

„In der Debatte um die Rolle von Experten wird ständig technisches Fachwissen mit politischem Urteilsvermögen verwechselt. […] Normalerweise gehen wir mit unserem kaputten Auto zu einem qualifizierten technischen Experten, dasselbe gilt, wie schon Platon wusste, für Schiffsbau oder bautechnische Projekte. Daraus folgt jedoch nicht, dass ein Automechaniker oder Maschinenbauingenieur vor einer politischen Wahl Experten für Wirtschaft oder Politikwissenschaften aufsuchen muss. Deren Fachwissen ist ohnehin viel fragwürdiger als jenes von technischen Experten. Selbst der Vater der Verhaltensökonomie Daniel Kahneman, dessen Forschung oft als Legitimation für antidemokratische Ideen dient, gibt zu, ‚dass Experten bei langfristigen politischen Vorhersagen keine höhere Trefferquote haben als ein würfelnder Affe‘.“

Und hinsichtlich der Entscheidung der Bundesregierung und aller Ministerpräsidenten zum zweiten harten Lockdown ab Mitte Dezember, der maßgeblich durch die Leopoldina („Deutsche Akademie der Naturforscher“) wissenschaftlich flankiert wurde, schreibt deren kritisches Mitglied Prof. Michael Esfeld:

„Wissenschaft dient der Aufklärung. Aber es kann auch sein, dass Aufklärung gegen Erkenntnisansprüche in der Wissenschaft und deren politischen Gebrauch geboten ist. Die Aufklärung hat seit dem 18. Jahrhundert zwei Gesichter. Das eine Gesicht ist die Befreiung des Menschen, ausgedrückt zum Beispiel in Immanuel Kants Definition der Aufklärung als ‚Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit‘. Das andere Gesicht ist der Szientismus mit der Idee, dass es ein naturwissenschaftliches Wissen gibt, das auch den Menschen und alle Aspekte unserer Existenz umfasst, und dass sich die Gesellschaft gemäß diesem Wissen planen und gestalten lässt.

Die Spannung zwischen diesen beiden Polen ist offensichtlich: Das Anliegen der von Kant vertretenen Richtung ist es, dass Personen ihre Freiheit gebrauchen, um ihre eigenen, überlegten Entscheidungen zu treffen. Das setzt voraus, dass es keine uns verfügbaren Erkenntnisse gibt – weder aus Naturwissenschaft noch aus Philosophie, Religion oder anderen Quellen –, welche die richtige Entscheidung so vorgeben oder gar erzwingen können, dass sie alternativlos erscheint. Der Szientismus zielt hingegen darauf ab, dass naturwissenschaftliches Wissen die angemessenen Entscheidungen sowohl auf der individuellen als auch auf der gesellschaftlichen Ebene vorgeben kann.

Letzteres ist das, was wir in der Corona-Krise erleben: Eine Allianz aus Wissenschaft und Politik erhebt den Anspruch, über Erkenntnisse zu verfügen, wie man die Gesellschaft und ihre Entwicklung in dieser Situation planen soll – Erkenntnisse, die es rechtfertigen, sich über die Freiheit der einzelnen Menschen hinwegzusetzen, in diesem Fall allerdings nicht, um ein angebliches gemeinschaftliches Gut zu erreichen, sondern um ein angeblich drohendes Übel abzuwenden.“

Dass die Bundes- und Landesregierung(en) und die ihnen nachgeordneten Institutionen bis hinunter zu den Mitarbeitern der einzelnen Gesundheitsämter immer genau die richtige Entscheidung treffen, gerade jetzt, wo wir doch täglich neue Horrorzahlen über „Neuinfektionen“ (korrekt: positiv auf Covid-19 Getestete) und im Zusammenhang mit dem Virus Verstorbene (freilich ohne den immens hohen Anteil von Alten- und Pflegeheimbewohnern daran zu erwähnen, deren Schutz anscheinend noch immer bisweilen recht stiefmütterlich betrieben wird) erfahren, kann wohl mit Fug und Recht zu den großen Mythen gezählt werden, die im obrigkeitstreuen Deutschland nur allzu gerne geglaubt werden. Oder in den Worten des Bildungsphilosophen Matthias Burchardt:

„Wir sind Insassen von Lebensmodellen und Vollzugsmodellen, die sich in den Jahren sedimentiert haben in unserem Denken, die wir erstmal einer Prüfung aussetzen müssen, damit das, wozu wir uns politisch bemüßigt fühlen, auch zu einem Ziel führt.“

Kay Ray gecancelt oder Muslimische Leberwürste in Endlosschleife

November 30, 2020

Wer nach der bestialischen Ermordung des französischen Politiklehrers Samuel Paty am 16. Oktober und den kurz darauf nicht minder pervers ermordeten Kirchenbesuchern in Nizza sowie Nachtschwärmern in Wien

gedacht haben sollte, nun werde es eeeeeeeeeeeeeeeeeendlich zu einem öffentlichen Umdenken im Umgang mit dem fundamentalistischen Islam auch und vor allem in links-grün orientierten Kreisen kommen, sieht sich mit dem jüngsten Fall politisch motivierter Cancel Culture jäh auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt:

Auch wenn die inkriminierten Gags des bisexuellen Comedians Kay Ray an Harmlosigkeit kaum zu übertreffen sind, sah sich das Schmidt Theater im ach so toleranzbesoffenen Hamburger Szeneviertel St. Pauli mit seinem Chef, der Kiezikone Corny Littmann, offenbar angesichts massiver Beschwerden muslimischer Mitarbeiter/innen nicht in der Lage, den Künstler zukünftig in den heiligen Hallen des schariakonformen Humors auftreten zu lassen. Laut Gerd Buurmann, Betreiber des Blogs Tapfer im Nirgendwo, äußerte sich Kay Ray wie folgt:

„Wir leben in einem Land, in dem Böhmermann beinahe in den Knast sollte und Helene Fischer mit Preisen überhäuft wird. Das gehört doch umgekehrt. Nein, eigentlich gehören beide in den Knast.

Gut, wie kann Herr Böhmermann auch schreiben, dass Erdogan eine Ziege fickt. Das geht natürlich nicht, vor allem nicht, wo wir genau wissen, dass alle Türken meine Mutter ficken. Was denn? Machen sie mal einen Türken wütend, dann sagt der: „Ich ficke Deine Mutter!“ Die große Frage lautet: Warum wollen die eigentlich alle meine Mutter ficken? Die ist noch gut in Schuss. Sie ist aber 84.

Nun ist meine Mutter ja meine Mutter. Ich bin wie sie. Deshalb hätte sie große Lust, sich von einer Horde Türken durchraspeln zu lassen. Sie hat aber keine Zeit. Sie sitzt auf dem Fernseher und guckt Sofa.

Ich hoffe, wir haben Muslime hier im Publikum. Das beweist: Ihr habt Humor und das ist mir eine große Freude. Bedenkt bitte: Wir dürfen in diesem Land über Euch, Euren Gott und Eure Religion lachen. Dafür bekommt Ihr auch unser Weihnachtsgeld.

Ich mache Witze über alle Religionen. Wie nennt man die Vagina eine Nonne? Christstollen!“

Ließen die von linker Seite zuletzt publizierten Stimmen eines Kevin Kühnert und Sascha Lobo noch einen zarten Silberstreif am Horizont erblicken und die politische Linke zurück auf den vor langer Zeit verlassenen Pfad der emanzipatorischen Religionskritik (hinsichtlich der Minderheitenreligion Islam) wähnen, so sehen sich diese Hoffnungen mit dem Littmann´schen Bückling vor den angeblich oder tatsächlich dauerbeleidigten Ultras des 1.FC Allah zerstäubt wie ein Kamelfurz in der Sahara…

Und noch etwas: Da die Unkultur der sog. Cancel Culture natürlich auch nicht durch den Appell der Herren Matuschek und Kaiser aus der Welt geschafft wurde, ist ein gelegentlicher Blick auf diese Website überaus erhellend. Der Opfer des miesepetrigen PC-Spießertums sind also offenbar noch lange nicht genug. In diesem Sinne ein dreifaches „Seid bereit – allzeit bereit!“ allen Gesinnungsblockwarten und -wartinnen dieser Republik!

Zitate gegen den Irrsinn in Politik und Medien

Oktober 30, 2020

Für diesen Blogeintrag habe ich mich entschieden, eine kleine Sammlung von Zitaten zusammenzustellen, die dem offenbar immer ungehemmteren Panikmodus in Politik und Medien etwas entgegensetzen.

Zur weiteren Vertiefung empfehle ich wärmstens das bereits im September-Beitrag erwähnte Buch „Die Panik-Macher“ von Walter Krämer und Gerald Mackenthun aus dem Jahr 2003. Auch wenn der Umgang mit einer Pandemie dort nicht behandelt wird, lassen sich auch an anderen Themenbereichen (insbesondere die zivile Nutzung der Atomenergie) frappierende Ähnlichkeiten zur aktuellen Corona-Panik erkennen.

Los geht es mit Karl-Heinz Paqué auf der Website des CICERO:

„Seit die Theater und Kinos wieder offen sind, wurde meines Wissens kein einziger Fall bekannt, in dem eine Infektion im Kino- oder Theaterraum stattfand. Kein Wunder, denn überall gab es Maskenpflicht und Mindestabstände, strikte Regeln für Ein- und Ausgang, um Frontalbegegnungen zu verhindern, die Pausen wurden gestrichen und die Bar blieb geschlossen. Die Zuschauer strömten vor Beginn der Vorstellung wie Schiffe auf See in die nur locker besetzten Kinos und Theater, und am Schluss glitten sie lautlos und isoliert hinaus. Die Schauspieler im Theater befolgten peinlich genau die Regeln, und die Zuschauer wohl auch. Die Vorstellung, dass in diesem Klima die menschliche Disziplinlosigkeit grassiert, ist absurd. Von einer leutseligen Atmosphäre, wie sie bei einer privaten Großfeier herrscht, wo Sekt, Wein und Bier in Strömen fließen und die menschliche Nähe und Wärme überbordet, waren die deutschen Kinos und Theater meilenweit entfernt. Und trotzdem sagt nun der von Frau Merkel angeführte Staat: Ihr müsst zumachen. Und zwar nicht, weil Ihr ein typischer Hotspot des ‚Superspreading‘ seid – dafür gibt es nicht die geringste Evidenz; sondern einfach, weil Ihr in die Schublade ‚Freizeit‘ fallt, völlig egal, wie professionell Ihr die Menschen vor der Infektion schützt. […]

Tatsächlich hat die Vorgehensweise, die Frau Merkel angestoßen hat, einen überaus schalen Beigeschmack. Sie zeugt von einem geradezu primitiven Weltbild, in dem die Kultur nicht mehr darstellt als ein jederzeit verzichtbares Vergnügen: wenn nötig, weg damit! Und sie zeugt von dem völligen Unverständnis der Motivation des Kulturbetriebs, der sich vor allem auf Leidenschaft gründet. Reich wird man da in der Regel ohnehin nicht, und der Job ist hart – man lebt von magerer Gage, schönem Applaus und guten Kritiken. Und wenn das alles weg ist, steht man vor dem nichts – selbst wenn wie jetzt Vater Staat gönnerhaft verspricht, eine auskömmliche ‚finanzielle Kompensation‘ zu zahlen.“

Das von mir mittlerweile ebenfalls sehr geschätzte „Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin“ schreibt am 08.09.:

„Besonders zu kritisieren ist, dass die öffentliche Berichterstattung im deutschsprachigen Raum nicht konsequent zwischen Test-positiven und Erkrankten unterscheidet. Zu bemerken ist, dass die steigende Anzahl der Test-positiven nicht von einem parallelen Anstieg der Hospitalisierungen und Intensivbehandlungen oder Todesfälle begleitet ist. Dies weckt doch erhebliche Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Tests und der täglichen Berichte der neuen Test-positiven.

Auch fragt man sich, warum nicht täglich gemessen und berichtet wird, wie viele Patienten wegen einer Pneumonie durch andere Erreger in ein Krankenhaus oder auf eine Intensivstation aufgenommen werden. In Deutschland erkranken jedes Jahr 660.000 Menschen an einer ambulant erworbenen Pneumonie (ca. 800/100.000 Einwohner), ca. 300.000 von diesen werden stationär behandelt, 40.000 versterben an der Erkrankung (49/100.000 Einwohner) [32]. Zum Vergleich: Bisher im Rahmen der Pandemie positiv auf SARS-CoV-2 Getestete (die Anzahl der wirklich Erkrankten ist nicht bekannt): 242.381 (entsprechend 296/100.000 Einwohner, Stand 31.8.2020, RKI). Todesfälle: 9.298 (entsprechend 11/100.000 Einwohner, Stand 31.8.2020, RKI). Die ambulant erworbene Pneumonie wird durch verschiedenste Erreger verursacht, vor allem Pneumokokken und Influenza, und ist als hochkontagiös zu betrachten. Ähnlich wie bei COVID sind vor allem ältere Menschen betroffen und gefährdet.

Überhaupt muss mit Vehemenz kritisiert werden, dass die SARS-CoV-2 Inzidenzen fast ausschließlich als Absolutzahlen ohne Bezugsgröße berichtet werden. Die Bekanntgabe der Gesamtzahl der Test-positiven und der Todesfälle erfolgt zudem kumulativ, was den Grundprinzipien der Darstellung epidemiologischer Daten widerspricht. Kumulativ sind beispielsweise in diesem Jahr bereits deutlich mehr als 500.000 Menschen in Deutschland gestorben, täglich etwa 2.500 insgesamt (davon etwa 20 Menschen jünger als 30 Jahre). Man stelle sich vor, Pneumokokkenpneumonien und Influenza-Fälle und -Todesfälle würden ebenfalls kumulativ berichtet. Wir lägen bei Beginn der Zählung zum Jahresbeginn in diesem Jahr bereits deutlich über den kumulativen COVID-Zahlen.“

Last but not least äußert sich Adorján Kovács unter dem Titel „Sterben verboten!“ auf der Website der „Achse des Guten“:

Der Psychologe und Theologe Manfred Lütz hat 2011 in der WELT ein Interview gegeben, das die neue Religion des Gesundheitswahns in all ihrer Verlogenheit angeprangert hat. Dass aufgrund des ‚religiösen Vakuums‘ die Menschen für ‚Ersatzreligionen‘ empfänglich seien, ist ja eine bekannte und auch richtige These;  […] ‚Wenn es keinen lieben Gott gibt und mit dem Tod alles aus ist, dann wird es hektisch im Leben. Mit allen Mitteln versucht man, den Tod zu bekämpfen, denn der Tod ist der Todfeind der Gesundheitsreligion. Man versucht quasi, das ewige Leben im Diesseits zu produzieren, was natürlich ein völlig aussichtsloses Projekt ist.‘ Denn ‚auch wer gesund stirbt, ist definitiv tot.‘

Seit einem Dreivierteljahr leben die Menschen in Deutschland wegen der Corona-Krise nur noch ‚vorbeugend‘. Sie begreifen nicht, dass ‚Gesundheit nur eine Rahmenbedingung für das Leben ist, aber nicht das Leben selbst. Um den Tod zu vermeiden, nehmen sie sich das Leben. Und sterben dann doch.‘ Dieses Bild, in dem man aus Angst vor dem Tod Selbstmord begeht, ist schon oft gebraucht worden in dieser Zeit, in der der Lockdown, eine so genannte ’nichtpharmakologische Intervention‘ gegen eine, von der WHO zur ‚Seuche‘ erklärte, virusbedingte akute Atemwegserkrankung zu unerhörten Nebenwirkungen verschiedenster Art, sehr wahrscheinlich auch zusätzlichen Toten, geführt hat.

Ohne auf die große Zahl an Inkonsistenzen und Fehlern einzugehen, die von der Politik gemacht wurden und immer noch werden (wenn es denn Fehler sind und nicht Absicht), und auf die viele Andere schon hingewiesen haben, sei stellvertretend auf die vom RKI genannte, irreführende Zahl von bisher offiziell 10.000 an und mit Covid-19 Verstorbenen hingewiesen. Üblicherweise wird saisonal gezählt, also von etwa Oktober bis April. Auch die Grippe ist im Herbst (wenn auch leicht mutiert) immer wiedergekommen, wurde aber nie als ‚zweite Welle‘ bezeichnet und auch die an ihr Verstorbenen wurden nicht über das ganze Jahr hinweg addiert. Korrekterweise hätte das RKI im Oktober erneut zu zählen anfangen müssen. Aber dann würde sich die Zahl der Verstorbenen nicht so dramatisch lesen. Es ist paradox: Um sich vor dem Tod an Covid-19 zu schützen, werden die Todeszahlen künstlich hochgejazzt. […]

Die Maximierung, das Alles-tun-müssen, ist die große Gefahr der Gesundheitsreligion. Politik war früher einmal die Kunst des Machbaren. Wenn aber alles gemacht werden muss und tatsächlich auch gemacht werden kann, ist es aus mit dem Abwägen: weil mit der Angst der Menschen gespielt wird und man mit ihrem Gesundheitswahn, der den Tod nicht nur aus dem Alltag, sondern aus dem ganzen Denken verbannt hat, rechnen kann. Dabei ist die Politik (einmal mehr) inkonsistent. Beim Terror heißt es immer: Es gibt keine absolute Sicherheit. Das Bombenattentat, der Messermord, das Massaker: All dies darf stattfinden, weil die Freiheit nicht eingeschränkt werden dürfe. Man müsse dem Terror mit ‚mürrischer Indifferenz‘ begegnen. Warum nicht auch Covid-19? Bei der Gesundheit soll es offenbar absolute Sicherheit durch maximale Freiheitseinschränkung geben, koste es, was es wolle, auch wenn die allermeisten der leider an Covid-19 Verstorbenen die durchschnittliche Lebenserwartung überschritten haben. 

Man könnte sagen, das Neue Corona-Virus sei schließlich gefährlicher als Terror, weil es mehr Menschen tötet. Richtig, aber es ist immer noch eine natürliche Todesursache, der Terror nicht. Täglich sterben in Deutschland etwa 2.500 Menschen, davon jetzt etwa 50 an und mit Covid-19, also zwei Prozent. Warum geht die Politik nicht gegen Erkrankungen, die wesentlich häufiger Todesursachen sind, mit der gleichen Vehemenz vor? Warum hat sie die viel mehr Toten der vergangenen Grippeepidemien so vergleichsweise schäbig behandelt?“

Und täglich grüßt die Desinformation – die Rolle der Medien bei der Übertreibung von Risiken

September 30, 2020

Ein Blick nach draußen verdeutlicht dieser Tage ganz klar: Der Herbst ist da! Der Herbst – und damit die Jahreszeit der Jahrmärkte mit ihren Geisterbahnen und Gruselkabinetten.

Doch angesichts der nach wie vor medial omnipräsenten Covid-19-Pandemie scheinen sich führende Staatslenker und ihnen gewogene Medien in der Rolle derjenigen zu gefallen, die der Bevölkerung weiterhin das Gruseln vor diesem vermaledeiten Virus lehren müssten.
Was wirkt da als das beste Gegengift, wenn nicht ein Blick in seriöse medienkritische Lektüre? So beschäftigt sich das aktuelle Buch der Neurowissenschaftlerin und Medienpsychologin Maren Urner („Schluss mit dem täglichen Weltuntergang“) mit den fatalen Folgen der täglichen Negativberichterstattung im Allgemeinen. (Das Werk erschien 2019, ergo vor der Viruspandemie.) Nicht nur würde das Dauerbombardement medialer Horrormeldungen zu Krieg, Naturkatastrophen und anderen menschlichen Tragödien zu einer latent depressiven Haltung vieler Medienrezipienten führen. Es stelle sich vielfach zudem ein Phänomen ein, welches in der Verhaltenspsychologie als „erlernte Hilflosigkeit“ bekannt sei: Mit der Zeit gäben die Betreffenden nämlich einfach auf, Strategien gegen den vermeintlich heillosen Zustand der Welt zu entwickeln und arrangierten sich mit der ihnen suggerierten Apokalypse. Urner macht deutlich, wie viele Menschen sich hinsichtlich weltweiter Alphabetisierungsraten, Opferzahlen bezüglich Naturkatastrophen, Kindersterblichkeit sowie Kinderimpfquoten irrten – die empirischen Belege sprechen in diesen Bereichen dafür, den Entwicklungsstand der Menschheit positiver zu bewerten, als dies gemeinhin der Fall ist!
Andererseits würden reale Gefahren wie bspw. des Individualverkehrs (Autofahren) im Vergleich mit der Nutzung des Flugzeugs i.d. Regel unterschätzt- die intuitive Risikoeinschätzung schlägt unserer Gattung also häufig das berühmte Schnippchen…
Ihre Forschungen brachten Urner dazu, den sog. Konstruktiven Journalismus voranzutreiben, eine gerade in Deutschland ein Mauerblümchendasein fristende Art der Berichterstattung, der sie mittels ihres Projekts „Perspective Daily“ zu größerer Aufmerksamkeit verhelfen möchte: ein Journalismus, der zusätzlich zu den berühmten W-Fragen auch noch fragt: „Was hat das nun für Konsequenzen?“
Einordnung von Fakten in größere Zusammenhänge sei das A und O eines derartigen Journalismus, der sich an der Funktionsweise unseres Gehirns mit seiner Tendenz zur Überwachsamkeit orientiere.

Mein persönlicher Eindruck hinsichtlich Corona geht mittlerweile in eine ähnliche Richtung – wohlgemerkt im vollen Bewusstsein dessen, dass Covid-19 unter bestimmten Voraussetzungen schwere und schwerste Krankheitsverläufe nehmen und sehr wohl Langzeitfolgen nach sich ziehen sowie im schlimmsten Fall letal sein kann, um dies einmal mehr zu betonen!
Natürlich heißt es angesichts steigender Zahlen täglicher Neuinfektionen und der langsam mit kälteren Temperaturen einhergehenden Jahreszeit wachsam zu sein und Angehörige von Risikogruppen wirksam zu schützen – aber dies darf nicht um jeden Preis geschehen. Die Medienpräsenz einer Bedrohung scheint mir eher in den wenigsten Fällen mit deren realer Gefahr kongruent zu sein… Es sollte aufhorchen lassen, wenn eine Vereinigung wie das Deutsche Netzwerk Evidenz-basierte Medizin e.V. in seiner Stellungnahme vom 08.09. verlautbaren lässt:

„Die Zeiten des exponentiellen Anstiegs der Anzahl der Erkrankten und der Todesfälle sind im deutschsprachigen Raum seit fünf Monaten vorbei. Der momentan zu verzeichnende Anstieg an Test-positiven ohne gleichzeitige Zunahme von Hospitalisierungen, Intensivbehandlungen und Todesfällen rechtfertigt derzeit keine einschneidenden Maßnahmen, sofern diese nicht durch hochwertige Forschung vorab geprüft oder parallel begleitet sind.
Die mediale Berichterstattung sollte unbedingt die von uns geforderten Kriterien einer evidenzbasierten Risikokommunikation beherzigen und die irreführenden Meldungen von Absolutzahlen ohne Bezugsgröße beenden.“

Dazu verweise ich auf meinen Blogeintrag vom August und der dort u.a. thematisierten Relevanz der Hospitalisierungsrate, die (noch?) jedenfalls hierzulande recht niedrig zu sein scheint und von den Medien viel stärker in den Fokus gerückt werden sollte.
Ein weiteres Beispiel für übertriebene Emotionalisierung der Corona-Berichterstattung erwähnt Hans Hofmann-Reinecke in seinem Artikel „Vergiftete Zahlen“ auf der „Achse des Guten“:

„Das Magazin 20-8 der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein informiert seine Leser unter dem Titel ‚Mit Abstrichen gegen die zweite Welle‘ über folgende Zahlen:
‚Rund 2,5 Prozent der Urlauber positiv
Im Auftrag des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) hatte die KV Nordrhein eine Teststelle am Flughafen Düsseldorf eingerichtet. Mit großem Erfolg: In der ersten Woche wurden bereits 9.700 Abstriche durchgeführt. 163 Tests fielen positiv aus, das entspricht rund 2,5 Prozent.‘
Lassen Sie uns der KV Nordrhein zunächst zu ihrem ‚großen Erfolg‘ gratulieren. Was jedem Mathematical Correctness Warrior (MCW) allerdings ins Auge springt, sind die ‚rund 2,5 Prozent‘. Schließlich sind 9.700 ja sowas Ähnliches wie 10.000, und wenn man 163 durch zehntausend teilt und mit 100 multipliziert, können keine 2,5 Prozent rauskommen.
Der Taschenrechner verrät uns 1,68 Prozent. Jetzt respektieren wir das ‚rund‘ vor der Angabe der KVN; wir runden also auf eine Kommastelle und bekommen 1,7 Prozent. […]
Sie sagen, wir sollten nicht so pingelig sein? 2,5 Prozent oder 1,7 Prozent – was soll’s. Ich sage Ihnen, was es soll: es soll uns den Blick vernebeln. Bekanntlich haben besagte Tests eine ‚falsch positive‘ Rate von circa 1,5 Prozent. Mit diesem Prozentsatz schlägt der Test auch bei Gesunden an. Ziehen wir diese 1,5 Prozent von den erwähnten 1,7 Prozent ab, dann bleiben nur 0,2 Prozent übrig.
Anders ausgedrückt: unter den durchgeführten 9.700 Tests ergaben aller Wahrscheinlichkeit nach 1,5 Prozent, also 145 ein ‚falsch positives‘ Ergebnis. Diese Fehlbestimmungen machen den Großteil der angegebenen 165 aus; zieht man das voneinander ab, dann bleiben nur 20 übrig. Nimmt man jetzt noch die statistischen Ungenauigkeiten in Kauf, dann kann man vernünftigerweise nur aussagen, dass vermutlich zwischen 0 und 40 Personen echt positiv waren. Dann hätte die Überschrift lauten müssen: ‚Gute Nachricht: Weniger als ein halbes Prozent der Urlauber positiv.'“

Es wird noch unzählige Urners, Hofmann-Reineckes und ihrer wackeren Mitstreiter bedürfen, um der täglichen corona- und nicht-coronabedingten Desinformationsflut Paroli bieten zu können. Packen wir´s an, wir medialen Don Quichottes des Mediazäns…

Zwischen Corona-Panik und -Verharmlosung: Wie zurechtfinden im Informationsdschungel?

August 30, 2020

Die Bilder der neuesten Berliner Großdemonstration gegen die bestehenden Coronamaßnahmen irritieren mich – wie schon am 1. August – erneut:

Offensichtliche Rechtsextremisten in „trauter Eintracht“ mit QAnon-Verschwörungsanhängern, esoterischen Spinnern, die allen Ernstes „Liebe“ als Gegenmittel zur Virenbekämpfung empfehlen und ideologich verbohrte Impfgegner, teils aus dem anthroposophischen Weltanschauungsspektrum. Dazwischen aber auch jede Menge Personen, die sich weder durch Kleidung noch durch den Inhalte von Plakaten einer weltanschaulichen Strömung zuordnen lassen, vielleicht auch eher verunsichert bis genervt davon sind, wie die Politik mehr oder weniger mäandernd der uns nun bereits annähernd ein halbes Jahr begleitenden Pandemie versucht Herr zu werden (Stichwort: Maskendiskussion in Bezug auf Schulen).

Auch wenn seitens der Mainstream-Medien sicher nicht immer in wünschenswerter Objektivität über diese Querfront-Demonstrationen berichtet wurde und wird, so erweisen sich doch die in den ARD-Tagesthemen gesendeten O-Töne dreier Demonstrierender als inhaltlich eher schwach auf der Brust:

„Und jetzt sind plötzlich ´n paar Tote irgendwie halt, und da wird alles geschrottet, alles wird geschrottet, weil irgendwelche Machenchaften im Gange sind“ oder „Ich denk natürlich, dass es das gibt. Keiner von uns hier leugnet hier irgend ´nen Scheiß. Natürlich gibt es Viren. Unser Körper besteht aus Viren, aber auch mutierte Viren, die jedes Jahr anders mutieren. Auch das Coronavirus ist ein Virus, was mutiert. Ja, und damit kann unser Körper – mein Gott, wir haben ein Immunsystem – recht gut umgehen.“ (zweites Video von oben, Min. 0:44 – 0:55 sowie 1:04 – 1:22)

Selbstverständlich sollte zur Debatte stehen, ob die Lockdown-Maßnahmen des Frühjahrs nicht überzogen waren, da infolgedessen unverhältnismäßig hohe „Kollateralschäden“ in Form von Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit, Insolvenzen, Depressionen, häuslicher Gewalt und letztendlich auch gehäuften Suiziden zu beklagen waren, sind und sein werden.
Dies rechtfertigt jedoch keineswegs die Verharmlosung der Todeszahlen, das Geraune über vermeintliche „Machenchaften“ (erste Frau) oder die pauschale Behauptung, das Immunsystem jedes (!) Menschen werde mit dem Virus schon fertig.
Zahlreiche Medienberichte über schwere Verläufe sprechen Bände: Befall nicht nur der Lunge, sondern auch der Nieren, von Gefäßen sowie eine so nicht bekannte Häufung von Spätfolgen wie Dauermüdigkeit, Gliederschmerzen oder Konzentrationsstörungen.
(In diesem Zusammenhang empfehle ich neben den bekannteren Drosten- und Kekulé-Podcasts im Übrigen denjenigen von Heinz-Wilhelm „Doc“ Esser im WDR sowie die Covid-FAQs von Spektrum der Wissenschaft.
Beide Quellen gehen selbstverständlich auch auf die höhere Gefährlichkeit von Covid-19 im Vergleich zur „herkömmlichen“ saisonalen Grippe ein.
Auf der anderen Seite rezipiere ich jedoch ebenso Quellen wie den „In dubio“-Podcast der „Achse des Guten“. Und hier scheint mir insbesondere die Folge 51 („Aus ärztlicher Sicht“) von Belang zu sein: Hier kritisieren die beiden Mediziner Gunter Frank und Jesko Matthes u.a. die mediale Fokussierung allein auf die Infiziertenzahlen (anstelle der Hospitalisierungsrate), die Gleichsetzung der Begriffe „positiv getestet“, „infiziert“ und „erkrankt“, die Simplifizierung von Studienergebnissen allein durch Überschrift und Zusammenfassung sowie die nach wie vor bestehende Möglichkeit falsch-positiver Covid-Testergebnisse.
„Das was wir gerade erleben ist ein absolutes Fiasko bezüglich medizinischer Seriösität und Kompetenz“ und „keine nationale Bedrohung“ (zu diesen Aspekten bis Min. 10:56).
Wohlgemerkt: Matthes und Frank verleugnen mitnichten, dass Covid-19 überaus gefährliche Verläufe annehmen KANN. Allerdings wehren sie sich dagegen, dem Infektionsschutz alles andere unterzuordnen. Oder um ein selbst gewähltes Beispiel von mir heranzuziehen: EINIGE der aktuellen Coronamaßnahmen wirken auf mich so – ginge es um die Skandalisierung der (ja durchaus vorhandenen) Gefahren des Autoverkehrs – als wolle man auf Autobahnen Tempo 30 einführen.
Und was die Rate der Covid-Erkrankten betrifft, die sich aufgrund der Schwere ihrer Infektion aktuell in einem Krankenhaus wiederfinden:

Laut ARD-Tagesthemen vom 20.08. beträgt sie gerade einmal 6 % (im Vergleich zu 22% am 13.04.). Grund dafür ist die momentan hohe Anzahl an jüngeren Neuinfizierten, die dementsprechend auch seltener stationärer Behandlung bedürfen.

Es scheint sich wieder einmal zu bestätigen: Widmen sich Massenmedien einem Thema, das von ihnen für überaus bedrohlich erklärt wird, ausführlich (und eine ausführlichere Dauerbeschallung als zum Thema „Corona“ dürfte in der Menschheitsgeschichte nicht existieren!), dann fühlen sich Entscheidungsträger aus Politik und Gesellschaft, aber auch die Mehrheit der betroffenen Bevölkerung von Aktionismus getrieben, ergo darin betätigt, dass mit äußerst scharfen Maßnahmen gegen diese Bedrohung vorgegangen werden müsse.
Andere potentielle Bedrohungen werden hingegen entweder völlig ausgeblendet oder deren Gefährlichkeit für vertretbar gehalten. Oder sie erfahren lediglich kurzfristige Aufmerksamkeit. Anders ist es wohl schwer zu erklären, dass in Jahren mit extrem schweren Influenza-Verläufen geschätzt 25.000 Tote in Kauf genommen werden oder die Anzahl der Opfer, die einem multiresistenten Krankenhauskeim anheimfallen (auch hier liegen die Schätzungen bei eigentlich unglaublichen mehr als 10.000 Toten pro Jahr!), mehr oder weniger achselzuckend hingenommen werden.
Eine eingehende Auseinandersetzung mit den Mechanismen medialer Skandalisierung erscheint hier dringend geboten…

Jetzt langt´s! Linke Gesinnungspolizei bekommt Rüffel aus dem eigenen Lager

Juli 28, 2020

Ich habe Glück gehabt. Seit meinem Weggang von der Bremer Greenpeace-Ortsgruppe im Herbst 2005, also noch während meines Studiums, habe ich mich mit keiner Ansammlung linker Dogmatiker mehr herumschlagen müssen – Ausnahmen in diversen Facebookgruppen nicht mitgerechnet.

Und auch in meiner Zeit an der Bremer Uni (1998 – 2006) kam es höchst selten einmal zu einer Begegnung mit einem Angehörigen der linken Diskurspolizei: In einer Zeit, als es noch keine internetfähigen Smartphones gab, standen universitäre Computerräume mit Netzzugang dementsprechend unter Dauerbelagerung. Als ich es nach langer Wartezeit wieder einmal geschafft hatte, mir einen Rechnerplatz zu ergattern, wurde ich von einem mir unbekannten Kommilitonen auf recht merkwürdige Weise angemacht: Ich weiß nicht mehr, auf welcher Website ich gerade surfte. Vielleicht war es das damals schon existente Blog „Politically Incorrect“ (PI), dem ich jedoch ob seiner Grobschlächtigkeit in Sachen Islamkritik nie wirklich nahe stand, oder eine andere Homepage, die in welcher Weise auch immer vermutlich Aspekte der islamischen Glaubenspraxis kritisch unter die Lupe nahm; jedenfalls bedeutete mir besagter Mitstudent mehr gestisch als verbal, dies sei eine unerwünschte Tätigkeit meinerseits. Einigermaßen verwirrt, aber nicht eingeschüchtert setzte ich meine Online-Recherchen fort, wurde von meinem Sitznachbarn auf die Intervention angesprochen, konnte mir aber selbst nicht wirklich einen Reim darauf machen, woran konkret sich das Missfallen des offenbar sehr linkslastig eingestellten Kommilitonen entzündet hatte.
Einige Jahre später, ich war bereits Studienrat in meiner jetzigen Wirkungsstätte im Rhein-Main-Gebiet, kam es mit einer Kollegin zu einer kurzen Unterhaltung über „Migration, Integration und den ganzen Rest“. Auch hier kann ich leider aus heutiger Sicht wenig zum Kontext der Situation beisteuern. Vermutlich spielte sich das Gespräch 2015, also im Jahr der „großen Flüchtlingskrise“, ab. Meine Hand ins Feuer legen kann ich allerdings nicht dafür. Jedenfalls kam das Gespräch u.a. auf ein Buch, dessen Lektüre ich damals gerade abgeschlossen haben muss: Heinz Buschkowsky, damaliger Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, berichtete in „Die andere Gesellschaft“ über seine Erfahrungen mit Migranten und ihren Nachkommen bis zur vierten Generation in seinem Kiez und den Auswirkungen ihrer häufig muslimisch-patriarchalen Prägung auf das Zusammenleben im Viertel.
Jedenfalls ist mir der Reflex dieser Kollegin – so wie ich sie kennengelernt habe keine ausgesprochen links denkende Frau – in Erinnerung geblieben, da sie sich sofort vergewissern wollte, ob es sich denn um ein seriöses Buch handeln würde. Ich merkte: Die „Schere in ihrem Kopf“ war vorhanden und wartete auf rege Schnittbetätigung!
Nun, im Jahr 2020, erscheinen diese beiden Anekdoten als dermaßen harmlos, wenn man bedenkt, was sich seitdem alles zugetragen hat: In regelmäßiger Weise werden Kritiker der herrschenden (Des-)Integrationspolitik als „Nazis“ und „Rassisten“ oder zumindest Zuarbeiter von AfD & Co. diffamiert. Sicher stehen einige dieser Leute auch entsprechenden politischen Strömungen nahe, aber ich bezweifle, dass die Mehrheit der Bevölkerung wirklich nicht in der Lage sein soll, zwischen zu verurteilender Muslimfeindlichkeit und sehr wohl benötigter emanzipatorischer Islamkritik zu unterscheiden.
Eines der prominentesten Beispiele ist sicherlich der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer, der nicht davor zurückschreckt, unbequeme Aspekte in Bezug auf den patriarchalen Mainstream-Islam und Zuwanderung in aller Öffentlichkeit zu thematisieren und von einigen – selbst hochrangigen – Partei“freunden“ dafür mit Parteiausschlussforderungen überzogen wird – übrigens bereits vor dessen in der Tat zumindest missverständlichen Corona-Äußerungen Ende April dieses Jahres.
Ganz zu schweigen von den jüngsten Entwicklungen auf der anderen Seite des „großen Teichs“: Dort hat die immer mehr ausufernde linke Intoleranz der „Political Correctness“ im Zuge der „Black Lives Matter“-Proteste bekanntlich dazu geführt, dass ein Redakteur der „New York Times“ gefeuert wurde, weil er es ermöglicht hatte, dass ein republikanischer Senator im Blatt einen Artikel mit Forderungen nach dem Einsatz der Armee in von Krawallen betroffenen Städten lancieren konnte.
Doch möglicherweise hat das Blatt bereits begonnen, sich zu wenden: 153 US-Intellektuelle veröffentlichten in mehreren angesehenen Zeitungen der USA und (West-)Europas einen Offenen Brief, in dem sie die um sich greifende Unsitte der „Cancel Culture“ anprangerten.

Und auch im deutschen Linksliberalismus sind vereinzelt Stimmen zu hören, die das Ende der Fahnenstange postulieren und von einem „digitalen linken Spießer[tum]“ sprechen, das sich seiner eigenen dogmatischen Haltung nicht bewusst sei. In der „ZEIT“ schreibt Jan Freyn:

„Eine erstarrte und ins Pädagogische abgedriftete Linke, die sich durch ihre Weigerung bestimmt, ‚ihr eigenes Machtstreben zu reflektieren, ihren Aufstieg in den akademischen und kulturellen Institutionen‘ (Michael Hampe), ein dergestalt zur Karikatur verkommener Linksliberalismus, der vergessen hat, dass er nicht mehr unter allen Umständen subversiver Underdog ist, sondern sich an Universitäten oder in Social-Media-Kontexten explizite Machtzentren geschaffen hat, bringt einen epochalen Menschenschlag hervor: den digitalen linken Spießer.“

Doch wie heißt es so treffend: „Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer!“ Es bedarf noch eines immensen Debattenfortschritts innerhalb linker und linksliberaler Kreise, um das Gespür für den eigenen Anteil am Aufstieg der „Rechtspopulisten“ zu reflektieren. Dass dies möglich ist, beweist neben Freyn der Mitgründer der Wagenknecht´schen „Aufstehen!“-Bewegung, Bernd Stegemann, in seinem Buch „Die Moralfalle“. Jedoch lässt das Schicksal dieser linken „Bewegung“ nicht unbedingt auf Besseres hoffen: Lange schon ist es nämlich um Wagenknecht und ihren Versuch, den Rechtslastig-Völkischen etwas entgegenzusetzen, still geworden – sehr still…

Die unheilige Allianz der vier antikalyptischen Reiter: Antirassismus, Antipolizismus, Antifada, Antirealismus

Juni 29, 2020

Wie das Chaos im Kopf ordnen? Wie die Eskalation auf der nach oben offenen Skala des politisch-medialen Irrsinns hierzulande griffig beschreiben? Diese Fragen stellen sich mir immer häufiger, aktuell natürlich im Kontext der – gelinde gesagt – überbordenden Rassismusdebatte, der Anti-Polizei-Hetze (nicht nur) linker Aktivisten und dem Affentanz um die politisch exakte Einordnung der Straßenschlacht von Stuttgart.

Was bisher geschah: Einmal mehr wird am 25. Mai der Schwarze George Floyd in Minneapolis/USA aus geringfügigem Anlass durch brutale Polizeigewalt getötet. Daraufhin entlädt sich explosionsartige – und zu Recht -Wut in der Stadt und greift auf viele weitere US-Innenstädte, wenig später auch auf Metropolen anderer westlicher Staaten über („Black Lives Matter“, kurz BLM). Die dabei als „Kollateralschäden“ abgefackelten und anderweitig zerstörten Geschäfte, Fahrzeuge etc. Unbeteiligter scheinen dabei vielen Medienschaffenden das weitaus geringere Problem als ein wie gewohnt verbal entgleisender US-Präsident.
Im Zuge der rasanten Heiligsprechung des Kleinkriminellen Floyd durch die weltweit agierende BLM-Bewegung gerät die Polizei generell sehr schnell zum Feindbild schlechthin. Berichte bspw. der „Tagesschau“ anlässlich einer BLM-Demo rund um den Berliner Alexanderplatz („weitgehend friedlich“) erweisen sich – nicht zum ersten Mal – dank weniger verbliebener Journalisten, die sich nicht als linke Volkserzieher verstehen, als das übliche Appeasement gegenüber linksradikalen und/oder migrantischen Gewalttätern.
Welch ekelhafte Ausmaße auch linke „Hate Speech“ annehmen kann, beweist am 15. Juni die taz-Kolumnistin Hengameh Yaghoobifarah in ihrem an menschenverachtender Hetze gegen die Polizei in toto nicht zu überbietendem Beitrag („All cops are berufsunfähig“), in welchem sie eine ganze Berufsgruppe zu „Müllmenschen“ erklärt.
Nur fünf Tage später zerlegt ein „bunter Mix über den Globus“, ergo: Mitglieder der „Party- und Eventszene“ (Neusprech der örtlichen Polizeiführung) Stuttgarts Teile der Innenstadt der Schwabenmetropole und verletzt an die 20 Polizeibeamte. Anlass bildete ein routinemäßiger Ermittlungsvorgang der Polizei aufgrund eines Drogendelikts.
Ähnlich wie nach der berüchtigten Kölner Silvesternacht 2015/16 übernehmen viele Medien das Framing der Polizei trotz (oder gerade wegen) der offensichtlichen Hinweise auf eine Vielzahl von Tätern mit Migrationshintergrund. Dazu bemerkt Horst Kläuser auf der Website des CICERO:

„Migrationshintergrund, sagen diesmal die auf der richtigen Seite stehenden Besorgten, sei vielmehr zum rassistischen Stereotyp verkommen und beschreibe vorwiegend Menschen dunklerer Hautfarbe, die man früher mal ‚Farbige‘ nannte, die aber heute PoC heißen (Person/ People of Color). Falsch. Fake News können auch feige News sein. […] Es gibt ‚Biodeutsche‘, um einmal dieses affige Wort zu benutzen, die sind fremder in Deutschland als die meisten Schwarzen, die hier geboren wurden. Warum sollte es ein Makel sein, nicht weiß zu sein? Aber wenn es das nicht ist, darf es auch erwähnt werden, nicht zur Stigmatisierung, sondern zur Beschreibung. Die wunderbare Vielfalt der Menschen, auch und gerade in unserem Land, ist eine Bereicherung. Gewiss. Sie zu erwähnen eine schlichte Beobachtung. Wie sie letztlich genannt werden, ist nicht unwichtig, aber nicht die Hauptsache. Ethnien zu benennen, ist nicht automatisch Rassismus. Es kann auch einfach Recherche sein.“

Die von Kläuser zu Recht kritisierte inflationäre Verwendung des Rassismusbegriffs geht leider vielfach einher mit einer aufwändigen Pflege des Opfernarrativs in Hinblick auf Menschen mit Migrationshintergrund. Diese – häufig muslimischen Glaubens – werden ähnlich wie Menschen mit dunkler Hautfarbe („People/Person of Colour“ im akademisch-korrekten Neusprech) per se zu Opfern der als strukturell rassistisch imaginierten Gesellschaft hingestellt.
Judith Besinc Basad dazu:

„[…] eine Aussage ist nicht wahrer, nur weil sie von einem Schwarzen, Muslimen oder Homosexuellen geäußert wird. Auch Menschen mit Migrationshintergrund, die sich selbst als ’nicht-binär‘ bezeichnen, können sich menschenverachtend äußern. Das wurde erst vor kurzem deutlich, als eine Taz-Kolumnistin Polizisten als Müll bezeichnete.
Wenn man sich derart dogmatisch an Theorien klammert, dass nur noch die reden dürfen, die ‚betroffen‘ sind, dann kann man das auch anders nennen: Sprechverbote.“

Das alles sind leidliche Binsenweisheiten. Umso ärgerlicher, dass der deutsche Diskurs seit den 4 1/2 Jahren, die die Kölner Silvesternacht nun schon zurückliegt, offenbar keinen Schritt nach vorn gemacht hat. Und dass viele der für diese Situation Verantwortlichen in Politik und Medien studierte, man sollte also annehmen können, überdurchschnittlich reflektierte Menschen sein sollten, macht die Lage noch viel peinlicher – für sie!
Es hat sich ein für den Fortbestand von Rechtsstaat und Demokratie überaus gefährlicher Mix aus über das Ziel hinausschießendem Antirassismus, Polizistenhass (bis hin zur offenen Verachtung des Rechtsstaats durch Links- wie Rechtsradikale), offener Herausforderung staatlicher Institutionen vonseiten (zu) vieler Migranten aus dem islamischen Kulturkreis („Antifada“) sowie diesbezüglicher Realitätsverleugnung breitgemacht. Wohin diese explosive Mischung noch so alles führen kann, ist nachzulesen im aktuellen Buch des Islamwissenschaftlers Ralph Ghadban („Arabische Clans“). Zustände, die mit „spätrömischer Dekadenz“ à la Westerwelle noch sehr milde beschrieben sind…

Corona, der Zufall und die Naturromantiker: eine (früh-)sommerliche Reise zu den psychologischen Mechanismen der Krise

Mai 31, 2020

Erinnern Sie sich noch daran, wie Sie als Kind (vielleicht an einem lauen Sommernachmittag) rücklings auf der Wiese, am Fluss o.Ä. lagen und Ihre Fantasie aus den vorüberziehenden Wolkenformationen grässliche Ungeheuer oder auch ganz banale Alltagsgegenstände formte?

Was Sie heute mit dem Abstand vieler Jahre möglicherweise als kindlich-naive Marotte belächeln mögen, stellt jedoch nichts anderes als ein basales Prinzip des menschlichen Geistes dar: Wir neigen als Spezies dazu, überall Muster zu erkennen, selbst da, wo sich objektiv keine befinden. Insbesondere auf menschliche Gesichter scheinen wir evolutionär in besonderer Weise gepolt zu sein, spielen sie doch in unserer Existenz als soziale Lebewesen auch eine tragende Rolle im Leben.
Von daher erscheint es auch wenig verwunderlich, wenn insbesondere religiöse Menschen das Antlitz ihres jeweiligen Religionsstifters oder eines wichtigen Heiligen in, an und auf allen möglichen Gegenständen zu erblicken meinen – das berühmte Jesus-Gesicht auf der Toastscheibe erfreut sich anscheinend vor allem in streng-christlichen Kreisen der USA extremer Beliebtheit!

Doch wozu diese Ausführungen im Zusammenhang mit den sog. Hygienedemos der letzten Wochen, bei denen immer wieder alle nur denkbaren Zusammenhänge vom neuen Mobilfunkstandard 5G über die „Neue Weltordnung“ jüdischer Geheimzirkel bis zum angeblichen Zwangsimpfer Bill Gates (wahlweise auch als Massenmörder in spe, der die Menschheit auf 500 Mio. Exemplare reduzieren möchte) im Kontext der aktuellen SARS-CoV-2-Pandemie behauptet wurden und werden?
Von Expertenseite ist immer wieder betont worden, dass nicht nur Krisenzeiten zum Aufblühen sog. Verschwörungserzählungen führen und diese sich bevorzugt in politisch-radikalen Strömungen beheimatet fühlen. Vielmehr scheint es auch ein extremes Bedürfnis zu sein, hinter allen wirkmächtigen Ereignissen der Weltgeschichte eine bewusst gesteuerte Entität auszumachen: das Erdbeben von Lissabon 1755 – Beleg des göttlichen Zorns ob des sündhaften Lebens der Bewohner; die Attentate auf die New Yorker Twintowers 2001 mit ihren Tausenden Opfern – Anzeichen der unmittelbar bevorstehenden, biblisch angekündigten „Endzeit“!
Dass der Zufall im Leben des Menschen eine maßgebliche Rolle spielt (angefangen bei Zeit und Ort unserer Geburt) scheinen viele Zeitgenossen nicht mitzudenken…
Doch noch ein weiterer Zusammenhang spielt hier mit rein: Gemäß dem Amerikanisten Prof. Michael Butter hat die Abnahme religiöser Bindungen im Zuge der europäischen Aufklärungsepoche des 18. Jahrhunderts unmittelbar zur Ausprägung eines solch mechanistischen Kausalitätsdenkens geführt, in dem die Bedeutung des besagten Zufalls einfach ausgeblendet wurde.
Auch gilt es zu beachten, dass Verschwörungsdenken mitnichten immer nur ein gesellschaftliches Randphänomen ausmacht: Schließlich basierte der NS-Rassenwahn der 1930er- und 1940er-Jahre auf dem Denken des Mainstreams; in stark religiös geprägten Gesellschaften wie den Staaten des islamischen Kulturraums erfreuen sich derartig abstruse Denkfiguren wie der Glaube an die jüdische Weltverschwörung schließlich bis heute enormer Popularität. Und natürlich haftet auch jeder milden Form religiösen Glaubens ein Touch verschwörungstheoretischen Inhalts an (etwa die hinterhältigen Ränkespiele Satans als behaupteter Gegenspieler Gottes im Christentum, wenn man einmal von dessen Weichspülvariante westlicher Prägung absieht).
Und was die Impfparanoia heutiger Aluhüte betrifft: Hier zeigt sich in seiner extremen Form, wohin ein auf die Spitze getriebener Glaube an das Gute in der Natur (ergo: Ökologismus) als Religionsersatz führen kann. Wenn es in den vergangenen Jahren zu lokalen Masernausbrüchen kam, entstanden diese häufig im Umfeld anthroposophischer Einrichtungen der Waldorfpädagogik (Gründer: der Oberguru deutscher Esoterikjünger, Rudolf Steiner). Hier scheint mir die Keimzelle der deutschen Impfgegner-Szene zu liegen. Doch wer wie das Autorenduo Dirk Maxeiner und Michel Miersch seit gut 20 Jahren auf diese fatale Entwicklung aufmerksam machen wollte, sah sich vonseiten des linksliberal-ökologischen Mainstreams als Outlaw behandelt. Nun erhält diese in erschreckend hohem Maße verblödungsanfällige Gesellschaft in Form der Corona-Verschwörungsanhänger die Quittung für ihren jahrzehntelangen geistigen Müßiggang…

„Die Regierung begreift die Lockdown-Maßnahmen als eine logische Folge der Aufklärung“

April 30, 2020

Im letzten Blogeintrag schrieb ich bekanntlich über meine Gedanken angesichts der anlaufenden Lockdown-Maßnahmen Mitte März (Schulschließungen), schnell gefolgt von weitergehenden Ausgangsbeschränkungen, meiner anfänglichen Panikmacher-Deutung der Corona-Berichterstatttung sowie der bald darauf einsetzenden Abkehr von diesem mir nur allzu vertrauten Erklärungsmuster.

Und auch von einem Roman war in meinem Märzbeitrag die Rede: „Corpus Delicti“ von Juli Zeh, einer Pflichtlektüre für das diesjährige hessische Abitur im Deutsch-Leistungskurs: Die dort dargestellte fiktive Gesundheitsdiktatur („die Methode“) in der Mitte des 21. Jhds. mit ihrem Chefideologen Heinrich Kramer an der Spitze wähnt sich, zum einzig wahren Wohl aller Bürger zu handeln, indem sie darauf besteht, ihre Untertanen zu regelmäßiger Fitness und gesunder Lebensführung zu verpflichten und die entsprechenden individuellen Gesundheitsdaten permanent an die Behörden zu übermitteln. Doch davon später mehr…
Bei aller gruseliger Fiktion, die dieses Szenario beinhaltet, so scheint mir mittlerweile jedoch in so mancher Anti-Corona-Regel ein Funken dieses „Methoden“-Staates aufzublitzen. Das wochenlange bayerische Parkbankverbot für Alleinsitzende ist da nur die Spitze des Eisbergs…
Man denke vor allem an die ausnahmslosen Verbote jeder gemeinschaftlichen politischen Meinungsbekundung in der Öffentlichkeit (sprich: Demonstration) oder die strikten Ausgangsauflagen mancher Bundesländer, die lediglich wenige „triftige Gründe“ zum Verlassen der eigenen Wohnung akzeptierten.
Mittlerweile scheint das Pendel Gott sei Dank nicht mehr ganz so stark in Richtung starke Exekutive auszuschlagen. Vielmehr erobert sich die Judikative Zug um Zug den für einen Rechtsstaat dringend benötigten Freiraum zurück.
Und auch die Begründung seitens vieler Virologen, die deutschlandweit glimpflich verlaufenden Infizierten- und Todesraten belegten die Wirkung des Lockdowns, gilt es mit Vorsicht zu genießen. Dazu der Politologe Michael Bröning:

„Soziologen etwa verteidigen den Lockdown – wie auch Virologe Christian Drosten – durch Verweis auf ein ‚Präventionsparadox‘. Demzufolge bestätigt gerade das Ausbleiben der Katastrophe den Erfolg der getroffenen Maßnahmen. Dieser Ansatz ist logisch nicht zu widerlegen und sicher auch gerechtfertigt. Das Problem ist nur: In dieser Sichtweise lässt sich noch jede staatliche Überreaktion als Erfolg verbuchen. In Deutschland ist die Demokratie sicher nicht in Gefahr. Doch diese Entwarnung ist nicht weltweit gültig.
Deshalb sticht eher der Umkehrschluss. Nur weil der schlimmste Fall der Eskalation bislang vielerorts erfreulicherweise ausgeblieben ist, bescheinigt das noch lange nicht die Angemessenheit jeder getroffenen Maßnahme.
Post hoc ergo propter hoc – diesem kausalen Zirkelschluss sollten wir gerade in Zeiten des gesundheitlichen Notstandes und angesichts einer weltweit einmaligen Machtverschiebung in Richtung Exekutive nicht erliegen. In Zeiten der Angst und der Unübersichtlichkeit bleibt Skepsis eine demokratische Tugend. Gegenüber scheinbaren Patentrezepten ebenso wie gegenüber staatlich verordnetem Gleichschritt und insbesondere gegenüber den Gefahren eines sich zunehmend selbst erfüllenden weltweiten Katastrophismus.“

Was wir brauchen, ist ein kühler Diskurs des umsichtigen Abwägens von Einschränkungen und (möglichen) Folgen, was natürlich durch die zahlreichen Wissenslücken über den Charakter von SARS-CoV-2 erheblich erschwert wird. Blockwarte, die auf öffentlichen Plätzen mit dem Zollstock die Abstandsregeln kontrollieren, sind ebenso fehl am Platz wie Pseudo-Rebellen, die eine minutiöse Schilderung ihres maskenlosen Einkaufs zum heroischen Widerstandsakt gegen das vermeintliche Coronazi-Regime aufblasen und ins Netz ejakulieren.

Zum Abschluss dieses Beitrags sei an dieser Stelle eine kleine Zitatensammlung aus oben erwähntem Roman eingestellt. Zitate, die hoffentlich verdeutlichen, mit welch perfider Begründung freiheitsfeindliche Maßnahmen schleichend Einzug in eine offene Gesellschaft halten können und die heute noch wortwörtliche Rede vom bedrohlichen Virus schnell zur Metapher für viel weiter gefasste Zusammenhänge umgedeutet werden kann. (Das Zitat aus der Überschrift dieses Eintrags stellt im Übrigen keinen tatsächlichen O-Ton, sondern eine Abwandlung einer Aussage aus „Corpus Delicti“ dar…)

„‚Was die Anti-Methodisten kennzeichnet‘ […] ‚ist ein reaktionärer Freiheitsglaube, der seine Wurzeln im zwanzigsten Jahrhundert hat. Sämtliche Ideen der R.A.K. beruhen auf einem Missverständnis der Aufklärung.‘ ‚Aber die METHODE begreift sich doch selbst als eine logische Folge der Aufklärung.'“ (S. 84)

R.A.K.: „Recht auf Krankheit“ – Anspielung auf die Rote Armee Fraktion (RAF); in Zehs Roman eine militante Untergrundgruppe, die gegen die Gesundheitsdiktatur ankämpft

„‚Wir dürfen nicht vergessen, welche Umstände den Anstoß zur Entwicklung der METHODE gaben.‘ […] ‚Nach den großen Kriegen des zwanzigsten Jahrhunderts hatte ein Aufklärungsschub zu weitgehenden Entideologisierung der Gesellschaft geführt. Begriffe wie Nation, Religion, Familie verloren rapide an Bedeutung. Eine große Epoche der Abschaffung begann. Zur Überraschung aller Beteiligten fühlten sich die Menschen zur Jahrtausendwende jedoch nicht auf einer höheren Zivilisationsstufe, sondern vereinzelt und orientierungslos, sprich: nah am Naturzustand. Man redete ununterbrochen vom Werteverfall. Man hatte jede Selbstsicherheit verloren und fing an, einander wieder zu fürchten. Angst regierte das Leben der Einzelnen, Angst regierte die große Politik. Es war übersehen worden, dass auf jede Abschaffung eine Neuschaffung folgen muss. Was waren die konkreten Folgen? Geburtenrückgang, die Zunahme stressbedingter Krankheiten, Amokläufe, Terrorismus. Dazu eine Überbetonung von privaten Egoismen, das Schwinden von Loyalität und schließlich der Zusammnebruch der sozialen Sicherungssysteme. Chaos. Krankheit. Verunsicherung.'“ (S. 88f.)

„Kramer spricht zwanzig Minuten und schaut dabei weiter reglos in die Kamera. […] Dass Unsauberkeit die Verunreinigung des Einzelnen und Unsicherheit die Verunreinigung der Gesellschaft sei. Dass Krankheit als das Ergebnis von fehlender Kontrolle betrachtet werden müsse. […] Kramer spricht von Viren, die Unsauberkeit und Unsicherheit für sich zu nutzen wissen und den Einzelnen wie die Gesellschaft befallen. Heutzutage, sagt er, bestünden die gefährlichsten Viren nicht mehr aus Nukleinsäuren, sondern aus infektiösen Gedanken. […] Die METHODE als Immunsystem des Landes, fährt er schließlich fort, habe das aktuell grassierende Virus bereits identifiziert. Es werde vernichtet. Niemand könne sich den Selbstheilungskräften eines starken Körpers entziehen.“ (S. 200f.)

Der Ausnahmefall als neue Regel? Zu Nutzen und Risiken des Infektionsschutzes

März 29, 2020

Vermutlich werde ich diesen Freitag, den 13. März 2020 immer in Erinnerung behalten: Der Tag, an dem fast alle deutschen Landesregierungen beschlossen, ihre Bildungseinrichtungen von der darauffolgenden Woche an bis zunächst zum Ende der Osterferien zu schließen, um der sich ausbreitenden Covid-19-Pandemie Einhalt zu gebieten.

Eine Maßnahme, über die ich exakt eine Woche zuvor – als Andeutung aus dem Mund einer Schülerin – noch innerlich milde lächelnd erhaben hinweggegangen bin: Zu unvorstellbar erschien damals diese Vorstellung, und sicher stehen wir wohl alle immer noch vor diesem Szenario wie hilflose Marionetten in einem Alptraum, auch wenn nach knapp zwei Wochen des sog. Shutdowns natürlich wenigstens ein klein wenig Gewöhnung eingetreten ist.

Ich will hier auch gar nicht verhehlen, dass ich die eingeleiteten großflächigen Schließungen gastronomischer und kultureller Betriebe anfangs für Ausgeburten dieser typisch deutschen Hysterie gehalten habe. Eine Hysterie, die ja in der Vergangenheit allenthalben durch diverse schrille Medienberichte immer wieder befeuert wurde: Dioxin im Ei, Havarie des Reaktors Fukushima Daichi 2011, der weltweite Seuchenzug der Schweinegrippe zwei Jahre zuvor etc. pp.
Schließlich schien auch dieses Mal die „German Angst“ gegenüber der nüchternen Ratio zu dominieren, ein sich wechselseitiges Aufschaukeln aus medialer und politischer Panikmache vor unser aller Augen abzulaufen. Als „alter Hase“ in der Beschäftigung mit derartig medial gesteuerten Phänomenen wähnte ich mich in meiner Coolness bestätigt.
Dazu gesellte sich die Tatsache, dass ich mit meinem Deutsch-Leistungskurs erst wenige Tage zuvor den dystopischen Roman „Corpus Delicti“ von Juli Zeh beendet hatte: In dieser fiktiven Gesundheitsdiktatur („Die Methode“) haben sich Mitte des 21. Jhds. alle Einwohner dazu zu verpflichten, sich sportlich zu betätigen und gesund zu ernähren, ihre entsprechenden Daten an die Behörden weiterzuleiten – dies alles gemäß des „gesunden Menschenverstands“ (so der Titel des wichtigsten Propaganda-Organs) und in der vermeintlichen Tradition der Aufklärung.
Erst meine gierige Rezeption diverser Virologen-Podcasts und die Einsicht in die mathematischen Gesetzmäßigkeiten exponentieller Funktionsverläufe (Stichwort: Opferzahlen in Italien, Spanien und mittlerweile auch den USA) machten mir meinen diesmaligen Irrglauben klar.
Um so dringlicher, dass die Medien in der Post-Corona-Zeit ein gerüttelt Maß Sachlichkeit walten lassen sollten, um nicht noch einmal eine solch fatale „Alles-halb-so-wild“-Haltung bei mir und zahlreichen anderen Zeitgenossen zu generieren!

Jedoch denke ich, dass die derzeitigen rigiden, mit dem Infektionsschutz begründeten Anordnungen des Bundes, der Länder und Kommunen absolut eine Frage des Augenmaßes sind und keinesfalls einen Freibrief darstellen, alles kritiklos und zeitlich unbefristet hinzunehmen oder gar nach Corona schon bei deutlich geringeren Anlässen damit zu drohen. Die wachsame Zivilgesellschaft im Dienste einer nach wie vor funktionierenden Demokratie ist daher ebenso oberstes Gebot der Stunde wie die momentanen Versammlungsverbote und Abstandsregelungen.
Oder, um die beiden Juristen Pauline Weller und Bijan Moini zu zitieren:

„Die Maßnahmen müssen etwas bringen, sonst sind sie rechtswidrig. Vor dieser Schranke musste ein Vorschlag des Bundesgesundheitsministeriums Halt machen: Die Behörden sollten die über Funkzellen ermittelten Standortdaten der Handys von Infizierten anfordern können, um Kontaktpersonen zu ermitteln. Weil genau das aber technisch unmöglich war, musste Minister Jens Spahn den Passus aus dem neuen Infektionsschutzgesetz wieder streichen.

Die Beschränkungen der Freiheit müssen auch in sich schlüssig sein. Es darf zum Beispiel nicht zur Rückkehr in seine Heimat gezwungen werden, wer sich seit Monaten an seinem Zweitwohnsitz aufhält, wenn gerade das die Infektionsgefahr erhöht. Deshalb müssen alle Verbote Ausnahmen zulassen, um dem Einzelfall gerecht zu werden. Die nun in der Ausnahmesituation geschaffenen Beschränkungen der Freiheitsrechte dürfen zudem nicht zur Regel werden. Alle Einschränkungen müssen ebenso schnell zurückgebaut werden, wie sie errichtet wurden, sobald die Lage es erlaubt.

Die Legislative muss mehr Entscheidungen treffen
Und dann müssen wir rasch in die Zukunft blicken. Wir dürfen gegenüber einer vorhersehbaren Bedrohung wie einem Virus nie wieder so hilflos sein, nie wieder dürfen Freiheitsbeschränkungen wie derzeit nötig werden. Und nie wieder dürfen Regierungen in Bund und Ländern in einem solchen regulativen Vakuum agieren. Statt Gemeinden und einzelne Behörden bei wichtigen Entscheidungen allein zu lassen, muss der Gesetzgeber im Infektionsschutzgesetz deutlich mehr Wertentscheidungen selbst treffen, von Ausgangsbeschränkungen bis zur Ressourcenverteilung im überforderten Krankenhaus. Dafür ist ein Parlament schließlich da.“

Seien wir froh, dass die politischen Ränder momentan (noch?) nicht von der Ausnahemesituation zu profitieren scheinen. Nicht auszudenken jedoch, was (neben den rasant steigenden Opferzahlen) im Falle einer Entwicklung wie in Italien diesbezüglich geschehen könnte – schließlich erleben wir ja bereits jetzt die gnadenlose Offenlegung der Schwächen unseres auf Kostensenkung getrimmten Gesundheitssystems. Denjenigen, die hier maßgeblichen Anteil daran haben, dass Krankenhäuser und Arztpraxen zumindest weitgehend noch die Lage im Griff zu haben scheinen, gebührt weit mehr als ein ritualisierter abendlicher Applaus „einkasernierter“ Bürgerinnen und Bürger. Ansonsten sähe ich mich gezwungen, in die Merkel-Worte einzustimmen, die sie im Zusammenhang mit der Flchtlingssituation vor Jahren einmal äußerte: „Dann ist das nicht mein Land!“

Exorzismus-Festspiele „gegen rechts“: Wie Thüringen und Hanau die neue Volksfront befeuern

Februar 28, 2020

Auch wenn ich es mittlerweile leid bin, in dieser „Freiluftklapse“ Deutschland an den letzten Funken Verstand zu appellieren, aber die Vorfälle um die Thüringer Wahl des Ministerpräsidenten sowie die Hanauer Morde lassen mir einfach keine andere Wahl. Halten wir also fest:

Da lässt sich ein FDP-Mann im dritten Wahlgang und mit den Stimmen der (gerade in diesem Bundesland) zurecht als völkisch-rechtsaußen verschrienen AfD ins höchste Staatsamt auf Länderebene wählen. Wohl perplex ob des zu seinen Gunsten ausgegangenen Votums erdreistet er sich auch noch, die Wahl anzunehmen. Die Folge: Ein Shitstorm ohnegleichen fegt nicht nur über ihn und die Landes-FDP hinweg, sondern reißt auch noch die Thüringer CDU, ja sogar deren Bundesvorsitzende in den Strudel des Abgrunds!
Man könnte meinen, Deutschland stehe unmittelbar vor der Wahl Björn Höckes zum neuen Reichskanzler oder gleich vor dem Einmarsch in Polen…

Und nein, ich bin mir sehr wohl bewusst, dass die AfD (oder zumindest deren völkisch-nationaler „Flügel“) durchaus eine Gefahr für die Demokratie darstellt (Stichworte: „Selbstverharmlosung“, Betonung der vermeintlichen eigenen „Bürgerlichkeit“). Es wird den etablierten Parteien nur herzlich wenig nutzen, auf Biegen und Brechen an der Dämonisierung dieser Partei festzuhalten. Gerade dadurch, dass man auf Teufel komm raus verhindern möchte, sich von AfD-Gnaden zu einem politischen Amt küren zu lassen, eröffnet man der Möchtegern-Alternative ungeahnte Möglichkeiten der Einflussnahme: So kann die AfD erst recht die verhassten „Altparteien“ vor sich her treiben und sich bei Gegenwind in die gewohnte Opferrolle einigeln. The same procedure as every year! Gääääääääähn!
Jene „Altparteien“, deren verkrustete Denk- und Organisationsstrukturen gehörig zur Erosion der politischen Mitte beigetragen haben dürften. Dazu Matthias Heitmann im CICERO:

„Die Stärke der Partei Die Linke in Ostdeutschland ist, wie auch das Wachstum der AfD, ein Symptom des Scheiterns der alten, vor 30 Jahren importierten westdeutschen Parteisystematik. Beide sind gewissermaßen miteinander konkurrierende Auffanglager für politische Inlandsflüchtlinge. Will man deren Zulauf verhindern, muss man die an Fluchtursachen ran, und diese liegen u.a. in dem immer penetranter werdenden Verwesungsgeruch, der aus der ‚politischen Mitte‘ aufsteigt. Die derzeit so viel zitierte wie inhaltsleere ‚Hufeisentheorie‘ macht den Bock zum Gärtner: Ihr zufolge wird die blühende deutsche Mittelerde völlig ohne jeden Grund von extremistischen Eindringlingen umgepflügt. Tatsächlich ist die Dynamik eine ganz andere: Die alte Mitte, in der sich sieche Angstparteien auf den Jesuslatschen herumtrampeln, lässt immer mehr Menschen die Flucht ergreifen.“

Die durch das „Thüringer Erdbeben“ (ein Hoch auf die politische Weltuntergangs-Metaphorik!) um eine weitere Umdrehung vorangetriebene Exorzismus-Eskalationsspirale wurde wenige Wochen später infolge der Morde eines verschwörungsidiotischen Hanauer Rechtsextremisten erst recht zum Glühen gebracht. Spätestens jetzt fielen bei einigen Akteuren des linksautoritären Spektrums die letzten Hemmungen, um zur medialen Treibjagd auf unbequeme Stimmen zu blasen, darunter der durch seine pointiert gegen den linksgrünen Zeitgeist gebürsteten Beiträge bekannte „Querulant“ Henryk M. Broder. Wurde dem Kabarettisten Dieter Nuhr bereits Ende 2019 durch Politkasper Jan Böhmermann „was auf die Fresse“ angedroht (ach, wie satirisch!), so erdreistete sich der Bremer Ex-Moderator des „Neo Magazin Royale“ (ZDF) gemeinsam mit Jakob Augstein („Der Freitag“) nun dazu, Broder zusammen mit Thilo Sarrazin („Feindliche Übernahme“) und Roland Tichy („Tichys Einblick“) quasi als Helfershelfer des mörderischen Treibens rechtsextremer Provenienz hinzustellen. Ein ungeheurer Vorgang, der in der Tat Parallelen zur Rufmordkampagne der 1970er-Jahre erkennen lässt, in welcher u.a. die BILD-Zeitung gegen den linken Schriftsteller Heinrich Böll ob dessen vermeintlicher Nähe zur linksextremistischen RAF-Terrorbande zu Felde gezogen war.

Im Kielwasser dieser Geschehnisse, aber angestoßen bereits Jahre zuvor, offenbarte sich wieder einmal ein Phänomen einer ohnehin schon viel zu sehr eingeschliffenen denkfaulen Sprachpanscherei hiesiger Gesinnungsmedien. Oder mit den Worten von Judith Sevinc Basad in der „Neuen Zürcher Zeitung“:

„Während stets zwischen linken und linksextremen Ansichten unterschieden wird, wird auf der rechten Seite alles in einen Topf geworfen. Gleichsetzungsdelirien beherrschen den Diskurs der veröffentlichten Meinung: ‚liberal‘ gleich ‚konservativ‘ gleich ‚rechts‘ gleich ‚rechtsradikal‘ gleich ‚rechtsextrem‘ gleich nicht mehr diskussionswürdig, also: nicht mehr Teil der demokratischen Gesellschaft.“
NZZ – Rechts, konservativ, liberal_ Das ist alles dasselbe_ Mais non!

Und als wäre all das nicht schon traurig genug, erleben wir nach der unfassbaren Bluttat von Hanau (übrigens der Stadt, in der ich arbeite und knapp sieben Jahre gewohnt habe) eine unverfrorene Instrumentalisierung der Morde durch Kräfte divergenter politischer Couleur: Dem willkommenen Sündenbock AfD eine Mitschuld anzulasten lenkt immerhin vom eklatanten eigenen Versagen ab (Stichworte: Blüte des politischen Islam und arabischer Clankriminalität, um nur einige Problemfelder zu nennen). Dessen beinahe unbemerkt nutzen derweil Erdogans nationalislamistische Gesinnungsfreunde die ihnen günstig wie nie erscheinende Lage und springen auf den Opfer-Zug auf, wohlwissend, in altbekannter Manier nun wieder die Rassismuskarte ausspielen zu können (gerne auch mit dem Zusatz „antimuslimisch“, wobei einige der Hanauer Opfer definitiv nicht islamischen Glaubens waren).

So schreitet die vielzitierte Spaltung der Gesellschaft munter voran, und nicht nur „rechte“ Kräfte tragen dafür die Verantwortung. Erst wenn die etablierten Parteien die eigene Mitverantwortung für den Aufstieg der AfD erkennen und diese endlich souverän INHALTLICH zu stellen versuchen, wird dieses Land möglicherweise wieder ein wenig zur Ruhe kommen. Verschwinden werden die „Schmuddelkinder der bundesdeutschen Parteienlandschaft“ hingegen vermutlich nicht, aber seien wir ehrlich: Einem Politestablishment, das sich vielfach derart visions- und wertelos präsentiert, würde ohne die AfD die bitter benötigte Negativfolie fehlen, um die letzten eigenen Zuckungen als heldenmütigen „Kampf gegen rechts“ verklären zu können. Lotta continua!