Wenn die Realität nicht zaghaft anklopft, sondern die Tür eintritt: Deutschland im Rausch der Hypermoral

Es mutet in der Tat alles andere als beruhigend an, wenn jetzt sogar das doch eher staatstragende Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) in seiner Doku „Blackout in Deutschland – Horrorszenario oder reale Gefahr?“ (Sendung WISO, 01.08.2022) mit dem Satz schließt, die Wahrscheinlichkeit eines großflächigen, länger anhaltenden Stromausfalls – eben eines Blackouts – in den kommenden Wintermonaten steige – „mit verheerenden Folgen für Deutschland“.

Und auch Vince Ebert, seines Zeichens Physiker und Comedian, geht mit der nicht erst seit gestern zu beobachtenden, hierzulande weit verbreiteten Einstellung der Politik ins Gericht, zugleich technologiefeindlich und moralisierend mit dem Habitus des Klima-, wenn nicht gleich Weltenretters aufzutreten.

Ebert schreibt im Magazin DER SPIEGEL bzw. auf SPIEGEL online:

Deutschland hat sich seit Jahren selbst mit einer unheilvollen Kombination aus Technologiefeindlichkeit, energiepolitischem Tunnelblick und moralischem Größenwahn in diese Situation gebracht.

Seit 2011 schalten wir sukzessive unsere Kernkraftwerke ab und wollen so bald wie möglich auch auf Kohlestrom verzichten. Wir träumen davon, mit Elektroautos und Wärmepumpen den Planeten zu retten und setzen wie kein anderes Land der Welt auf erneuerbare Energien. Wir schwärmen von Energie- und Mobilitätswenden, von »Green Deals« und »großen Transformationen« – und gleichzeitig haben wir Schwierigkeiten, einen simplen Flughafen zu bauen oder ein Mautsystem einzuführen.

In unserem Drang, die Welt retten zu wollen, haben wir fundamentale ökonomische und physikalische Grundprinzipen ersetzt durch Wunschdenken und Bauchgefühl. Allein die Tatsache, dass es noch keine Energiespeichersysteme in großem Maßstab gibt, ohne die eine Umstellung auf schwankenden Wind- und Sonnenstrom überhaupt erst möglich wird, zeigt, wie sehr sich dieses Land in die eigene Tasche lügt.

Im anderen Zusammenhang, nämlich der Frage der (Un-)Gefährlichkeit der Corona-Impfung, geht der Arzt Dr. Gunter Frank (Autor des Buches „Der Staatsvirus. Ein Arzt erklärt, wie die Vernunft im Lockdown starb“) noch einen Schritt weiter und attestiert bei Bild TV dem deutschen Gesundheitssystem das Niveau eines „Bananenstaates“, spricht gar von einem „medizinischen Zivilisationsbruch“.

Auf breiter Front hätten medizinische Kontrollinstanzen wie das Paul-Ehrlich-Institut versagt, was die Anzahl schwerer Nebenwirkungen dieser Impfung anbelange; die Zulassungsstudie des Pfizer-Konzerns weise grobe Fehler auf.

Dem aufmerksamen Medienrezipienten werden die insbesondere im letzten Herbst und Winter ausgesprochenen Diffamierungen von Menschen, die sich gegen eine Corona-Impfung entschieden hatten, noch schrill in den Ohren klingen. Nicht das sachlich beste Argument zählt – die moralische Diskreditierung des Gegners war ausdrücklich erwünscht.

Bereits vor fünf Jahren beklagte der Philosoph und CICERO-Kolumnist Alexander Grau (Autor des Buches „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“) in diesem Zusammenhang:

Es gibt kaum einen Lebensbereich, der inzwischen ja nicht moralisiert wird. Das fängt im Privatleben an. Denken wir an Fragen der Ernährung, des allgemeinen Lebensstils, des Rauchens. Der Konsum hat nachhaltig zu sein. Die Produkte haben fair gehandelt zu sein. Das sind alles Beispiele aus unserem ganz privaten, alltäglichen Leben.

Aber auch der politische Diskurs ist ja inzwischen hochgradig moralisiert. Denken Sie an den Atomausstieg, die Energiewende, viele Fragen der Außenpolitik. Von sozialpolitischen Fragen brauchen wir gar nicht erst zu reden. Vieles wird häufig im Tonfall hochgeschraubter Moralität behandelt. Sachfragen werden tendenziell ausgeklammert.

Vielleicht benötigt ein Land, in dem die sachliche Debatte und der innovative (Unternehmer-)Geist derart schlecht gelitten ist, wirklich einen möglichst krachenden Schockmoment, um aufzuwachen – Explosion der Energiekosten und drohender Blackout lassen womöglich ein wohlstandsverwahrlostes und grün-tagträumendes Land endlich auf dem Boden der Tatsachen ankommen – wenn auch auf die denkbar schmerzhafteste Weise!

Hinterlasse einen Kommentar