Eyes wide shut – Wie woke Linke die Gesellschaft zurück in moralistisches Gruppendenken treiben wollen

Die Frau muss Nerven wie Drahtseile haben, jedenfalls ging sie laut eigener Beschreibung durch die Hölle des Rassismusvorwurfs, knickte aber nicht vor der Niedertracht dieser Anwürfe ein und ließ ihre Erfahrungen auch noch in ein zutiefst vom Geist der Aufklärung durchdrungenes Sachbuch einfließen:

Die Rede ist von der Frankfurter Ethnologin Prof. Susanne Schröter und ihr aktuelles Werk „Der neue Kulturkampf. Wie eine woke Linke Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft bedroht“.

Ausgehend von ihren eigenen leidvollen Erfahrungen beschreibt die Autorin sehr anschaulich und ohne im akademisch-verschwurbelten Unbestimmten zu verharren eine sich selbst als „erwacht“ (engl. woke) verstehende Linke, die sich ausgehend von US-amerikanischen Elite-Universitäten zunehmend auch an höheren Bildungsstätten im deutschsprachigen Raum festsetzt und von dort aus große Teile der Kultur-, Medien- und Politikszene ideologisch auf Linie zu bringen versucht – leider viel zu oft mit mehr oder weniger großem Erfolg.

Ideologische Basis des Ganzen bildet laut Schröter die sog. „Postcolonial Theory“, d.h. die simple Kategorisierung der Menschheit in Täter- und Opfergruppen im Hinblick auf tatsächliche oder vermeintliche Rassismus- und/oder Sexismuserfahrungen. Kurz gesagt: Als Tätergruppen gelten ausnahmslos weiße, heterosexuelle und nicht-muslimische Männer, Opfer sind dem zufolge immer Frauen, häufig homo- oder bisexuell (bzw. sich im falschen Körper wähnend, also transsexuell), im Idealfall auch noch kombiniert mit der Identität als Muslime.

Differenzierende Nuancen kennt diese holzschnittartige Einteilung laut Schröter nicht. So wird die Verantwortung für den Sklavenhandel und das damit einhergehende massenhafte Leid von Millionen Menschen ausschließend den Europäern mit ihrem Transatlantikhandel zugeschrieben. Der zahlenmäßig vermutlich umfangreichere, von muslimischen Arabern betriebene Sklavenhandel fällt für die woken Akteure dagegen vollständig unter den Tisch. Wer dieser sektenartigen Zweiteilung der Welt in Täter- und Opferkollektive auch nur punktuell widerspreche, müsse mit scharfen Angriffen („Shitstorms“, in erster Linie innerhalb der Sozialen Medien), schlimmstenfalls mit Ausladungen von (akademischen) Veranstaltungen bis hin zum beruflichen Karriereende rechnen.

Anhand der von ihr selbst im April 2023 für das Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam (FFGI) veranstalteten Konferenz „Migration steuern, Pluralität gestalten“ und der sich anschließenden Kampagne gegen sich selbst sowie das gesamte Institut zeigt die Autorin auf, mit welchem fundamentalistischen Furor viele Aktivisten der woken Szene agieren. Insbesondere das Thema Migration / Islam stehe immer wieder im Mittelpunkt woker Attacken, da aus Sicht dieser Leute Migranten stets unschuldige „Schutzsuchende“ seien, Muslime nur als Opfer einer als strukturell rassistisch dargestellten Gesellschaft wahrgenommen würden.

Besonders betroffen machen ihre Ausführungen dann, wenn sie die häufig durch Wegducken und Mitläufertum bestehenden Reaktionen universitärer Entscheidungsgremien darstellt und auch auf die zumindest partielle Unterstützung woker Anliegen durch Teile der Mainstream-Medien zu sprechen kommt.

An einigen Stellen verfällt die Autorin jedoch in eine zu sehr pauschalisierende Wortwahl (z.B. „Während die Transbewegung Menschen mit ihrem Hass verfolgt, […]“, S. 161), doch mögen derlei Termini durch die persönliche Verletztheit Schröters zustande gekommen sein, wie auch die Rezension des Humanistischen Pressedienstes betont.

Dass die Gefahr der großformatigen Durchdringung weiter gesellschaftlicher Segmente möglicherweise nicht ganz so akut sein dürfte, wie die Autorin suggeriert, lässt sich unter Umständen an der Entscheidung der Landesregierungen Bayerns und Hessens gegen die sogenannte geschlechtersensible Sprache („Gendern“) in Verwaltungs- und Bildungseinrichtungen sowie an der derzeit um sich greifenden Debatte um die Selbstinszenierung des deutschen Fußballnationalspielers Antonio Rüdiger erkennen, der mit dem sogenannten, als islamistische Geste deutbaren, Tawhid-Finger anlässlich des muslimischen Fastenmonats Ramadan auf seinem Social-Media-Account posierte.

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