Papiers post(?)-pandemische Postulate

Um dem Aufgalopp anschwellender Corona-Sirenengesänge während des gerade begonnenen Sommers zu entfliehen, habe ich mich einem Mann und seinen Ansichten zugewandt, der von 2002 bis 2010 nichts Geringeres als das Bundesverfassungsgericht (BVG) in Karlsruhe geleitet hat – Hans-Jürgen Papier.

Auch wenn er medial während der zurückliegenden 2 ½ Jahre Pandemie medial nie in der ersten Reihe stand (das Schicksal ruhig-besonnener Charaktere eben!), so bekam er in den letzten Monaten immerhin ein Fünkchen öffentlicher Aufmerksamkeit.

So beklagt Papier die im Zuge zahlreicher Pandemie-Maßnahmen zugenommene Politikverdrossenheit großer Teile der Bevölkerung:

Das mag auch damit zusammenhängen, auf welche Art und Weise die Entscheidungen zur Bekämpfung des Coronavirus zustande gekommen sind.

Erst die sog. „Bundesnotbremse“ vom Frühjahr 2021 habe aus einem Wust von länderspezifisch unterschiedlichen Verordnungen juristisch mehr Einheitlichkeit geschaffen, was er begrüßt. Allerdings, nicht ohne zu kritisieren, dass sich das parlamentarische Gremium der Bundesrepublik schlechthin, der Deutsche Bundstag, viel zu lange aus der Pandemiebekämpfung herausghalten habe:

Die gewählten Volksvertreter wurden damals zu Zuschauern degradiert. Das war nicht gut.  

Die Lage der Freiheitsrechte hierzulande sieht Papier schon vor Corona-Zeiten kritisch:

Staatliche Eingriffe in Freiheitsrechte der Bürger gibt es ja nicht erst, seit das Coronavirus bei uns angekommen ist“ stellt der Staatsrechtler heraus. In Deutschland werde überdies die Exekutive immer stärker, während die Parlamente an Bedeutung verloren haben, zeigt sich Hans-Jürgen Papier durchaus besorgt. Das liege sicher auch an den großen Koalitionen, die wir lange Jahre im Bund hatten. Ein Parlament brauche aber eine starke Opposition. Mit der neuen Regierung und der neuen Opposition (die nun von der Union angeführt wird) könnte das nun vielleicht endlich wieder besser gelingen.“

Mittlerweile liegt auch ein aktuelles Buch Papiers („Freiheit in Gefahr. Warum unsere Freiheitsrechte bedroht sind und wie wir sie schützen können“) vor. Der Umgang mit Corona macht zwar nur ein Kapitel aus, aber auch auf diesem vergleichsweise knappem Raum redet de Ex-Verfassungsrichter erfreulich viel Klartext und mahnt die verantwortliche Politik zu einer evidenzbasierten Vorgehensweise – moderat im Ton, versteht sich, und ohne die allgemeine Gefährlichkeit des Virus infragezustellen:

In den Herbstferien 2020 traten in verschiedenen Bundesländern Regelungen in Kraft, die, gelinde gesagt, äußerst verwirrend waren und nicht gerade dazu angetan schienen, das Vertrauen in die Stimmigkeit der Entscheidungen der Politik zu stärken. So war es in manchen Ländern Reisenden aus sogenannten Corona-Hotspots eines anderen Bundeslandes verboten, in den Hotels zu übernachten. In Bayern zum Beispiel durften Reisende aus Berlin nicht in Hotels übernachten, Reisende aus einem bayerischen Hotspot dagegen sich im Freistaat ungehindert bewegen und die Nacht in Hotels verbringen. (S. 32)

Auch wenn der Gesetzgeber letztendlich bei den Verfahren und Formen wieder eine zu begrüßende Richtung eingeschlagen hat, bestehen gegen mach eine diskutierte Maßnahme berechtigte Vorbehalte: Wie lässt sich etwa begründen, dass eine immer wieder geforderte nächtliche Ausgangssperre tatsächlich einen Einfluss auf das Infektionsgeschehen haben wird? Geht es hier nicht viel eher darum, die Menschen wirkungsvoller zu kontrollieren?“ (S. 50)

Anfang Juni hat der Topjurist anlässlich eines Vortrags in Wiesbaden offenbar nachgelegt (Beitrag des „Wiesbadener Kuriers“ leider hinter Bezahlschranke, daher Zitat aus der „Jungen Freiheit“):

Papier bemängelte vor allem die insgesamt 38 Wochen dauernden Schulschließungen. Das „Supergrundrecht“ auf Sicherheit und Gesundheitsschutz, auf das sich die Regierung berufen habe, gebe es nicht. Und schon gar nicht hätten sich diesem die anderen Grundrechte pauschal unterzuordnen.

Für den kommenden Herbst und Winter steht jedoch zu befürchten, dass auch dann rational gefestigte geistige Schwergewichte wieder opportunistischen Machtgeiern (Söderisten) und autistischen Politverbrechern (Lauterbachisten) von der medialen Präsenz her deutlich unterlegen sein werden.

Die Panikfestspiele, sie werden aller Wahrscheinlichkeit weiter fröhlich Urständ‘ feiern – ad nauseam („bis zum Erbrechen“)!

Hinterlasse einen Kommentar