Prädikat philosophisch wertvoll: Glauben auf Knopfdruck als Ding der Unmöglichkeit entlarvt

Es ist immer wieder erfrischend, religiöse Glaubenssysteme aus einem philosophischen Blickwinkel in Augenschein zu nehmen. Ein zeitgenössisches Exemplar von Philosoph, genauer gesagt Privatdozent für dieses Fach an der Ludwig-Maximilians-Universität München, ist Andreas Edmüller, dessen aktuelles Buch „Die Legende von der christlichen Moral“ die (seiner Meinung nicht vorhandene) moralische Basis des christlichen Glaubens auseinandernimmt.

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Kurz gesagt, Edmüller weist vor allem nach, dass die Kriterien der Berechenbarkeit und Stimmigkeit als Grundlage eines stringenten Moralsystems im Christentum nicht gegeben sind, von daher viele Fragen der Ethik (z.B. nach Krieg und Frieden) von Christen auf Grundlage der Bibel, der Kirchenväter, diverser Päpste etc. so, aber auch komplett anders beantwortet werden können. Hier ein kurzer Ausschnitt daraus:

„Eine Minimalbedingung sinnvoller moralischer Forderungen wird im Englischen prägnant als Ought implies can ausgedrückt: Moralische Forderungen müssen im Prinzip erfüllbar sein. Wer z.B. fordert, man dürfe nicht lügen, der setzt voraus, dass es zumindest im Normalfall in unserer Macht steht, die Wahrheit zu sagen. Genau dagegen verstoßen aber die ersten Gebote [insbesondere das erste Gebot des Dekalogs: „Ich bin Jahwe, dein Gott […] Du sollst neben mir keine anderen Götter haben.“, 2. Mose 20, 1]. Es stimmt einfach nicht, dass es in unserer Macht steht, sich bewusst für den Glauben an einen oder mehrere Götter und ihre jeweiligen Eigenschaften ‚zu entscheiden‘. Ich kann doch nicht einfach den Entschluss fassen, ab sofort Christ, Hindu oder Moslem zu sein! Ich kann mich zwar dazu entschließen, mich intensiv mit Fragen nach einem Gott und seinen Eigenschaften auseinanderzusetzen. Aber für sehr viele Menschen endet dies ’nach bestem Wissen und Gewissen‘ in verschiedenen Formen eines religiösen Skeptizismus. Die Aufforderung Glaube ab sofort an Jesus/Jahwe/Allah/Zeus – und zwar felsenfest! ist Unfug. Folglich scheitern die ersten Gebote am Realismus-Prinzip des Ought implies can.“
Quelle: Andreas Edmüller: Die Legende von der christlichen Moral. Warum das Christentum moralisch orientierungslos ist. Marburg 2015, S.86.

Beim Lesen dieser Zeilen fühlte ich mich an meine Zeit in der NAK erinnert, wo ja auch häufig solche ganz schlauen Ratschläge erteilt wurden, quasi auf Knopfdruck zu glauben bzw. die eigenen Emotionen in eine bestimmte Richtung zu lenken: „Geht´s auch wider die Natur – Jesus spricht ja: Glaube nur!“
Ganz abgesehen von der Tatsache, dass in Glaubensdingen fast immer das nachgeplappert wird, was die Leute eh bereits von Kindesbeinen an in ihrer Kirchen-, Moschee- oder Synagogengemeinde zu hören bekamen, ohne hier die rationale Messlatte anzulegen.

Wie heißt es so schön treffend bei Kant: „Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung frei gesprochen […], dennoch gerne zeitlebens unmündig bleiben“.

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